Drei Sinfonien als gekonnt getanzter Bewegungskanon
Begeisterung an der Wiener Staatsoper bei der Uraufführung des Ballettabends "Tänze Bilder Sinfonien" zum Saisonausklang.
Mit großem Jubel ging am Samstag die letzte Premiere der heurigen Staatsopernsaison, die dem Ballettabend "Tänze Bilder Sinfonien" galt, über die Bühne des Hauses am Ring. Martin Schläpfer, neuer Ballettchef, hat wie schon bei der virtuellen Premiere "Mahler, live" im Dezember einen Abend für das gesamte Wiener Staatsballett konzipiert, also für im Programmheft ausgewiesene 98 Tänzerinnen und Tänzer.
Das beeindruckt und schafft viele Möglichkeiten vom intimen Solo bis hin zum Staunen machenden Tutti. Gemeinsam hatten die drei ausgewählten Musikstücke, dass sie eigentlich nicht für den Tanz konzipiert sind und dennoch viel Rhythmisches, ja Tänzerisches beinhalten. Den Auftakt machte die "Symphony in Three Movements", die George Balanchine mit dem New York City Ballet im Rahmen eines Strawinsky-Festivals 1972 kreierte und sich dabei ganz auf die rhythmische und auch klangliche Stärke dieses Werks konzentrierte. Als typisches Schwarz-Weiß-Ballett mit rosa Farbtupfern kommen die gut 20 Minuten Musik ohne Bühnenbild aus, und dennoch generieren sich aus der Musik, die unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg entstand und in gewisser Weise darauf Bezug nimmt, Bilder, die Balanchine in faszinierende Bewegungsmuster umwandelte und das Wiener Staatsballett nicht minder gekonnt – einstudiert unter Ben Huys – beeindruckend umsetzte.
Schon rein akustisch waren Mussorgskis "Bilder einer Ausstellung" ein starker Kontrast, denn es erklang nicht eine der Orchesterfassungen, sondern das von Alina Bercu fulminant gespielte pianistische Original. Der ehemalige künstlerische Leiter des Bolschoi Balletts, Alexei Ratmansky, hat dafür eine von Wassili Kandinskys Bildern inspirierte Inszenierung und Choreografie geschaffen, die nicht versucht, die dem Werk ursprünglich zugrunde liegenden Bilder Viktor Hartmanns tänzerisch zu illustrieren, sondern von der Musik und wiederum stark vom Rhythmus ausgehend abstrakte Linien zu neuen Gedankenmustern und fiktiven Visionen erstehen zu lassen. Fünf von Amar Ramasar, der Teil des Uraufführungsensembles war, studierte Solistenpaare treffen sich solistisch, im Pas de Deux, im Ensemble, um diese Fantasien zur tänzerischen Wirklichkeit geraten zu lassen, und beeindruckten dabei nicht nur technisch, sondern auch in der trotz gleicher Kostüme flexiblen Gestaltung der einzelnen "Bilder".
Beeindruckendes vom Ballettchef
Den Schlusspunkt setzte eine Uraufführung von Martin Schläpfer, der nach "Mahler" eine weitere Symphonie nicht einfach "vertanzte", sondern deren Innerstes nach außen kehrte und subtil auf die Komposition reagieren ließ. Die 15. Symphonie von Dmitri Schostakowitsch ist hervorragend dafür geeignet, ist sie doch so etwas wie ein Kaleidoskop der gesamten Musik des russischen Komponisten mit all den biografischen Auf und Abs.
Dabei kommen nicht nur eigene Zitate zum Einsatz, sondern auch solche von Rossini und Wagner. Schläpfer hat hier eine beeindruckende Choreografie entwickelt und das Wiener Staatsopernballett diese restlos überzeugend interpretiert – besonders beeindruckend der langsame zweite Satz, aber auch die Todeswehmut des letzten, aber keinesfalls hoffnungslos endenden vierten Satzes.
Neu am Pult des höchst präzise und engagiert agierenden Staatsopernorchesters war Robert Reimer, der zu beiden Symphonien einen idealen Zugang fand. (wruss)
Fazit: Ein absolut beeindruckender und aufgrund seiner stilistischen Vielfalt überzeugender Ballettabend, der am Beginn der kommenden Saison ab 17. September wieder zu sehen sein wird.