Ein Zerrissener mit viel Risikofreude gespielt
Premiere von Nestroys "Der Zerrissene" in Haag.
Der Theatersommer Haag feiert seinen 20. Geburtstag mit Nestroys Posse "Der Zerrissene". Regisseur Dominic Oley hat Nestroys Bühnentext risikofreudig aktualisiert. Das Risiko besteht in diesem Fall darin, dass "Der Zerrissene" nicht nur Lustspiel ist, sondern auch abgründige Charakterkomödie. Herr von Lips, die Titelfigur, ist reich, ledig, frei – und unglücklich. Die materielle Sorglosigkeit wird ihm durch das schale Gefühl der Sinnlosigkeit vergällt. Diesen nihilistischen Kern von Nestroys Posse vermittelt Dominic Oleys Inszenierung nur punktuell. Er betont groteske Elemente, arbeitet mit viel Bewegung, Slapstick, hohem Tempo, schrillen Tonlagen. Das ist kurzweilig, heiter, in sich konsequent. Nestroy-Feinschmecker werden allerdings sprachliche und atmosphärische Nuancen vermissen.
Intendant Christian Dolezal gab (trotz Erkrankung) seinem Herrn von Lips ein überzeugendes Profil zwischen Zynismus und seelischer Bedürftigkeit. Miriam Fussenegger als Kathi hatte es im Rahmen dieser "heutigen" Inszenierung schwerer, zu einer klaren Kontur zu finden. Als liebesfähige und liebenswerte Unschuld vom Lande wollte man sie nicht zeichnen, aber das keck Emanzipatorische fügt sich zu dieser Frauenfigur nicht so recht. Sigrid Hauser versprühte als Madame Schleyer berechnenden Charme, Kajetan Dick war ein herrlich genervter Krautkopf. Tania Golden unterstrich als Gluthammer den grotesken Charakter der Inszenierung.
- Fazit: Der Nestroy-Connaisseur wird mit dieser Inszenierung nicht restlos glücklich sein. Aber amüsantes Sommertheater der gehobenen Qualitätsklasse bietet Haag auch in diesem Jahr.
- Termine/Karten: theatersommer.at