Musikalischer Superstar und hochverehrter Außenseiter
Als er 2018 im Linzer Posthof im Alter von 82 Jahren noch einmal seine mit Hallodris, Säufern, glücklosen Liebhabern und Zweiflern bevölkerten Lieder spielte, bewies Kris Kristofferson aufs Neue seine musikalische Urgewalt. Kein Wunder, dass Bob Dylan einst gefordert hatte, man müsse die Musik in Nashville in eine Epoche vor und nach diesem Mitbegründer des Singer-/Songwriter-Genres einteilen. Wie erst gestern bekannt wurde, ist Kris Kristofferson im 89. Lebensjahr am Samstag friedlich in seinem Haus auf Maui (Hawaii) gestorben. Kristoffersons Songs wurden von Musik-Legenden wie Elvis Presley, Jerry Lee Lewis, Joan Baez, Willie Nelson, Janis Joplin und Ray Charles gesungen. Erfolge feierte er auch in Film und Fernsehen. So spielte er unter anderem in "A Star Is Born" (1976) neben Barbra Streisand einen todgeweihten Sänger und erhielt dafür einen Golden Globe.
"Wir sind alle so gesegnet für unsere Zeit mit ihm. Danke, dass ihr ihn all die vielen Jahre geliebt habt, und wenn ihr einen Regenbogen seht, dann wisst, dass er auf uns alle herablächelt", hieß es in der Erklärung der Familie. Sie wurde im Namen von Kristoffersons Frau Lisa, seinen acht Kindern Tracy, Kris Jr., Casey, Jesse, Jody, John, Kelly und Blake sowie seinen sieben Enkelkindern abgegeben.
Literatur-Stipendiat in Oxford
Geboren wurde der Enkel schwedischer Einwanderer 1936 in Brownsville im Süden von Texas. Mit einem Literatur-Stipendium für Hochbegabte studierte er im britischen Oxford und wollte Schriftsteller werden. Als er damit keinen Erfolg hatte, machte er beim amerikanischen Militär eine Ausbildung zum Hubschrauber-Piloten und war von 1962 bis 1965 in Deutschland in Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz) stationiert.
Danach sollte er an der Militärakademie West Point bei New York Literatur unterrichten, doch er folgte seiner Leidenschaft und ging in die Hochburg der Countrymusik, nach Nashville. Kristoffersons Mutter war entsetzt und sprach jahrelang kein Wort mehr mit ihm. "Sie hat gesagt, dass ich eine Schande für die Familie bin. Ich habe ihnen stolze Momente gegeben, zum Beispiel mit meinem Stipendium, aber sie sagte: ,Das wird niemals die riesige Enttäuschung aufwiegen, die du schon immer warst’", erzählte Kristofferson in einem Interview.
Bald stand Kristofferson neben Bob Dylan auf der Bühne, nachdem er die Böden der Studios gescheuert hatte. Fortan schrieb er einen Hit nach dem anderen, darunter "Sunday Morning Coming Down" und "Help Me Make It Through the Night", "Me And Bobby McGee", "Why Me". In Nashville zerbrach auch seine erste Ehe. Und drei Jahre nach der Scheidung von seiner zweiten Frau Rita Coolidge heiratete Kristofferson 1983 die Anwältin Lisa Meyers. "Er lässt sich nicht managen", sagte sie einmal über ihren Mann. "Sogar wenn ihm jemand sagt, dass er einen guten Tag haben soll, antwortet er: ,Sag mir nicht, was ich zu tun habe.‘"
Jeder Künstler, der seine Songs gesungen habe, "hat das besser gemacht als ich", sagte Kristofferson einmal. "Ich singe wie ein Frosch." Dennoch füllte er weltweit Stadien, gewann drei Grammys und begann aus Aberglauben jedes seiner Konzerte mit dem Song "Shipwrecked in the 80’s". Mit Johnny Cash, Waylon Jennings und Willie Nelson gründete er in den 80er-Jahren die Country-Super-Group "The Highwaymen", womit die vier Superstars eine Goldmine auftaten. Und doch forcierte Kristofferson über Jahrzehnte die kultivierte Form eines Außenseiters. Allerdings eines hochverehrten. (pg)
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