9. November 1938: Der gezielte Terror gegen Juden beginnt
WIEN. Die tragische Bilanz der Novemberpogrome: 400 Tote, 30.000 Deportierte, brennende Synagogen und zerstörte Geschäfte.
Es sollte wirken wie ein spontaner Ausbruch des Volkszorns. Doch die Novemberpogrome waren eine gezielte und gewollte Aktion der NS-Führung. Damit sollte die ab dem Frühjahr 1938 geplante Arisierung jüdischen Eigentums vorangetrieben werden.
Als Anlass nutzte man das Attentat des polnischen Juden Herschel Grynszpan auf den Legationssekretär der deutschen Botschaft in Paris, Ernst von Rath, am 7. November 1938. Die Propagandamaschinerie lief an, NS-Medien nannten antijüdische Maßnahmen eine "logische Konsequenz" des Attentats. Damit wurde öffentlich bereits vorab jegliche Aktion gegen Juden als gerechtfertigt dargestellt.
Adolf Hitler und Joseph Goebbels gaben am 9. November 1938 die Order aus, dass bei antijüdischen Demonstrationen und Plünderungen nicht eingeschritten werde. Bei brennenden Synagogen sollten nur die umliegenden Gebäude geschützt werden.
> Video: In den kommenden Tagen wird wieder der Opfer der Novemberpogrome von 1938 gedacht, die Teil des Vernichtungskampfes der Nazis gegen die Juden waren. Spuren davon finden sich im ORF-Archiv.
An SS und SA ergingen schließlich konkrete Weisungen, Geschäfte und Synagogen zu zerstören sowie Juden zu verhaften und zu delogieren. 400 Menschen wurden ermordet oder in den Selbstmord getrieben. Historiker gehen von einer hohen Dunkelziffer aus, viele Dokumente wurden vernichtet. Mehr als 1400 Synagogen, Betstuben und sonstige Versammlungsräume sowie tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden zerstört. Daher auch der zynische Name "Reichskristallnacht" der Nazis, der sich auf die eingeschlagenen Scheiben und Fenster bezieht.
Start der Verhaftungswelle
Auch die Synagoge in Linz wurde in Brand gesteckt, die Familie des Rabbiners konnte in letzter Minute fliehen. Mehr als 4000 jüdische Geschäfte und Gewerbebetriebe wurden allein in Wien an einem einzigen Tag geplündert, verwüstet und enteignet. Der Gestapo-Bericht für Linz hielt fest: "Zu Plünderungen jüdischer Geschäfte ist es nicht mehr gekommen, da in der Stadt Linz keine Geschäfte dieser Art mehr bestehen."
Mit den Novemberpogromen begannen die Verhaftungswellen. Allein in dieser Novembernacht wurden ungefähr 30.000 Juden in Konzentrationslager verschleppt – aus Österreich kamen 3755 nach Dachau.
Damit begann die systematische Ermordung der Juden. Der Holocaust kostete sechs Millionen europäische Juden das Leben.