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In Linz wurde der Weg frei für Europas Katastrophe

Von Lukas Luger, 07. März 2018, 00:04 Uhr
In Linz wurde der Weg frei für Europas Katastrophe
Begeisterte Massen bejubeln am 12. März 1938 auf dem Linzer Hauptplatz den Einzug Adolf Hitlers, der kurz darauf den "Anschluss" an Nazi-Deutschland verkünden wird. Bild: Sammlung Thomas Hackl

Am Samstag um 21 Uhr zeigt ORF III die "Anschluss"-Dokumentation "In Linz begann's" von Thomas Hackl

Im März 1938 wurde Linz zum Schauplatz eines historischen Ereignisses, Hitler verkündete den "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich. Mit "In Linz begann’s" begibt sich Thomas Hackl gemeinsam mit Martina Hechenberger auf Spurensuche. Morgen feiert die Doku ihre Vorpremiere im Schlossmuseum (19 Uhr), am Samstag zeigt ORF III den Film.

 

OÖN: 12. März 1938: Adolf Hitler steht auf dem Balkon des Linzer Rathauses, von den Massen gefeiert. Nicht ohne Grund heißt Ihre Doku "In Linz begann’s". Welche Entwicklungen nahmen an diesem Tag ihren Anfang?

Thomas Hackl: Faszinierend war, dass sich Hitler erst auf dem Weg von Braunau nach Linz entschied, den vollständigen "Anschluss" zu vollziehen – und nicht die angedachte Personalunion der beiden Staaten. Der Empfang in Oberösterreich war so freundlich, dass er umdachte. Hinzu war der 12. März der Tag, an dem die Verfolgungen richtig einsetzten: Es kam zu ersten Verhaftungen, zu ersten wilden Arisierungen. "In Linz begann’s" heißt unser Film auch deshalb, weil hier ja der Bürgerkrieg 1934 seinen Anfang nahm. Wir zeigen Rückblenden auf die Februarkämpfe und die Entwicklungen zwischen ‘34 und ‘38. Was in Linz entschieden wurde, hatte weltpolitische Bedeutung. Das ist ein Aspekt, der bisher zu wenig betont wurde. Linz war eine echte Zäsur! Ja, Hitler hatte diese Pläne in der Schublade, Linz war aber entscheidender Beschleuniger.

War den Linzern bewusst, dass sie im Epizentrum des weltpolitischen Geschehens stehen?

Ja, die Zeitzeugen, mit denen wir sprachen, spürten, dass irgendetwas Großes passiert. Weniger Arbeitslosigkeit, Umschwung, die Hoffnung auf ein besseres Leben – davon träumten viele und ließen sich bereitwillig blenden. Die Kritiker warnten zwar vor der militärischen Komponente, die breite Masse hoffte aber einfach auf eine Verbesserung der Lebensumstände.

Wer sagt, "Man hätte wissen müssen, was kommen wird"...

... darf nicht vergessen, dass gesicherte Informationen damals keinesfalls in dem Maße zugänglich waren wie heute. Das Gros der Haushalte hatte kein Radio, das meiste lief über Mundpropaganda.

Vom Tag des "Anschlusses" gibt es unzählige Jubelbilder aus Linz. Wie viel davon war echte Begeisterung, wie viel Propaganda?

Jene, die damals gegen Hitler waren, kamen aus nachvollziehbaren Gründen nicht auf den Hauptplatz. Es kamen viele Nazis, aber auch Neugierige aus ganz Oberösterreich. Der Hauptplatz war bummvoll, das schildert auch ein Zeitzeuge im Film. Er finde es nur komisch, dass sich heute keiner daran erinnern wolle. Entweder seien alle, die 1938 dort waren, bereits gestorben – oder sie würden lügen.

Der "Anschluss", ein Tabuthema?

Ja. Es war erschreckend für mich, wie viele Zeitzeugen nicht vor der Kamera darüber reden wollten. Bei zwei Zeitzeugen waren sogar die Kinder dagegen. Sie meinten: "Warum lasst ihr die Sache nicht endlich ruhen?" Doch das geht nicht. Zeitzeugen schildern Eindrücke und Stimmungen eindrücklicher, als es ein Historiker, der sein Wissen aus Büchern hat, je könnte. Ihre Geschichten sind extrem wichtig, insbesondere mit Blick auf den Zustand unserer Welt.

Was war das Schrägste, das Ihre Recherchen aufzeigten?

Als Hitler am 12. März um 16 Uhr durch Simbach fuhr, war der Ort leer, weil alle in Braunau am Stadtplatz auf ihn warteten. Hitler sagte zu einem Adjutanten: "Simbach schläft." Seitdem gibt’s im Ort das geflügelte Wort: "Simbach schläft, das hat der Hitler schon gewusst!"

In Linz wurde der Weg frei für Europas Katastrophe
Bild: Thomas Hackl

Einen Schwerpunkt zum "Anschluss" lesen Sie am Wochenende auf nachrichten.at und im OÖN-Magazin

 

Buchpräsentation: "Stadt ohne Seele. Wien 1938"

"Da hat sich etwas Bahn gebrochen, ohne dass jemand das Stichwort dazu geben musste." Vier Jahre hat der deutsche Autor Manfred Flügge an seinem Buch "Stadt ohne Seele. Wien 1938" gearbeitet, in dem er den "Anschluss" Österreichs an NS-Deutschland behandelt.

In "Stadt ohne Seele" wechselt der Historiker ("Das Jahrhundert der Manns") geschickt zwischen den Schicksalen von Prominenten wie Robert Musil und Franz Werfel, der Schilderung politischer und militärischer Entwicklungen und dem Geschehen auf der Straße.

Buchpräsentation: Am 8. März liest Manfred Flügge ab 19 Uhr im Thalia in Linz (Landstraße 41). Der Eintritt ist frei.

Manfred Flügge: "Stadt ohne Seele. Wien 1938", Aufbau , 480 Seiten, 25,70 €

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4  Kommentare
4  Kommentare
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jago (57.723 Kommentare)
am 07.03.2018 12:29

Ob es ein "links" und "rechts" überhaupt gibt, zeigt der Kreis.

Für die Machtgierigen zählt nur die Macht.

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( Kommentare)
am 07.03.2018 08:57

Na ja, so groß war die Katastrophe nun auch wieder nicht,
wie die Linzer die Eisenbahnbrücke abgerissen haben.
Die Katastrophe ist,
daß sie noch immer nicht mit dem Bau der neuen begonnen haben - gibt es eigentlich schon den Plan C ?

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( Kommentare)
am 07.03.2018 08:48

Der Empfang in Linz war so freundlich, dass er umgedacht hat."
Das Volk hat Hitler zugejubelt. Hat das Volk immer recht, wenn es heute genau so laut schreit: "Wir sind das Volk?

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Harbachoed-Karl (17.883 Kommentare)
am 08.03.2018 06:14

Natürlich wurde damals „das Volk” schon vorbereitet, und wie heute waren nicht alle empfänglich. Es geht immer um den Aufbau von Feindbildern, wie unsinnig diese auch sind, einfach um dem Pöbel einzuhämmern: wir sind die Guten, wir sind das Volk. Heute sinds die Flüchtlinge.

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