Diagnose "Lebenslang herzkrank": Wie aus der Not eine Tugend wurde
Herzfehler prägt nicht nur Raphael Oberhubers Privatleben, sondern auch seinen Beruf
Wenn ein Kind mit einem Herzfehler im Kepler Universitätsklinikum (KUK) Linz auf die Welt kommt, ist Raphael Oberhuber da. Der Psychologe hat ein offenes Ohr für die Nöte der verzweifelten Eltern. Er freut sich mit den Familien über Erfolge – oder trauert mit ihnen, wenn sich eine Besserung nicht einstellen will oder das kranke Kind sogar stirbt.
Um zu wissen, wie gut der 54-Jährige die kleinen Patienten und deren Eltern versteht, muss man Oberhubers Geschichte kennen: Er selbst kam in Linz mit einem schweren Herzfehler zur Welt. Der Psychologe, Lehrer und Musiker wurde viermal operiert und verbrachte Jahre als Patient im Krankenhaus. Die letzte Operation war erst vor drei Jahren. So kennt der zweifache Vater die Höhen und Tiefen einer chronischen Erkrankung. Und blickt trotz Rückschlägen und Grenzerfahrungen zwischen Leben und Tod hoffnungsvoll in die Zukunft. Dieser Optimismus ist ansteckend. In seinem Buch "Leben(dig)" macht er anderen Menschen in schwierigen Situationen Mut und gibt ihnen Kraft, weiterzumachen. Im OÖNachrichten-Interview spricht er über seine Betroffenheit, Glück und die Endlichkeit.
Was hat Ihnen in Extremsituationen geholfen?
Mir hat ein gelungenes Gottvertrauen geholfen. Außerdem Kunst und Musik. Deshalb habe ich auch Musik und Deutsch studiert, das hat mich über Wasser gehalten.
Haben Sie manchmal daran gedacht, aufzugeben?
Man hat diese Gedanken. Mir ist aber von meiner Familie in die Wiege gelegt worden, dass in mir trotz meiner Herzerkrankung auch Leben und Gesundsein steckt.
Was nützt die eigene Betroffenheit im Umgang mit chronisch kranken Kindern?
Ich habe großes Verständnis, wie sich Menschen in Kontrollverlust-situationen fühlen. Ich habe aber auch erlebt, wie Mut und Stärke entstehen können, das gebe ich weiter.
Was ist Glück für Sie?
Mit Gegebenheiten im Leben gut umgehen zu können. Ich kann mich über kleine Dinge freuen, die für andere Menschen ganz normal sind. Was noch sehr nützlich ist: wenn man Niederlagen als Chancen für die eigene Entwicklung sehen kann.
Was raten Sie Eltern, wenn sie erfahren, dass ihr Kind krank ist?
Man sollte immer daran denken, dass das Kind nicht nur krank ist. Man kann trotz Krankheit eine große Lebensqualität haben – auch wenn es manchmal einen Schritt vor und dann wieder zwei zurück geht. Ich empfehle, sich nicht nur auf den kleinen Patienten zu konzentrieren, sondern auch loslassen zu lernen.
Welche Rolle spielt das Thema Hoffnung für chronisch kranke Menschen?
Hoffnung ist eine wichtige Sache, die der Mensch braucht. Man sollte für den Einzelnen Träume und Hoffnungen entwickeln, die aber nicht irreal sein dürfen.
Leben und Tod liegen bei Herzkrankheiten nahe beieinander. Wie gehen Sie mit der Endlichkeit um?
Mit dem Gedanken der Endlichkeit habe ich mich arrangiert, ich hoffe, dass die Persönlichkeit nach dem Tod nicht verlorengeht. Ich erlebe auch immer wieder, dass ich mich von Kindern verabschieden muss, zu denen ich eine Beziehung aufgebaut habe. Eltern von Kindern, die wahrscheinlich sterben werden, rate ich, die Zeit vorher so intensiv wie möglich zu erleben.
Lesung mit Musik
Am Freitag, 13. September, liest der Linzer Psychologe Raphael Oberhuber vom Med Campus IV. in den Linzer Promenaden Galerien ab 19.30 Uhr aus seinem Buch „Leben(dig) – Gedeihen trotz widriger Umstände“ (Nina Roiter Verlag, 19,80 Euro; 1 Euro pro verkauftem Buch geht an den Verein Herzkinder Österreich).
Der Autor, der auch Musik studiert hat, spielt bei dieser Gelegenheit Werke von R. Schumann, J. Haydn, L. v. Beethoven, F. Chopin, W. A. Mozart und F. Mercury, die Bezug zu seinem Buch haben.
Der Eintritt zu der Veranstaltung ist frei.