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Übernachten am Rand der Stadt

Von Georg Wilbertz, 12. Dezember 2020, 00:04 Uhr
Übernachten am Rand der Stadt
Faltungen und bewegtes Linienspiel der Fassade Bild: Matthias Seyfert

Mitten in der Corona-Krise eröffnete das "Spinnerei-Designhotel" in Linz-Ebelsberg. Vom Gebäude bis zur Möblierung realisierte das Architekturbüro1 Außergewöhnliches.

Es mag ein Wagnis sein, während der aktuellen Pandemie einen Hotelneubau mit 125 Betten zu eröffnen. Und auch die Lage des vom Linzer Architekturbüro1 (Susanne und Matthias Seyfert) geplanten Komplexes befriedigt nicht unbedingt touristische Sehnsüchte. Er liegt im Zentrum von Ebelsberg unmittelbar an der viel befahrenen Wiener Straße. Bedenkt man die leichte Erreichbarkeit des Hotels und seine gute Anbindung nach Linz mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wird aus dem vermeintlichen Nach- ein Vorteil. Das Konzept des "Spinnerei-Designhotels" favorisiert mit Vorbuchung via Internet und Self-Check-in Geschäftskunden als Zielgruppe.

Trotz seiner funktionalen Auslegung hat der Hotelneubau in Ebelsberg nichts gemein mit den inzwischen weit verbreiteten Low-Budget-Hotels. Es ist nicht Teil einer Kette, weshalb das Architekturbüro1 sehr frei und individuell planen und gestalten konnte. Nicht nur die bauliche Hülle, sondern auch die Gestaltung der Innenräume und Hotelzimmer bis hin zu den Details der Möblierung stammen aus einer Hand. Dem Zweck angepasst wurde eine Vielzahl besonderer Lösungen entwickelt, deren klare und einfache Formen, Oberflächen und Linien eine noble Schlichtheit besitzen. Stimmige Raumlösungen mit Bezug zum Ganzen sind das Ergebnis.

Übernachten am Rand der Stadt
Seitenflügel, Wohnturm und Hang prägen die Hofseite. Bild: Matthias Seyfert

Auch wenn das Nutzungskonzept eine gewisse Anonymität der Gäste mit sich bringt, wurden mit einem Restaurant und einem großzügigen Barbereich, der eine feine Retroatmosphäre ausstrahlt, im Eingangsbereich wichtige Zonen der Begegnung geschaffen. Sie ermöglichen mit ihrer halböffentlichen Nutzung den Übergang zwischen der Wiener Straße und den eigentlichen Zimmern. Der vertikalen Erschließung der Zimmerflure dient neben Aufzügen ein bewegt geschwungenes, gebäudehohes Treppenhaus, das mit seiner Dynamik den räumlichen Höhepunkt des Gebäudes bildet.

Übernachten am Rand der Stadt
Dynamisch gestaltetes Treppenhaus Bild: Matthias Seyfert

Innenhof als Ruhezone

Eine besondere Aufenthaltsqualität besitzt der ebenfalls von den Architekten entworfene, auf mehreren Ebenen angelegte, begrünte Innenhof. Er bietet nicht nur ruhige Außenbereiche für die Gastronomie. Der hinter dem Hotelkomplex aufwachsende Hügel mit seinem schönen alten Baumbestand "ergießt" sich als Naturkulisse bis in den von den beiden Seitenflügeln eingefassten Hofbereich. Hofseitig vergisst der Gast schnell den Verkehrstrubel, Lärm und die Bebauung der Wiener Straße.

Im Hof begegnet mit einem freigestellten, fünfgeschoßigen Wohnturm ein überraschendes Element, das bewusst mit der Assoziation zu mittelalterlichen Turmbauten spielt. Die hier untergebrachten kleinen Appartements sind für längere Aufenthalte gedacht.

Städtebaulicher Impuls

Doch zurück zur städtebaulichen Situation. Das Zentrum von Ebelsberg ist neben der Wiener Straße geprägt durch eine disparate, meist kleinteilige Bebauung. Der Hotelneubau wurde innerhalb dieses Umfelds durch seine Größe und die silbrighelle Farbe der Fassadenverkleidung zum dominierenden, aus der Distanz fast amorph wirkenden Baukörper. Nähert man sich dem Bau, wird jedoch deutlich, dass die Fassade durch ihre Knickungen, Verwinkelungen und ein dynamisches Linienspiel zwischen den unregelmäßig geschnittenen Verkleidungsplatten auch kleinteilige Maßstabsebenen erzeugt. Sie stehen auf vielfältige Weise mit der umgebenden Bebauung in Beziehung. Durch die vertikalen Knickungen und Vor- und Rücksprünge in der Fassade werden dezent vier "Baukörper" gegeneinander abgesetzt.

Eine durchgehend glatte und den Maßstab des Ortes sprengende und unbelebte Fassadenfläche wird vermieden. Die versetzt eingefügten, "tanzenden" Fenster tun ihr Übriges. Insgesamt entsteht der Eindruck eines gemäßigten Dekonstruktivismus, der kein Formenfeuerwerk produziert, sondern durch die am Ort vorgefundenen Bedingungen begründet ist.

Dabei bleibt das Hotel dem Wunsch der Architekten entsprechend ein selbstbewusster, im notwendigen Maß unangepasster Bau. Mit seinem differenzierten Wechselspiel zwischen Fern- und Nahwirkung, seiner besonderen Materialität und architektonischen Eigenständigkeit trägt das "Spinnerei"-Hotel zu einer städtebaulichen Neudefinition von Ebelsberg bei.

Daten und Fakten

Objekt: Spinnerei-Designhotel, Linz-Ebelsberg
Bauherr: Linz Textil Holding AG
Planung: Architekturbüro1 (Susanne und Matthias Seyfert), Linz
Planungszeit: 11/2015 bis 09/2020
Eröffnung: Oktober 2020
Bauweise: Stahlbetonskelettbau mit aussteifenden Wänden, Fassade Holz-Sandwichbauweise mit Alu-Sandwichplatten, hofseitig Putzfassaden

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Autor
Georg Wilbertz
Georg Wilbertz

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