Hinter der Fassade des Olympialandes
Brasiliens Umgang mit seiner indigenen Bevölkerung ist mehr als dreißig Jahre nach der Anerkennung ihrer Rechte noch immer geprägt von Gewalt, Korruption und leeren Versprechungen.
Dies ist die Geschichte eines Landraubs, der in der Kolonialzeit des 16. Jahrhunderts begann und bis heute andauert. Und die Geschichte eines Schwellenlandes, das versucht, sich durch Olympische Spiele zu adeln, seine Ureinwohner jedoch behandelt, als wären sie Bittsteller ohne Rechte. Brasilien, ein Staat in den Fängen der Korruption. Die aktuelle Aufregung um Schmiergeldzahlungen des halbstaatlichen Mineralölkonzerns Petrobras zeigt nur die Spitze der Palme.
Serra do Padeiro, 70 Kilometer von der Hafenstadt Ilheus entfernt, ist ein schöner Flecken Erde. Rund um das Dorf erstreckt sich die Region der Tupinambá. 800 Familien, rund 6000 Personen, leben auf 40.000 Hektar. Ihr Land. Das Land der Ureinwohner. Verfassungsrechtlich festgehalten in der Agrarreform von 1988. Die Ländereien, auf denen sich teilweise übermächtige Großfarmer festgesetzt haben, müssen den Indigenen zurückgegeben werden, heißt es in dem Gesetz. Doch Paragrafen allein machen niemanden stark.
Gewalt, Korruption und die Gegenmittel
Auf nationaler und internationaler Ebene kämpft der Stamm der Tupinambá um sein Aufenthaltsrecht, das ihnen die portugiesischen Kolonialisten im 16. Jahrhundert erstmals streitig machten. Mit der entwicklungspolitischen Organisation der Katholischen Männerbewegung Österreichs "Sei so frei" haben die Ureinwohner ferne und doch wirksame Mitstreiter gefunden. Ihr Geschäftsführer Franz Hehenberger rührt das Schicksal der Tupinambá spätestens seit Häuptlingsmutter Maria da Gloria de Jesus im vergangenen Herbst über Gewalt und Korruption in ihrer Heimat hierzulande berichtete.
Eine Unterschriftenaktion für die Landrechte der Indigenen wurde gestartet. Mit Projektmanagerin Christina Lindorfer überbrachte Hehenberger kürzlich fast 2000 Unterschriften persönlich an den Kabinettchef für indigene Anliegen im Justizministerium Brasiliens. "Man kann etwas bewegen, wenn die Sache nach außen geht", sagt er, und er ist überzeugt, dass internationale Proteste fruchten, insbesondere in einer Zeit, da die Welt wegen der Olympischen Sommerspiele verstärkt nach Brasilien schaut. Brasilien will glänzen. "Interna gehen niemanden von außerhalb etwas an", schildert Lindorfer die herrschende Meinung in der Nomenklatura. "Mit Offiziellen zu plaudern, ist anfangs nett", berichtet Hehenberger vom Kontakt mit der Bürokratie, "aber wenn es ans Konkrete geht, wird es schnell unangenehm."
Die Situation sieht haarsträubend aus. Seit 1988 lässt die Anerkennung der Landrechte auf sich warten. Zuvor, während der Militärdiktatur zwischen 1964 und 1985, waren Kultur und Tradition der Indigenen überhaupt verboten. Die Vermessung des Gebiets und die Grenzziehung sind mittlerweile erledigt, doch die finale Anerkennung der Gebietsansprüche zieht sich. Zurzeit ist der sechste Prozess im Gange, der anhand anthropologischer Tests feststellen soll, ob die Tupinambá tatsächlich Ureinwohner sind. Jahre, in denen Diskriminierungen und Drohungen auf der Tagesordnung standen. Selbst Regierungsvertreter schreckten nicht davor zurück, Indigene als faul und arbeitsunwillig darzustellen, da sie meist nur von Subsistenzwirtschaft lebten.
Aktivisten landen im Gefängnis
Frontleute der Indigenen wie Maria da Gloria de Jesus und ihre Nachkommen wurden mehrmals verhaftet und in entfernten Gefängnissen eingekerkert, damit sie von Angehörigen nicht gefunden werden. Ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, zündeten Schergen von Großgrundbesitzern Häuser von Aktivisten an. Dutzende Morde blieben unaufgeklärt, der Arm der Reichen reicht tief in die Exekutive. "Die Polizei ist geschmiert", sagt Hehenberger trocken. Die Macht der Großgrundbesitzer erstreckt sich bis in höchste Kreise. "Irgendwie stellte sich das Gefühl ein, wir sind da in einem Mordsfilz drinnen", schildert Hehenberger seinen Eindruck von einem Amigo-System. "Die herrschenden Eliten sind durch die Bank korrupt, sie gehen über Leichen."
Dennoch meint Hehenberger, dass "unsere Anwesenheit und die Unterschriften Spuren hinterlassen haben". Man habe vom Justizministerium die Zusage bekommen, in der Causa auf dem Laufenden gehalten zu werden. Und Lindorfer ergänzt: "Es bewegt sich neuerdings etwas in der Korruptionsbekämpfung." Ihr Wort in Gottes Ohr.