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Ein Juwel mitten in Steyr

Von Raimund Locicnik, 17. August 2012, 00:04 Uhr
Ein Juwel mitten in Steyr
Der Stadl beherbergt heute Heimathaus und Eisenmuseum.

400 Jahre alt, aber immer noch ein Aushängeschild des Kulturtourismus in Oberösterreich: der Innerbergerstadl in Steyr.

Ausgehend von der ständig zunehmenden „Türkengefahr“ und den aufbrandenden Unruhen der Gegenreformation sahen sich die oberösterreichischen Städte gegen Ende des 16. Jahrhunderts veranlasst, Maßnahmen zur Provianteinlagerung zu treffen. Zudem mehrten sich aus der Sicht der Bevölkerung die Zeichen für eine bevorstehende Gottesstrafe: Der Winter 1589/90 war extrem hart und lang, im Juni gab es ein erstes schweres Erdbeben, im Sommer vernichtete eine zehnwöchige Dürrewelle fast die gesamte Ernte, und im September bebte die Erde ein zweites Mal schwer.

Offensichtlich stark im Glauben und gut bei Kasse waren die Steyrer Ratsherren, die den Zeichen „von oben“ pragmatisch zu begegnen versuchten. Im Stadtarchiv hat sich ein Entwurf aus dem Jahr 1590 erhalten, der den zukünftigen städtischen Proviantstadel als fünfachsiges, traufständiges Gebäude mit einem Arkadengang im Erdgeschoss zeigt. Als Bauplatz hatten die Stadtväter den unteren Teil des Pfarrgartens beim Neutor auserkoren. Für die Realisierung ihres großangelegten Projektes – es sollten eine Fleischbank, ein Salzlager und ein Getreidedepot angelegt werden – hatten sie allerdings die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Da der Bürgermeister und die Ratsherren vorwiegend protestantisch waren, wurden bereits die Grundverhandlungen mit dem katholischen Garstner Prior zu einem Spießrutenlauf.

Verhandlungspoker

Mehr als 20 Jahre blieb das Projekt in den Kinderschuhen stecken, bis die Steyrer einen neuen Anlauf zur Realisierung suchten. Im Juni des Jahres 1611, als der Garstner Abt Johann Wilhelm Heller auf Urlaub war, ließ die Stadtobrigkeit im Pfarrhofgarten den Bauplatz abstecken, die Grundfesten legen und den Bau beginnen. Als Johann Wilhelm zurückkehrte, war er nicht nur überrascht, sondern äußerst erbost über die Vorgangsweise der Stadtväter. Am 8. Juli richtete er ein scharfes Protestschreiben an den Landeshauptmann, um den Bau einstellen zu lassen. Der Bürgermeister und die Ratsherren beriefen sich nun aber auf den Vertrag mit seinem Vorgänger und beteuerten, einen angemessenen Grund beim Pluzerhöfl eintauschen und auch einen Pachtzins zahlen zu wollen. Am 26. Juli 1611 kam der langersehnte Vergleich zustande und sofort wurde der Bau mit vollem Tempo fortgesetzt, ohne näher auf die neuen Vertragsbedingungen einzugehen.

Die regen Handelsbeziehungen entlang der Eisenstraße waren maßgeblich daran beteiligt, dass Künstler aus Italien die Technik des Sgrafitto nach Österreich und Steyr brachten. Gemeinsam mit heimischen Handwerkern führten sie die Technik des „Kratzputzes“ in der reichen „Eisenstadt“ zu einer nie wieder erreichten Blüte. Steyr weist mit mehr als 60 verzierten Objekten die größte Dichte an Sgrafittofassaden in Österreich auf. Mit dem 1612 im Rohbau fertig gestellten und völlig neu gestalteten Innerbergerstadl wurde dabei ein absoluter Höhepunkt erreicht.

Die mit einem „Grabendach“, also zwei Giebeln, ausgeführte Schauseite des Gebäudes wird auf den ersten Blick vom rustikalen Haupttor mit dem darüber angebrachten Fresko dominiert. Erst die weitere Betrachtung eröffnet die Vielfalt der Verzierungen und Muster, die vor allem die Fenster umrahmen. Die reichen Steyrer Ratsherren und Händler legten offensichtlich Wert darauf, künstlerische Mode-Erscheinungen sowohl von Venedig als auch von Nürnberg zu importieren und mit heimischer Kreativität zu verschmelzen.

Gesteigert wurde die Attraktivität des Innerbergerstadls noch durch die Einbeziehung der seitlich und gegenüberliegenden Befestigungsanlage des Neutores, wodurch eine hofähnliche Situation entstand. Beeindruckend ist das Innenleben des Gebäudes. Während im Erdgeschoss weit gespannte, teilweise Stuck verzierte Gewölbe dominieren, sind die beiden Obergeschosse durch mächtige Stütz- und Tragwerke gekennzeichnet.

Eisen als Namensgeber

Bis zum Jahr 1628 war das Steyrer Provianthaus nur als „Stadl im Grimmort“ bekannt. Erst mit dem Verkauf an die Innerberger Hauptgewerkschaft bekam das Gebäude den bis heute gültigen Namen. Hintergrund für die Bezeichnung bildete die 1625 erfolgte Gründung einer „Erwerbsgesellschaft auf Gewinn und Verlust“, die sich um die Verbesserung des Eisenhandels bemühte und aus Vertretern der oberösterreichischen Radmeister, der Hammermeister und der Eisenhandelskompanie bestand. Um die Absatzmärkte besser zuordnen zu können, bezeichnete man alles Eisen, welches nach Süden abging, als „Vordernberger“ (Vor dem Berg) und jenes, welches nach Norden die Enns abwärts ging, als „Innerberger“ (Inner dem Berg) Eisen.

Nach der Auflösung der Innerberger Hauptgewerkschaft Ende des 19. Jahrhunderts kam der Stadel zunächst in den Besitz der Alpine Montangesellschaft (1883–1887), anschließend übernahm ihn die Österreichische Waffenfabriks AG und 1908 kam er durch Kauf wieder an die Stadt Steyr zurück. Wider Erwarten eröffnete allerdings der alte, neue Besitzer die größte Gefahr, die dem Gebäude jemals drohte. Die Stadt war durch den enormen Aufschwung der Waffenfabrik an allen Ecken und Enden zu klein geworden und der Wirtschaftsboom forderte seinen Tribut. Im Zentrum der Stadt sollte ein neues Postamtsgebäude erbaut werden, und zwar genau an Stelle des Innerbergerstadls. Das Projekt konnte verhindert werden.

Heimathaus und Eisenmuseum

Damit war die Tür für ein museales Heimathaus in Steyr weit offen. Durch die rege Sammeltätigkeit des Ehepaares Jakob und Marianne Kautsch wurde ein umfangreicher kunst- und kulturgeschichtlicher Bestand zusammengetragen, der mit Beschluss vom 26. Juli 1912 endgültig im Innerbergerstadl untergebracht werden sollte. Am 25. Juli 1913 öffnete das neue, städtische Museum seine Pforten und machte damit einen Bestand zugänglich, den der Historiker Manfred Brandl als „eine der bedeutendsten Privatsammlungen Oberösterreichs“ qualifizierte.

Die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges führten zu einer Verwahrlosung der sehr bunt zusammengewürfelten Schau. 1950 wurde im Innerbergerstadl ein Museum mit dem Themenschwerpunkt „Eisen und Stahl“ aufgebaut und eingerichtet. Mit dem für damalige Zeiten sensationellen Einbau eines kompletten Sensenhammers aus dem Bestand der Gewerkenfamilie Zeitlinger in Leonstein wurde dazu der Auftakt gemacht. Seit kurzem erweckt das Museum und sein Inhalt wieder das Interesse vieler kulturinteressierter Menschen. Mit der Bewerbung für die Landesausstellung 2020 könnte der Innerbergerstadl eine seiner vielen Wiederauferstehungen feiern und den repräsentativen Rahmen zu einer spektakulären Landesschau bilden.

Briefmarke

Personalisierte Briefmarke zum Geburtstag Der Verein „Freunde der Geschichte der Stadt Steyr und der Eisenwurzen“ hat gemeinsam mit dem Stadtarchiv Steyr eine personalisierte Briefmarke anlässlich des 400. Geburtstages des Innerbergerstadels herausgegeben. Die Sondermarke hat einen Nennwert von 62 Cent und kann um 2,50 Euro beim Stadtarchiv bestellt werden. Als Motiv wurde eine kolorierte Ansichtskarte aus dem Jahr 1912 verwendet. Der Entwurf stammt von Raffael Mikota. Nach den Marken „270 Jahre Annales Styrenses“ (2010) und „75. Todestag Michael Blümelhuber“ (2011) setzt das neue Postwertzeichen eine Serie fort, die sich mit geschichtsträchtigen Ereignissen rund um Steyr auseinandersetzt.

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