"Jagd ist zwar männlich, aber sie wird immer weiblicher"
HOHENZELL. Jagd hat in ihrer Familie Tradition, auch der Vater und Großvater sind begeisterte Jäger. Daher war es für Elisabeth Ebner (28) aus Hohenzell naheliegend, selbst Jägerin zu werden. 2021, nach ihrem Jus-Studium, hat die Innviertlerin, die als Verwaltungsjuristin beim Land Oberösterreich arbeitet, die Jagdprüfung abgelegt. Seitdem ist sie leidenschaftliche Jägerin und auch Hundeführerin von "Kira", ihrer Münsterländerhündin. Was sie an der Jagd fasziniert, wie Frauen in der Männerdomäne Jagd aufgenommen werden und was in der Hundeführung wichtig ist, darüber spricht sie im Interview.
Frau Ebner, es war nicht immer so, aber Frau und Jagd, das sollte sich anno 2023 eigentlich schon vertragen. Ist das so?
Ja, die Jagd ist zwar nach wie vor männlich, aber sie wird weiblicher. Der Anteil an Frauen, die an Jagdkursen teilnehmen, war zuletzt schon beträchtlich hoch. Bei uns waren es elf Teilnehmerinnen und vierzehn Teilnehmer – der Anteil ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Die Jagd ist nicht mehr eine reine Männerdomäne.
Gibt es noch Ressentiments der männlichen Jägerschaft den Jägerinnen gegenüber? Muss man sich bei einem Fehlschuss etwa spöttische Bemerkungen gefallen lassen?
Nein, das würde ich nicht sagen. Ich bin sehr herzlich aufgenommen worden in der Jagdgesellschaft und habe keine negativen Erfahrungen gemacht, im Gegenteil: Je mehr Frauen in der Jagd sind, umso mehr reißen sich dann auch die Männer zusammen. Es besteht aber schon erhöhte Aufmerksamkeit, wenn man als Frau auftritt. Da wird dann schon genau geschaut: ‚Wie ist sie denn und kann sie denn auch was?’Aber nicht im negativen Sinn.
Was hat Sie zum Entschluss gebracht, die Jagdprüfung abzulegen?
Die Leidenschaft zur Jagd, zur Natur und zu den Tieren sowie die Möglichkeit, die Tiere aus der Nähe zu beobachten und aus einer anderen Perspektive als nur als Spaziergänger im Wald. Man erhält auch einen besseren Einblick in das Geschehen in der Natur. Die andere Komponente ist, dass auch mein Vater und mein Großvater Jäger sind, ich bin damit groß geworden. Bei uns hängen die Trophäen an der Wand, das war für mich immer selbstverständlich. Die Oma kocht zu besonderen Anlässen Wild, und ich wollte schließlich auch mitreden können über die Jagd und die richtigen waidmännischen Begriffe verwenden. Denn der Papa und der Opa haben mich ständig verbessert, wenn ich einen Fachbegriff falsch verwendet habe. Da ist dann nach dem Studium der Entschluss gekommen: Jetzt lerne ich was Gscheit’s (lacht) und werde Jägerin.
Was ist für Sie das Faszinierende an der Jagd?
Das Gesamte, das Vielfältige, das man in der Jagd erleben kann. Jemand, der nicht Jäger ist, kann das wahrscheinlich gar nicht nachempfinden, welche Emotionen und Gefühle mitschwingen, wenn man im Wald ist. Egal ob alleine, mit dem Hund oder Jagdkollegen. Das ist eine andere, eine besondere Welt. Und das Adrenalin, das man spürt, wenn man das Wild anspricht, am Hochstand sitzt und weiß, das ist jetzt ein passendes zu erlegendes Stück. Das macht mit einem Menschen etwas, das ist ein eigenes, besonderes Gefühl, das man auch schätzen muss, sonst ist man als Jäger fehl am Platz. Aber auch die Hege- und Pflegemaßnahmen spielen mit. Man hegt das Wild, schützt etwa Kitze vor dem Mähtod und ein paar Jahre später entnimmt man das Wild wieder – es spielen viele Emotionen mit. Das sind für mich keine Gegensätze.
Jagd und Jäger haben nicht nur Freunde – wie begegnen Sie Kritikern, die Jägerinnen und Jäger nur als Schützen sehen?
Ich hab selbst noch keinen Spaziergänger im Wald angetroffen, den ich aufklären hätte müssen oder mit dem es zu einem Konflikt gekommen wäre. Freilich ist der Wald Erholungsraum für viele, aber primär ist er Lebensraum für Wildtiere. Es gehört Aufklärungsarbeit dazu, aber mit respektvollen und ruhigen Worten. Dann werden die Leute das auch verstehen.
Was bedeutet Ihnen eine Jagdtrophäe?
Grundsätzlich ist die Jagd mehr als nur die Erbeutung einer "Trophäe". Aber Erinnerungsstücke, wie etwa das Geweih eines Rehbocks oder eine Fasanfeder sind Andenken an jagdliche Erlebnisse, die man oft ein Leben lang in Erinnerung hält. Ich finde nichts Anstößiges an Jagdtrophäen. Im Gegenteil: Wem würde es nützen, wenn man das Geweih eines ohnehin erlegten Rehbocks achtlos wegwerfen würde?
Wissen Sie von jeder Trophäe, wann und wo Sie das Tier erlegt haben?
So viel hab ich noch nicht – aber ja, ich erinnere mich. Das ist wie ein Film. Ich habe aber auch ein Jagdtagebuch, in dem alle Jagderlebnisse vermerkt werden. Um mich später einmal daran erinnern zu können und nichts zu vergessen.
Was war das erste Stück, das Sie erlegt haben?
Ein Rothirsch bei Jagdfreunden meines Vaters in Ungarn.
Auf Großwildjagd zu gehen, etwa in Afrika, ist das eine Option für Sie?
Jäger gibt es auf der ganzen Welt und es ist zweifelsohne interessant, auch andere Jagdkulturen kennenzulernen. Ich habe bei Auslandsjagden schon schöne Momente erleben dürfen. Ein Blick über den Tellerrand schadet auch bei der Jagd nicht.
Sie sind auch Hundeführerin. Ihre Münsterländerhündin heißt Kira und ist ein Vorstehhund. Was versteht man darunter?
Vorstehhunde würde ich als die Allrounder bezeichnen. Sie müssen alles können, wozu man sie in unseren ländlichen Gegenden braucht. Das beginnt mit dem Vorstehen, dem Vorzeigen, dass sich in unmittelbarer Nähe ein Stück Wild befindet. Die Hunde müssen aber auch apportieren können, Schweißarbeit, Feld- und Wasserarbeit leisten und Stöbern können. Auch nach Wildunfällen helfen die Jagdhunde, verwundete Tiere aufzufinden. Es wäre ohne sie oft gar nicht möglich, das Wild zu finden.
Einen Hund auszubilden, ist zeitaufwändig. Wie oft mussten Sie mit Kira üben und trainieren?
Die Ausbildung hat zwei Jahre gedauert, die Kurse waren wöchentlich, und es war täglich zu üben. Wir haben Kira mit acht Wochen bekommen, und nur wenige Tage später bereits mit dem Welpen-Erziehungskurs begonnen. Dort, wo bei einem normalen Hund die Ausbildung endet, dort fängt sie bei einem Jagdhund erst an. Mit der Spurarbeit, dem Einsatz der Nase, Gehorsam, Schweißarbeit, Feldarbeit, Wasserarbeit. Sie sehen schon, das ist sehr zeitintensiv, und es muss wirklich eine bewusste Entscheidung sein, wenn man sich einen Jagdhund anschafft.
Arbeiten Sie alleine mit dem Hund oder mit Ihrem Vater gemeinsam?
Wir arbeiten beide mit Kira – schon von Anfang an. Wir haben uns auch die Prüfungen aufgeteilt, und sie hört auf uns beide.
Und worauf kommt es bei der Hundeführung am meisten an?
Auf Disziplin, Gehorsam, Verwendung einheitlicher Begriffe und viel Zeit.
Disziplin bei sich oder beim Hund?
Beides. Es ist immer ein Teamwork, das einer ständigen Herausforderung unterworfen ist. Der Hund versucht beispielsweise manchmal, der Dominantere zu werden, da muss man dann überlegt dagegensteuern.
Was war Ihr schönstes Jagderlebnis?
Das war, als ich ganz spontan zu einem Jagdausflug in den Bergen eingeladen wurde. Bereits in den frühen Morgenstunden haben der Pirschführer und ich uns mit dem Geländewagen auf ins Revier gemacht und die Umgebung abgeglast. Bald hieß es aussteigen, da wir am gegenüberliegenden Hang mehrere Stück Gämse entdeckt hatten. Wir haben uns ganz langsam und ruhig angepirscht. Nachdem wir am nächstgelegenen Hochstand aufgebaumt hatten, ist noch ein wenig Zeit zum Betrachten der herrlichen Landschaft geblieben. Als sich dann die passende Gamsgeiß auf Schussdistanz genähert hatte, bekam ich die Schussfreigabe. Ich durfte meine erste Gams erlegen. Nach einem Moment der Stille und Achtsamkeit sind wir hinauf zum erlegten Wild gegangen. Ich habe vom Pirschführer den Beutebruch mit einem kräftigen und herzlichen Waidmannsheil überreicht bekommen. Wir haben noch kurz innegehalten, dann ging es an das Versorgen und Bergen des Stücks. Es war für mich ein Tag mit vielen Emotionen, den ich nie vergessen werde.