Südkoreas Opposition drängt auf Rücktritt von Präsident Yoon
SEOUL. Nach seinem gescheiterten Versuch, das Kriegsrecht auszurufen, könnte es nun für Staatschef Yoon Suk-yeol eng werden.
Der Spuk währte zum Glück nur wenige Stunden – überraschend hatte Südkoreas Staatspräsident Yoon Suk-yeol am Dienstag das Kriegsrecht in dem ostasiatischen Industriestaat ausgerufen.
Unter dem Vorwand, gegen „pro-nordkoreanische Kräfte“ vorgehen zu müssen, wollte er alle politischen Parteien und Aktivitäten im Land verbieten und die Medien unter staatliche Kontrolle stellen.
Erbitterter Widerstand im Parlament
Mit dem erbitterten Widerstand – auch aus den Reihen seiner eigenen konservativen Partei – hatte er offenbar nicht gerechnet. Trotz der Blockade des Parlaments durch die Armee schafften es 190 der 300 Abgeordneten ins Gebäude und stimmten dort sechs Stunden später einstimmig für die Aufhebung des Kriegsrechts. Die südkoreanische Verfassung sieht vor, dass das Kriegsrecht zurückgenommen wird, wenn eine Mehrheit im Parlament dies verlangt.
Jetzt könnte es eng für Yoon Suk-yeol selbst werden. Die Oppositionsparteien haben am Mittwoch ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn eingeleitet. Die größte Oppositionspartei, die sozial-liberale Demokratische Partei (DP), kündigte zudem an, Yoon und weitere hochrangige Beamte wegen Aufruhrs verklagen zu wollen.
Die Opposition hat im Parlament zwar eine Mehrheit, bräuchte aber einige Überläufer von der konservativen PPP, der Partei des Staatschefs, um auf die nötige Zweidrittelmehrheit zu kommen. Gestern sprach sich die PPP vorerst gegen eine Amtsenthebung von Yoon aus.
Der wichtigste Gewerkschaftsverband des Landes rief unterdessen zu einem „unbefristeten Generalstreik“ bis zum Rücktritt des Präsidenten auf. Am Mittwoch zogen weiterhin Tausende Protestierende durch das Zentrum der Hauptstadt Seoul und verlangten den Rücktritt Yoons.
Der Präsident selbst hatte sich bis zum Mittwochmittag nicht wieder öffentlich gezeigt, jedoch bot Verteidigungsminister Kim Yong-hyun bot seinen Rücktritt an.
„Schämst du dich nicht?“
Die Nacht auf Mittwoch war in Südkorea teils dramatisch verlaufen. Auf einem Video ist zu sehen, wie Oppositionspolitikerin An Gwi-ryeong versucht, einem Soldaten das Gewehr abzunehmen.
„Schämst du dich nicht?“, fragt An den Soldaten. Der Kampf zwischen ihr und dem Bewaffneten dauert mehr als zehn Sekunden. Als die Abgeordnete schließlich ablässt, richtet der Soldat die Waffe auf die Frau. „Ich hatte Angst um mein Leben“, sagt An.
Offenbar sollte die Armee die Abgeordneten daran hindern, den Antrag zur Aufhebung des Kriegsrechts zu beschließen. Doch Parlamentarier, ihre Mitarbeiter und Demonstranten leisteten Widerstand – mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.
Um 1.03 Uhr morgens (Ortszeit) stimmten die 190 Abgeordneten, die es dennoch in den Plenarsaal geschafft hatten, schließlich für die Aufhebung des Kriegsrechts.