OGH: Scharten haftet für Vergewaltigungen durch Bürgermeister
WIEN/SCHARTEN. Der Oberste Gerichtshof (OGH) verpflichtet die Gemeinde zum Schadenersatz für die sexuellen Übergriffe durch den ehemaligen Ortschef. Die Amtshaftungsklage hatte das Opfer, die damalige Amtsleiterin eingebracht.
Der ehemalige Kommunalpolitiker war im Jahr 2022 rechtskräftig zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil er seine damalige Mitarbeiterin zwischen 2014 und 2016 drei Mal vergewaltigt hatte.
Das Opfer war wegen der Übergriffe psychisch erkrankt und nicht dienstfähig, weshalb ein Anwalt der Frau eine Amtshaftungsklage gegen die Gemeinde einreichte, um Schadenersatz zu bekommen. Das Gericht in Wels hatte als erste Instanz in einem sogenannten Teil-Zwischenurteil bejaht.
Das Oberlandesgericht Linz kam dagegen in zweiter Instanz zu der Ansicht, dass ein Amtshaftungsanspruch nicht ausgelöst worden sei, da die Taten nur in einem rein äußerlichen örtlichen oder zeitlichen Zusammenhang mit der Dienstausübung stehe, sie "wurde also nur 'bei Gelegenheit' der Ausübung eines öffentlichen Amts gesetzt".
Massiver Verstoß gegen Fürsorgepflicht
Der OGH gab nun der Revision Folge und begründete: "Mit den Vergewaltigungen, die der Bürgermeister ... in den Amtsräumen verübt hat, tat er genau das Gegenteil dessen, was als Teil der Fürsorgepflicht seine Dienstpflicht gegenüber der Klägerin gewesen wäre."
Dass die Handlungen auf persönlichen Motiven beruhen, ändere "vor dem Hintergrund seiner Verpflichtung als leitendes Organ der beklagten Gemeinde nichts am gegebenen massiven Verstoß gegen die Fürsorgepflicht, für die die Gemeinde als Dienstgeberin einzustehen hat".
"Ausreichender Zusammenhang gegeben"
Die Vergewaltigungen hätten im ausreichenden inneren und äußeren Zusammenhang mit dem hoheitlichen Aufgabenbereich gestanden, nämlich der dem Bürgermeister übertragenen Fürsorgepflicht gegenüber der Mitarbeiterin, heißt es außerdem in der aktuellen Presseaussendung des OGH.
In dem Teil-Zwischenurteil erkannte der OGH, dass das Klagebegehren der Mitarbeiterin, die seit 2018 im Krankenstand war - Zahlung der monatlichen Differenz zwischen Gehalt und Krankenstandsentgelt - dem Grunde nach zu Recht bestehe.
Ob auch die Gehaltsdifferenz zwischen Leitungsfunktion und tatsächlichem Verdienst ab 2020 gezahlt werden muss, hänge aber von weiteren Umständen ab, die erst noch festgestellt werden müssen, so der OGH.
Erstgericht muss weitere Details klären
So müsse noch geklärt werden, ob die Frau wegen ihres Gesundheitszustands - verursacht durch die Vergewaltigungen - nicht mehr mit der Leitungsfunktion betraut wurde. Die Gemeinde hingegen behauptet, die damalige Mitarbeiterin habe unabhängig vom Krankenstand keinen Leitungsposten mehr bekommen, weil sie sich angeblich "unangemessen" verhalten hatte.
Diese Feststellungen seien nun noch vom Erstgericht zu treffen, so das Höchstgericht. Daher wandert die Causa nun zurück zur ersten Instanz.
Mehr als 70.000 Euro gefordert
Für Verdienstentgang, dauernder Dienstunfähigkeit und Kostenersatz für zahlreiche Therapien werden von Opferseite mehr als 70.000 Euro gefordert. Das Klagsbegehren inkludiert aber auch die Haftung für allfällige künftige Folgeschäden.