632.870 Euro Schadenersatz für Ohlsdorf
OHLSDORF. Als alles begann, war Rudi Anschober noch Umweltlandesrat in Oberösterreich, Christine Eisner noch Bürgermeisterin von Ohlsdorf und Blaualgen noch der vermutete Verursacher eines gravierenden Trinkwasserproblems. Mehr als zehn Jahre sind seitdem vergangen. Eine rechtskräftige Entscheidung gibt es immer noch nicht.
Im Februar 2014 rätseln nicht nur die Bewohner Ohlsdorfs, sondern auch allerhand Experten. Denn das Trinkwasser in der Gemeinde riecht modrig und schmeckt erdig – und das schon tagelang. Bereits am 21. Jänner lässt die Gemeinde den Hochbehälter reinigen, eine Verbesserung der Situation entsteht dadurch nicht. Blaualgen werden als Auslöser vermutet, eine Spätfolge des Hochwassers, sagt man sich. Eine Woche und eine Analyse des Wassers an der Universität Graz später ist klar: Das ist es nicht. Ohlsdorf muss für rund 3000 Euro pro Monat Wasser aus den Nachbargemeinden zukaufen. Im Mai schaltet sich die Landesregierung ein und bringt vier Monate später eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wels wegen des Verdachts der Grundwasserverunreinigung ein. Denn Analysen hatten Spuren von Pflanzenschutzmitteln ergeben. Eine Gefährdung der Gesundheit besteht allerdings zu keinem Zeitpunkt.
Zuerst Schuld-, dann Freisprüche
Bei der Ursachenforschung wird zunächst eine chemische Verbindung identifiziert, die auf Pestizide hinweist. Die weiteren Untersuchungen bringen Spuren von bekannten und zugelassenen Herbiziden und Fungiziden zutage. Die Experten schließen aus, dass die Stoffe bei der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung ausgebracht wurden. Die Ursache könnte fahrlässige und unsachgemäße Handhabung bei der Anwendung oder vorsätzliche illegale Entsorgung sein.
Eine Baurestmassen-Deponie gerät unter Verdacht, die chemische Verbindung wird dort ebenfalls entdeckt. Die Kriminalpolizei ermittelt und geht der Frage nach, wer den Giftstoff dort abgeladen haben könnte – und wird fündig.
Im November 2017 stehen ein Mitarbeiter einer Entsorgungsfirma und zwei der Deponie vor Gericht. Konkret wirft die Staatsanwaltschaft dem Mitarbeiter des Entsorgungsbetriebes vor, veranlasst zu haben, dass Abfälle aus einer Pflanzenschutzmittelproduktion in die Deponie gebracht wurden. Zwei Mitarbeiter des Deponiebetreibers stehen unter Verdacht, eine ausreichende Überwachung der gelieferten Abfälle unterlassen zu haben. Dadurch sei eine andauernde Verschlechterung des Bodens und des Grundwassers verursacht worden.
Sie bekennen sich nicht schuldig – ein Mitarbeiter der Deponie wird freigesprochen, die beiden anderen werden zu Geld- und bedingten Freiheitsstrafen verurteilt. Doch das Oberlandesgericht hebt das Urteil auf. Im Juli 2020 werden die beiden Mitarbeiter erneut schuldig gesprochen, wieder hebt das Oberlandesgericht die Urteile auf.
Im Jänner 2022 werden die Beschuldigten in einem dritten Prozess schließlich freigesprochen. Die Privatbeteiligten – das Land Oberösterreich, einige Gemeinden und der Deponiebetreiber – werden auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Das Land Oberösterreich verzichtet schließlich auf Schadenersatzansprüche. Die Erfolgsaussichten seien zu gering, heißt es.
Urteil im Zivilprozess
Das trifft zumindest in einem ersten Urteil nicht zu: Der Gemeinde Ohlsdorf wurde vom Landesgericht Wels nun ein Schadenersatz von 632.870,35 Euro zugesprochen. Die beklagten Parteien, der Entsorgungsbetrieb und deren damaliger Geschäftsführer, müssen auch für die Prozesskosten in der Höhe von knapp 71.000 Euro aufkommen. Rechtskräftig ist dieses Urteil allerdings noch nicht. "Die Gesamtkosten haben sich für uns auf rund 900.000 Euro belaufen", sagt Ines Mirlacher, Bürgermeisterin von Ohlsdorf (SP). Sie sei aber nun froh, dass überhaupt ein Urteil gesprochen wurde. "Es ist zumindest ein klares Zeichen. Selbst wenn die Gegenseite in Berufung geht, kann ich mir nicht vorstellen, dass das von oberster Instanz geändert wird", sagt sie.
Auch Umweltlandesrat Stefan Kaineder (Grüne), der den Fall quasi "geerbt" hat, zeigt sich zumindest vorerst zufrieden: "Nun findet die Causa mit dem Urteil des Landesgerichtes Wels auf Schadenersatz für die Gemeinde Ohlsdorf zumindest ein wenig Gerechtigkeit. Es bleibt zu hoffen, dass die Entscheidung auch die möglicherweise weiteren Instanzen hält und die Schuldigen ihren Anteil an dem Desaster zu zahlen haben."
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