Wolfsrisse auf dem Dachstein: Landwirte hüten Schafe per Satellit
GOSAU/OBERTRAUN. Am Wochenende hat auf dem Dachstein die Almsaison begonnen: Rund 400 Schafe der Almgenossenschaften Krippensteinalm, Kalmberg- und Wiesalm sowie Angeralm verbringen den Sommer auf dem Berg und erhalten als "natürliche Rasenmäher" die Almwiesen. Rund ein Fünftel der Tiere ist heuer erstmals mit GPS-Trackern ausgestattet: Mit ihnen können die Landwirte den Standort der Schafe rund um die Uhr verfolgen.
Denn der traditionelle Almbetrieb auf dem Berg steht vor einer großen Herausforderung: Im August 2023 rissen Wölfe auf dem Dachstein elf Schafe. Weitere Tiere stürzten aus Panik in den Tod. Mehrere Landwirte trieben ihre Tiere vorzeitig ab und überlegten, die Schafe heuer nicht mehr auf die Alm zu lassen.
Kein vollständiger Schutz
Das Agrarressort des Landes hat deshalb ein Herdenschutz-Konzept ausgearbeitet, das nun umgesetzt wird. "Wenn nach einem Almsommer nur noch die Hälfte der Schafe wieder ins Tal kommt, überlegen unsere Bauern verständlicherweise zweimal, ob sie wieder auftreiben", sagt die zuständige Landesrätin Michaela Langer-Weninger (VP). Sollte ein Wolf erneut gezielt Almtiere jagen, werde er zum Abschuss freigegeben, kündigt sie an.
Vollständigen Schutz vor Wolfsrissen biete die Technologie nicht, sagt Manfred Bauer aus Gosau, Obmann der Almgenossenschaft Kalmberg- und Wiesalm: "Wir sehen, wenn die Tiere sich ungewöhnlich verhalten – das kann ein Hinweis darauf sein, dass ein Wolf unterwegs ist."
Denn Schafe sind Gewohnheitstiere: Sie halten sich im Regelfall in bestimmten Gebieten auf, die von den Muttertieren an die Lämmer weitergegeben werden. Dank jahrelanger Erfahrung kennt Bauer die Lieblingsbereiche seiner Tiere und hat "digitale Zäune" errichtet. Verlassen die Schafe das markierte Gebiet – etwa, weil sie von einem Wolf aufgeschreckt werden –, erhält Bauer eine Warnung per SMS. Außerdem kann er sehen, wenn ein Tier sich nicht bewegt. "Normalerweise sehen wir die Tiere länger nicht und bemerken einen Riss oft erst nach einiger Zeit." Durch die Überwachung können die Landwirte bei Unregelmäßigkeiten Nachschau halten. "Ist ein Wolf unterwegs, treiben wir die Tiere zusammen und pferchen sie einige Nächte mit mobilen Zäunen ein", sagt Bauer. Für manche Tiere werde es aber zu spät sein: "Es dauert einige Zeit, bis wir auf der Alm sind. Dem Wolf kommen wir nicht zuvor, aber wir können den Schaden begrenzen."
Peter Perstl, Obmann der Almgenossenschaft Krippensteinalm, sieht das Wolfsproblem durch die Tracker nicht gelöst: "Wir können dadurch kontrollieren. Aber alle Risse verhindert das System nicht, und jedes Tier ist zu viel." Die Schafe würden zudem ihre angestammten Gebiete auch ohne Bedrohung verlassen. Jeden Fall zu kontrollieren, sei aufwändig, sagt Perstl: "Wir schauen nach, aber unsere Zeit ist begrenzt. Wir sind alle Nebenerwerbs-Landwirte und arbeiten Vollzeit."
"Der Wolf oder wir"
Eine Koexistenz mit den Raubtieren hält er langfristig nicht für möglich: "Entweder der Wolf oder wir, so hart muss man das sagen." Die Wolfsmanagement-Verordnung reiche in ihrer derzeitigen Form nicht. Perstl fordert eine wolfsfreie Zone auf dem Dachstein, um den Fortbestand der Landwirtschaft zu sichern: "Die Tiere müssen im Sommer auf die Alm, weil wir die Flächen im Tal für die Heuproduktion brauchen."
Auch Manfred Bauer sieht dieses Modell in Gefahr: "Wir müssten unseren Bestand um rund die Hälfte reduzieren, wenn wir die Tiere nicht auf die Alm treiben können." Die Risse im Vorjahr hätten ihm schlaflose Nächte bereitet: "Ich habe mich den ganzen Winter mit dem Herdenschutz beschäftigt, man greift nach jedem Strohhalm. Wir bemühen uns, aber nicht um jeden Preis." Es gebe ein gesellschaftliches Interesse, die Landwirtschaft zu erhalten: "Ohne uns würde nicht nur die Alm, sondern auch das Tal anders ausschauen. Daran hat – glaube ich – keiner ein Interesse."