Nach Todesfall am Electric Love: "Wir wollten das Festival abbrechen"
PLAINFELD. Ein 23-Jähriger starb. Auslöser waren eine Gewitterfront und ein umstürzender Lichtmast. Es stellt sich die Frage, ob es Schuldige gibt.
Nach dem tragischen Tod eines jungen Besuchers am Samstagabend beim Electric Love Festival am Salzburgring versucht Veranstalter Manuel Reifenauer im Gespräch mit den "Salzburger Nachrichten" Antworten zu finden.
Sie scheinen müde. Wie viel haben Sie seit Samstag geschlafen?
So gut wie gar nicht.
Der Tod eines 23-jährigen Festivalbesuchers am Samstag hat die Veranstaltung mit mehr als 100.000 Besucher überschattet. Wie betroffen fühlen Sie sich?
Sehr. Ein junger Mensch verliert sein Leben. Das war auch für uns als Veranstalter ein schwerer Schlag. Wir wollten das Festival zu diesem Zeitpunkt ernsthaft abbrechen. Aber die Behörde hat uns geraten, dies nicht zu tun. Die Nachricht vom Tod eines Besuchers hätte womöglich eine Massenpanik verursacht. Da hätte es womöglich gleich geheißen, es gebe einen Amoklauf oder einen Terroranschlag. Parallel hätten dann viele Eltern versucht, ihre Kinder vom Gelände zu holen. Das alles hätte zu einem Chaos geführt.
Weil im Gewittersturm ein Lichtmast umgestürzt und den jungen Mann tödlich verletzt hat, wird wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen ermittelt.
Ich habe mit so etwas keine Erfahrung. Am Gelände waren 20 derartige Masten aufgestellt. Alle sind zuvor sicherheitstechnisch geprüft worden, damit sie Windgeschwindigkeiten bis zu 60 km/h aushalten. In diesem Bereich, in dem der Mast umgestürzt ist, hat sich laut Zeugenaussagen so etwas wie eine Windhose gebildet, die einen Strich über das Gelände gezogen hat. Bei einer Abfahrt vom Gelände hat eine Sturmböe sogar einen massiven Baum entwurzelt.
Haben Sie Kontakt zur Familie des tödlich verunglückten jungen Mannes?
Wir sind jederzeit bereit. Ich kann aber nicht sagen, ob die Familie zu diesem Zeitpunkt einen Kontakt wünscht. Am Unglücksort sind jedenfalls Kreuze und viele Kerzen für den verunglückten Manuel aufgestellt worden.
In Internetforen wird die Rolle der eingesetzten Security bei der Veranstaltung kritisiert. Sie soll dem Verunglückten nicht geholfen haben. Einige Sicherheitsleute seien betrunken gewesen. Wie ist Ihre Wahrnehmung?
Nach Aussagen der zuständigen Securityleute beim Unglücksort ist der Gefahrenbereich rund um den Lichtturm abgesperrt worden. Der junge Mann sei dennoch hineingelaufen, obwohl ihm nachgerufen worden sei, er solle sofort von dort weggehen. Dieser Securitymann war später ziemlich geschockt. Fest steht, dass nach dem Unglück der Lichtmast zerlegt werden musste, damit der junge Besucher geborgen werden konnte. Persönlich kann ich über das Thema Security nur sagen: Wir hatten rund 300 Sicherheitsleute der deutschen Firma SHS-Security im Einsatz. Dieses Unternehmen hat auch einige Subfirmen beauftragt. Diese sind widerum
von der bayrischen Securityfirma „CultCrew“ kontrolliert worden. Also: Security hat Security kontrolliert. Über angebliche Missstände ist schon im Vorjahr beim damaligen Festival im Internet erzählt worden. Da gibt es auch E-Mails von einem angeblichen Mitglied des Veranstaltungskomitees, das behauptet, es würden Vorfälle verschwiegen. Dazu ist zu sagen: Erstens haben wir kein Komitee, zweitens ist nie etwas verheimlicht worden.
Zahlreiche Besucher haben sich beschwert, sie hätten große Probleme gehabt, am Samstagabend das Festivalgelände zu verlassen. Gibt es Gründe?
Diese Kritik betrifft offenbar den Tunnel am Salzburgring. Das ist eine Engstelle, daneben war die große Bühne aufgebaut. Also waren sehr, sehr viele Menschen dort. Nach dem Sicherheitskonzept war dieser Tunnel nicht zu schließen, vielmehr als Einbahn zu regeln. In der näheren Umgebung waren vier Ausgänge, die offen gestanden sind. Möglicherweise haben manche Besucher gedacht, dass sie an jenen Stellen, an denen sie ins Gelände gekommen sind, dieses auch wieder verlassen können. Das kann sich je nach Besucherstrom ändern. Aber dies ist in einem Sicherheitskonzept klargelegt.
Immer wieder ist gefragt worden, warum die Besucher nicht über Lautsprecher oder Bildschirm vor der herannahenden Gewitterfront gewarnt wurden, sondern nur über Facebook. Was war der Grund?
Hier muss ich wieder auf das Sicherheitskonzept verweisen. Wenn bei mehr als 30.000 Leuten plötzlich eine solche Warnung ankommt, könnte es zur Massenpanik kommen. Außerdem waren die Bereiche rund um die Bühnen nicht gefährdet. Die Leute auf den Campingplätzen sind über Facebook informiert worden, ihre Zelte zu sichern. Parallel dazu hat die Security alle gefährdeten Objekte, wie eben die Lichtmasten, gesichert und den Bereich im Umfang der eineinhalbfachen Länge eines Turmes abgesperrt und davor gewarnt, in die Absperrung zu gehen.
Wird es 2016 wieder ein Electric Love Festival am Salzburgring geben?
Momentan weiß ich es nicht. Es wäre pietätlos, jetzt kurz nach diesem tragischen Unglück darüber Gedanken anzustellen oder gar darüber zu reden.