Sterbehilfe: Recht auf eigenen Willen oder Tabubruch?
WIEN. Befürworter und Gegner legten gestern dem Verfassungsgerichtshof ihre Argumente vor.
Mit dem Verbot der Sterbehilfe befasste sich gestern der Verfassungsgerichtshof (VfGH). In einer öffentlichen Verhandlung wurden Befürworter und Gegner einer Liberalisierung befragt. Vier Antragsteller, vertreten durch den Wiener Anwalt Wolfram Proksch, wollen die Strafbarkeit der "Tötung auf Verlangen" und der "Mitwirkung am Selbstmord" kippen. Unterstützt werden sie vom Schweizer Sterbehilfe-Verein "Dignitas".
In Österreich ist sowohl die Tötung auf Verlangen als auch die Mitwirkung am Selbstmord strafbar. Der Strafrahmen beträgt sechs Monate bis fünf Jahre Haft. Anders in Deutschland: Hier steht nur die Tötung auf Verlangen unter Strafe, das Verbot der "geschäftsmäßigen Beihilfe zum Suizid" wurde hingegen im Februar vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gekippt.
Menschenwürdiges Sterben
Im Zentrum der Verhandlung stand gestern das Verbot der Mitwirkung am Selbstmord. Für die Regierung verteidigte Palliativmediziner Herbert Watzke die Rechtslage: "Wir haben ausreichend Möglichkeiten, um ein menschenwürdiges Sterben auf unseren Palliativstationen und anderen Stationen zu gewährleisten." Außerdem sei es schon jetzt erlaubt, Behandlungen zu verweigern – etwa, im Fall zusätzlich auftretender Infektionskrankheiten die Antibiotika abzulehnen. Und bei schwerer Atemnot gebe es die Möglichkeit einer "Sedierungstherapie".
Strafrechtsexperte Christian Pilnacek vom Justizministerium verwies auf die Möglichkeit einer Patientenverfügung, einer Vorsorgevollmacht sowie auf das Ärztegesetz. Dort sei geregelt, dass eine Schmerztherapie bei Sterbenden auch dann gesetzt werden darf, wenn sie den Tod beschleunigt.
Auf eine Liberalisierung hofft hingegen Nikola Göttling, selbst an Multipler Sklerose erkrankt: "Ich muss mir erst eine Infektion zuziehen, dann ins Krankenhaus fahren und die Behandlung verweigern." Aber ihre Beine seien bereits gelähmt. Wenn die Lähmung auch die Arme erfasse, müsse sie gewickelt und gefüttert werden. Sie wolle die Möglichkeit haben zu sterben, "weil mein Leben entwürdigend ist."
Anwalt Proksch ließ den Verweis auf die fortgeschrittene Schmerztherapie nicht gelten. Nach gängigem Stand der Medizin müssten nur zwei Prozent der Sterbenden Schmerzen leiden. Tatsächlich müsse aber wegen der "Zweiklassenmedizin" ein Viertel unter Schmerzen sterben.
Zuvor hatte er darauf hingewiesen, dass die Strafbarkeit der "Mitwirkung am Selbstmord" während der Zeit des Austrofaschismus geschaffen worden sei – aus religiös-moralischen Gründen. Eine derart moralische Wertung dürfe heute nicht mehr zur Strafbarkeit führen.
Die Schatten der NS-Epoche
Dem trat wiederum die frühere SP-Politikerin und Wiener Gesundheitsstadträtin Elisabeth Pittermann entgegen. Sie sei nicht religiös. Aber sie sei mit den Verbrechen des Nationalsozialismus aufgewachsen und daher müsse es eine "Tötungshemmung" geben. Gerade für Ärzte, denn hier drohe massiver Missbrauch: "Wer hat mehr Möglichkeiten, unauffällig zu töten, als die Ärzte?" Es brauche vor allem Bemühungen, in ausreichendem Ausmaß und mit öffentlicher Finanzierung Hospizbetten sowie ambulante Hospizdienste und Tagesstationen bereitzustellen.
Nach vier Stunden wurde die Verhandlung gestern geschlossen. Eine Entscheidung gab es erwartungsgemäß nicht. Wie VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter sagte, wird der Gerichtshof die Beratungen in den kommenden Wochen fortsetzen und die Entscheidung dann verkünden.
Die Statistik Austria vermerkt seit 2012 nur zwei Verurteilungen wegen "Mitwirkung am Selbstmord" und keine einzige wegen "Tötung auf Verlangen".
Arten der Sterbehilfe
Bei der Sterbehilfe unterscheidet der Gesetzgeber zwei Arten: Tötung auf Verlangen und Mitwirkung am Selbstmord.
Tötung auf Verlangen ist in Österreich und Deutschland unter Strafe gestellt. Dabei geht es um die so genannte "täterschaftliche Tötung". Das heißt: Ein "Täter" leistet einem anderen Menschen aufgrund dessen eindringlichen Wunsches aktive Sterbehilfe. Als Beispiel gilt etwa eine tödliche Injektion.
Mitwirkung am Selbstmord ist in Österreich ebenfalls verboten, in Deutschland straffrei. Auch hier ist die ausdrückliche Äußerung des Wunsches zu sterben, Voraussetzung. Der Tatbestand ist etwa erfüllt, wenn man der betreffenden Person eine Schusswaffe überlässt oder ihr ein Zugticket für die Anreise zu einer Sterbehilfeeinrichtung kauft.
Die bei uns vorherrschenden (nahöstlichen) Religionen (Judentum, Christentum, Islam und viele Sekten davon) zeigen in dieser Sache wieder ihr "doppeltes" Gesicht. Z.B. sollten sich Christen freuen auf ein "Treffen mit den Heiligen und Christus..." im Himmel, andererseits stellen sie ein Dazutun, um ins Jenseits zu gelangen, als "Todsünde" dar.
Bei Kriegen in der (europäischen) Vergangenheit haben Priester auf beiden Kriegsseiten die Kanonen, die ja nicht für Sozialdienste vorgesehen sind, mit großem Pomp gesegnet - um den Feind (das sind auch Menschen wie du und ich) wirksam zu verletzen oder ins Jenseits zu befördern. Im zweiten Weltkrieg waren sie kaum aktiv, als es galt zu verhindern, dass in den KZ Millionen von Menschen vernichtet wurden.
Im Koran wird sogar der "Heilige Krieg" beschworen - der sei der Kampf gegen den inneren Feind im Menschen; Machthaber sahen das aber immer anders - in Verbindung mit dem Krummschwert.
Eine Todsünde!
Ambros sang es schon im Lied "Heite drah i mi ham".
... langsam wird's jetzt finster
finster und so stü
freiheit hast nur
daß ma geh kaun waun ma wü ...
Wenn es endlich genug Plätze auf Palliativstationen geben würde bräuchte man über Sterbehilfe nicht nachdenken. Leider ist das nicht der Fall. Diese bittere Erfahrung habe ich zweimal gemacht, immer mit dem Argument dass Menschen im Altersheim an Ort und Stelle palliativ behandelt werden können, was aber mit einer Palliativstation nicht im entferntesten zu vergleichen ist.
@AHTIWSOR :
Für qualitative Palliativarbeit bräuchte man vor allem eines:
ZEIT = PERSONAL
Wer die Personalschlüssel in Seniorenwohnheimen kennt,
weiß, dass da nicht mehr als "warm, satt, sauber" drinnen ist.
Genau so ist es.
Die Sterbehilfe-Lobby sieht in Corona-Maßnahmen-Zeiten wohl einen wachsenden Markt in Österreich. Jetzt, wo die Suizide steigen.
Es gibt Firmen, die erledigen das für 5000,- Euro je Kunden. Klingt lukrativ und in Zeiten mit hoher Arbeitslosigkeit finden diese Firmen bestimmt auch Personal, denen man einreden kann, dass das eine gute Sache sei. Diese Lobbyismus für Sterbehilfe passt gut in diese verrückte Zeit.
Auch Sie müssen irgendwann sterben! Über unser Verhältnis zum Tod (Dietmar Krug):
https://www.youtube.com/watch?v=VyqY1wadT00
Sterbehilfe als letztes Mittel? Warum vereinfachter Suizid kein Ausweg sein kann! (Raphael Bonelli):
https://www.youtube.com/watch?v=qYg7Vv-D7F4
Sterbehilfe gehört endlich klar geregelt.
Ohne Mitsprache religiöser Lobbys, die noch immer in diesem Bereich glauben ihre "Moral" anderen aufs Aug drücken zu können.
Ob Sterbehilfe eine Lösung ist hat EINZIG und alleine der Sterbende zu entscheiden!
🤨👍👍👍
Diese Frage hat zwar nichts mit Sterbehilfe zu tun.
Aber wenn die "Religiöse Lobby" ihnen neben den arbeitsfreien Sonntagen zusätzlich Feiertage, wie Neujahr, Heilige drei Könige, Ostermontag, Fronleichnam. Pfingstmontag, Christi Himmelfahrt, Maria Himmelfahrt, Allerseelen, Heilig Abend, Weihnachtstag, Stephanitag und Sylvester auf Auge drückt, haben Sie dann auch etwas dagegen??
Und ob Euthanasie erlaubt wird, ist sehr wohl eine Frage die die Allgemeinheit betrifft
Zu den religiösen Feiertagen, die an einen Wochentag fallen:
In säkularen Gesellschaften, bei denen Religion und Staat getrennt sind (was man auch von Österreich zumindest behauptet - offensichtlich aber bei diesen Feiertagen doch nicht ist) sollten alle diese Feiertage "abgeschafft" werden und durch zusätzliche Urlaubstage, die dem Schnitt dieser Feiertage pro Jahr entsprechen und die man tageweise nehmen kann (jeder nach seiner Religion; nicht Religiöse eben nach ihrem Gutdünken) ersetzt werden. Damit gäbe es keine Probleme, wie der Karfreitag als "Nichtfeiertag" für Evangelische oder Altkatholiken. Warum - so fragt man sich - ist Christi Himmelfahrt ein bezahlter Feiertag für einen Muslim oder Juden und andererseits deren religiösen Feiertage normale Werktage?