Terror-Alarm am Wiener Hauptbahnhof: 2 Jahre teilbedingt für 17-Jährigen
WIEN. Jener 17-Jährige, der sich am 11. September 2023 im Namen des "Islamischen Staat" (IS) mit einem Kampfmesser zum Hauptbahnhof begeben hatte, um am Bahnhofsgelände auf Passanten einzustechen, ist am Donnerstag am Wiener Landesgericht zu zwei Jahren Haft, davon acht Monate unbedingt verurteilt worden.
Zusätzlich wurden dem Burschen die Weisungen erteilt, sich einem Deradikalisierungsprogramm zu unterziehen und seine Psychotherapie fortzusetzen. Bewährungshilfe wurde angeordnet. Das Urteil wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation ist bereits rechtskräftig. Sowohl die Verteidigung als auch die Staatsanwältin waren damit einverstanden.
- Lesen Sie auch: Patientinnen missbraucht? Arzt im Zweifel freigesprochen
"Er war nach seiner Festnahme geständig, einen Anschlag geplant zu haben. Es hat ihn der Mut verlassen. Er hat sich nicht getraut, es umzusetzen", erklärte die Staatsanwältin zu Beginn der Verhandlung. Das Urteil lautet: Zwei Jahre teilbedingt.
45 Minuten hätte sich der Angeklagte am Bahnhof aufgehalten, berichtete die Staatsanwältin. Dann sei er unverrichteter Dinge abgezogen: "Ein Riesenglück, sonst säßen wir wegen ganz etwas anderem hier." Die terroristische Straftat, die der 17-Jährige in einer Telegram-Gruppe angekündigt hatte, in der Anhänger der radikalislamistischen Terror-Miliz versammelt waren, ist nicht von der Anklage umfasst. Diesbezüglich liege ein Rücktritt vom Versuch vor, führte die Staatsanwältin aus: "Er hat freiwillig die Tatausführung unterlassen."
Angeklagter bekannte sich schuldig
Dem jungen IS-Anhänger wurde daher lediglich vorgeworfen, IS-Propagandamaterial gesammelt und geteilt zu haben. Er hatte ab Ende Jänner 2023 bis zum Zeitpunkt seiner Festnahme am 12. September in diversen sozialen Medien bzw. in privaten Chats die terroristische Vereinigung bzw. deren Ziele verherrlicht, darunter insbesondere den bewaffneten Jihad. 15 Chats bzw. einschlägige Nachrichten fanden Aufnahme in die Anklage, darunter Ausführungen des Burschen, die er unmittelbar vor der Fahrt zum Hauptbahnhof in die Telegram-Gruppe mit 28 IS-Anhängern gepostet hatte. Die Anklage lautet auf terroristische Vereinigung (§ 278b StGB) und kriminelle Organisation (§ 278a StGB).
Der 17-Jährige, der seit rund sieben Monaten in U-Haft sitzt, bekannte sich vor einem Schöffensenat zu den wider ihn erhobenen Vorwürfen schuldig. "Es stimmt", sagte der Angeklagte. Inzwischen habe er seine radikale Gesinnung abgelegt: "Der IS ist vollkommen falsch." Auf die Frage, was ihn zum Umdenken bewegt habe, erwiderte der äußerst einsilbig auftretende Bursch: "Derad." Ein Vertreter der Deradikalisierungsstelle hätte gern an der Verhandlung teilgenommen, da er zu spät erschien, fand er in dem bis auf den letzten Platz gefüllten Gerichtssaal aber keinen Platz.
IS-Schriftzeichen in Zelle gefunden
Ob die angebliche Deradikalisierung bereits gegriffen hat, ist allerdings äußerst fragwürdig. In der Zelle des 17-Jährigen in der Justizanstalt Josefstadt wurden IS-Schriftzeichen und -Symbole gefunden. Erst vor wenigen Wochen, nämlich im März, hatte er seine Matratze mit IS-Symbolen beschmiert, geht aus einem Bericht der Justizanstalt hervor, der im Rahmen der Verhandlung verlesen wurde.
Verteidiger Rudof Mayer erklärte sich die Hinwendung seines Mandanten zu einer radikalen Auslegung des Islam mit "Einsamkeit, fehlendem Selbstbewusstsein, demütigenden Mobbingerfahrungen, schulischem Misserfolg". Er habe auch ein schlechtes Verhältnis zum Vater gehabt. Der Angeklagte sei "eine ich-schwache, für negative Einflüsse offene Person mit geringem Selbstwertgefühl", zitierte Mayer aus einem Gutachten einer Kinder- und Jugendpsychiaterin, das die Staatsanwaltschaft einholen hatte lassen. Dieses "Konglomerat" habe dazu geführt, dass der Bursch sich mit dem Gedankengut des IS "infiziert" habe.