"Charlie Hebdo": Satireblatt mit Skandal-Tradition
PARIS. Skandale gibt es seit Jahren um das französische Satireblatt "Charlie Hebdo". Es nimmt regelmäßig mit derben Karikaturen radikale Ausprägungen der Religion aufs Korn.
Das Wochenblatt ist am ehesten den deutschen Satiremagazinen "Titanic" und "Eulenspiegel" vergleichbar. Der Name erinnert an die Comicfigur Charlie Brown von den Peanuts.
Die Redaktion mit rund 20 Mitarbeitern veröffentlichte bereits 2006 umstrittene Mohammed-Karikaturen. 2011 verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf die Redaktionsräume in Paris. Zuvor hatte "Charlie Hebdo" zum Wahlerfolg der Islamisten in Tunesien eine Sonderausgabe mit einem "Chefredakteur Mohammed" herausgebracht.
Im September 2012 erreichte "Charlie Hebdo" mit Mohammed-Karikaturen Aufsehen. Nach der Veröffentlichung mussten französische Einrichtungen in einigen Ländern aus Sicherheitsgründen zeitweise geschlossen werden. Am 2. Jänner 2013 veröffentlichte Charlie Hebdo eine Comic-Biographie von Mohammed ("La Vie De Mahomet"). Die Internet-Seite von "Charlie Hebdo" wurde daraufhin tagelang von Hackern gestört.
Auf der Startseite war statt dem aktuellen Titelblatt ein Bild des Pilgerorts Mekkazu sehen, versehen mit dem Text: "Unter dem Deckmantel der Pressefreiheit greift ihr mit euren gehässigen Karikaturen den großen Propheten des Islam an. Der Fluch Gottes soll euch treffen. Wir werden in der virtuellen Welt euer Fluch sein. Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist sein Prophet.“
Der Chefredakteur Stéphane Charbonnier sagte, sie seien nicht provozierender als gewöhnlich, und betonte, dass in einer Demokratie auch Satire über Religionen möglich sein müsse. Der Radiosender France Inter zitierte Charbonnier: „Wir veröffentlichen Karikaturen über jeden und alles jede Woche. Wenn es aber um den Propheten geht, wird es Provokation genannt. Erst darf man nicht Mohammed zeichnen, dann nicht mehr einen radikalen Muslim, und jedes Mal wird es heißen: Das ist eine Provokation für einen Muslim. Ist die Pressefreiheit eine Provokation? Ich rufe strenggläubige Muslime ebenso wenig auf, ‚Charlie Hebdo‘ zu lesen, wie ich in eine Moschee gehe, um einen Diskurs anzuhören, der meinen Überzeugungen widerspricht. Wir halten uns an die Gesetze der Republik und des Rechtsstaats.“
Die 1970 gegründete Satirezeitung ging aus dem verbotenen Vorgängerblatt "Hara-Kiri" hervor. Autoren und Zeichner von "Charlie Hebdo" scheren sich nicht um Begriffe wie politische Korrektheit. Zu den Attackierten zählen Mächtige aus Politik und Wirtschaft genauso wie Sekten, Rechtsextreme oder religiöse Eiferer.
Das zwischen Ende 1981 und 1992 wegen Geldmangels vorübergehend eingestellte Blatt muss sich regelmäßig vor Gericht verantworten. So gab es Klagen nach einer bitterbösen Papst-Sonderausgabe. "Charlie Hebdo" erscheint auf Zeitungspapier mit einer Auflage von in der Regel 75.000 Exemplaren.