Notstand in Ostafrika: Heuschrecken fressen Felder kahl
NAIROBI/MOGADISCHU. In Ostafrika droht eine riesige Hungersnot. Somalia hat bereits den Notstand ausgerufen.
In Ostafrika überziehen seit Wochen ungewöhnlich große Heuschreckenschwärme das Land. Die Tiere fliegen dabei von Kenia Richtung Uganda und weiter in den politisch instabilen Südsudan, wo schon jetzt fast jeder Zweite nicht genug zu essen hat. Manche Schwärme bewegen sich nach UN-Angaben auch in Richtung des äthiopischen Grabenbruchs, eine der bevölkerungsreichsten Regionen Afrikas.
Die Größe der Schwärme ist enorm – einige haben die Ausdehnung großer Städte. Bis zu 150 Millionen der fingerlangen, gelborangen Afrikanischen Wüstenheuschrecken lassen sich auf einem Quadratkilometer Boden nieder. Jedes einzelne Tier vertilgt täglich so viel Biomasse wie es selbst wiegt, so dass Felder innerhalb kürzester Zeit kahl gefressen sind. Ein Schwarm kann an einem Tag bis zu 150 Kilometer zurücklegen. Dabei bewegen sie sich mit dem Wind, sodass der Schwarm zusammenhält.
In Kenia, wo ein Schwarm mit einer Länge von 60 Kilometern und einer Breite von 40 Kilometern unterwegs ist, versucht man verzweifelt, die Insekten zu stoppen. Doch der Kampf gegen die Heuschrecken sei schwierig, sagt Dionisia M’Eruaki vom Landwirtschaftsministerium. "Die Wüstenheuschrecken sind keine normale Plage. So etwas haben wir noch nicht erlebt und waren daher nicht vorbereitet. Wir haben dann diskutiert, welche Chemikalien wir nehmen. Bei den ersten Versuchen haben sie nicht gewirkt." Inzwischen werden andere Pestizide eingesetzt.
Grafik: Wo die Heuschreckenplage die Ernte bedroht:
Nur fünf Kleinflugzeuge
Bei der Bekämpfung bekommen Teams auf dem Boden auch Luftunterstützung. Dabei geben die Bodentruppen die Koordinaten befallener Felder an die Piloten weiter. Aber es gibt nicht genügend Flugzeuge, um sie zu versprühen. In Kenia sind gerade einmal fünf Kleinflugzeuge unterwegs. Und so vermehren sich die Heuschrecken immer weiter. Tausende von ihnen sitzen auf dem Boden und paaren sich. Weil es weiter für die Jahreszeit ungewöhnlich viel regnet, herrschen für die Eier der Weibchen optimale Bedingungen. Sie können sich in der warmen feuchten Erde gut entwickeln.
Keine Entspannung in Sicht
In Somalia, wo nicht einmal Sprühflugzeuge unterwegs sind, noch mehr als in den Nachbarländern. Dort hat die Regierung den Notstand ausgerufen. Und eine Entspannung ist nicht in Sicht. Im März regnet es in den betroffenen Regionen normalerweise, was zur Folge haben wird, dass sich die Heuschrecken weiter vermehren. Im Extremfall könnte ihre Zahl um das Fünfhundertfache ansteigen, warnt die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN (FAO). Erst im Juni, wenn die Regenfälle aufhören und die Böden austrocknen, dürfte sich die Zahl der Tiere auf natürlichem Weg wieder verringern.
Ungewöhnlich viel Regen war wohl auch der Auslöser der aktuellen Krise. Im vergangenen Jahr war die Wirbelsturmsaison in Ostafrika besonders heftig. Acht Zyklone registrierten Wissenschaftler im Jahr 2019, normalerweise gibt es einen oder zwei. Manche Experten sehen darin eine Folge des Klimawandels, der dazu führt, dass extreme Wetterereignisse zunehmen.
Sicher ist, dass hohe Feuchtigkeit den Larven dieser Heuschrecke das Signal gibt, aus ihren Eiern zu schlüpfen. Dort, wo es feucht ist, wachsen in der Regel auch Pflanzen, sodass die jungen Insekten genug zu fressen finden. Zunächst entwickelt sich die sogenannte solitäre Variante, gelbgraue bis ockerfarbene Heuschrecken, die einzeln leben. Wenn die Umweltbedingungen günstig bleiben – aus Sicht der Insekten bedeutet das hohe Temperaturen und Regen –, vermehren sich die Tiere immer weiter.
Nachwuchs mehrmals im Jahr
Anders als viele andere Heuschreckenarten legen die Weibchen der Afrikanischen Wüstenheuschrecke nicht nur einmal, sondern mehrmals im Jahr Eier. Wenn die Dichte der Tiere einen Schwellenwert überschreitet, schlüpfen aus den Eiern Nachkommen, die sich sowohl im Aussehen als auch im Verhalten von ihren Eltern unterscheiden. Diese gregäre Variante ist größer und hat längere Flügel.
Je mehr dieser Tiere schlüpfen, umso dichter sitzen sie zusammen und umso öfter stoßen die Insekten mit ihren Hinterbeinen aneinander. Dieser Berührungsreiz ist es nach neuesten Forschungsergebnissen, der die Tiere schließlich dazu veranlasst, sich zu einem Schwarm zusammenzuschließen und den Flug zu starten.
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