Israels Armee schloss Vorbereitungen zu Aufnahme der Geiseln ab
TEL AVIV. Die Vorbereitungen des israelischen Militärs für die Aufnahme von vier Geiseln, die an diesem Samstag aus Hamas-Gefangenschaft freikommen sollen, sind laut Armee abgeschlossen.
Die Hamas veröffentlichte indes eine Liste mit 200 palästinensischen Häftlingen, die am Samstag aus israelischen Gefängnissen freikommen sollen. 70 der 200 Häftlinge würden nach ihrer Freilassung aus dem Gazastreifen und dem Westjordanland abgeschoben, teilte die Hamas mit.
Auch in der Stadt Gaza waren auf Fernsehbildern des Senders Al Jazeera Vorbereitungen auf die Übergabe der Geiseln an das Rote Kreuz zu sehen. Dutzende uniformierte und maskierte Hamas-Kämpfer postierten sich am Übergabepunkt, ähnlich wie schon bei der Übergabe der ersten drei Geiseln vergangene Woche. Umringt waren sie von zahlreichen Schaulustigen. Al Jazeera sendete auch Bilder von Fahrzeugen des Roten Kreuzes auf der Fahrt von Rafah im Süden des Gazastreifens zum Grenzübergang Kerem Shalom.
Laut israelischem Militär wurden Aufnahmepunkte eingerichtet, an denen die Geiseln erste medizinische Versorgung und persönliche Unterstützung erhalten. Anschließend sollen sie demnach in Krankenhäuser gebracht werden und mit ihren Familien zusammentreffen. "Wir alle sind aufgeregt", sagte Sharon Nakash, der Kommandeur für die Logistik.
Israel rechnet in den kommenden Stunden mit der Freilassung von vier Soldatinnen, die Terroristen während des Hamas-Massakers am 7. Oktober 2023 verschleppt haben. Liri Albag, Karina Ariev, Naama Levy und Daniella Gilboa waren Späherinnen auf dem Stützpunkt Nahal Oz nahe der Grenze zum Gazastreifen.
Abzug Israels aus Südlibanon verzögert sich
Unterdessen wird sich laut Israel der am Sonntag geplante Abzug seiner Armee aus dem Südlibanon verzögern. Libanons Armee rücke nicht schnell genug nach, um eine Rückkehr der Hisbollah-Miliz zu verhindern.
Vor diesem Hintergrund sprach sich die neue US-Regierung jetzt für eine Verlängerung der zunächst für 60 Tage vereinbarten Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah über die am Sonntag angesetzte Frist hinaus aus. Die Miliz warnte zuvor vor einer Verzögerung des Abzugs der Israelis. Das sei ein Bruch der Vereinbarung.
Die USA hatten mit Katar und Ägypten monatelang zwischen Israel und Hamas vermittelt, bis schließlich der Durchbruch für die Waffenruhe gelang. Die USA gehören außerdem zu einer Gruppe von Ländern, die die Einhaltung der Ende November vereinbarten Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon überwachen soll.
Der Libanon habe seinen Teil der Vereinbarung jedoch bisher nicht vollständig umgesetzt, teilte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Netanyahu mit. Das Abkommen sei so formuliert, dass eine Verlängerung für den Abzug der israelischen Armee möglich sei. Alle Parteien teilten das Ziel, sicherzustellen, dass die Hisbollah das libanesische Volk oder seine Nachbarn nicht weiter bedrohe, sagte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats des Weißen Hauses. Daher sei eine kurze, vorübergehende Verlängerung der Waffenruhe "dringend erforderlich."
UNO-Hilfswerk muss Jerusalem verlassen
Derweil forderte Israel das UNO-Palästinenserhilfswerk UNRWA erneut auf, seine Arbeit in Jerusalem zum Monatsende einzustellen. UNRWA sei "verpflichtet, seine Tätigkeit in Jerusalem einzustellen und alle Räumlichkeiten, in denen es in der Stadt tätig ist, bis spätestens 30. Jänner 2025 zu räumen", forderte der israelische UN-Botschafter Danny Danon in einem Brief an UNO-Generalsekretär António Guterres. Das Schreiben lag der Deutschen Presse-Agentur vor. Damit könnte es schwierig bis unmöglich für das Hilfswerk werden, die Zivilbevölkerung im verwüsteten Gaza oder im Westjordanland zu versorgen.
Israel wirft dem UNO-Palästinenserhilfswerk vor, dass einige seiner Mitarbeiter an Terroraktivitäten der Hamas beteiligt gewesen seien. Israel will humanitäre Hilfe für Gaza fortan mittels anderer Organisationen gewährleisten.
Berichte: Freizulassende Geiseln sind Späherinnen
Die Soldatinnen, die heute frei kommen sollen, sind laut Medienberichten Späherinnen. Sie waren neben drei weiteren Späherinnen am 7. Oktober 2023 lebend aus der Militärbasis Nachal Oz entführt worden, als Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen ihren Terrorüberfall in Israel begannen und ein Massaker anrichteten. Eine der entführten Soldatinnen wurde nach 23 Tagen gerettet, eine andere wurde in Gefangenschaft ermordet.
Späherinnen an der Grenze zum Gazastreifen hatten Medienberichten zufolge vor dem Angriff der Hamas immer wieder vergeblich vor verdächtigen Vorgängen in dem Küstenstreifen gewarnt. Bei dem Überfall waren rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln verschleppt worden. Es war der Auslöser des Krieges im Gazastreifen, wo seither laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 47.100 Menschen getötet wurden.
Laut der Waffenruhe-Vereinbarung hätte eigentlich eine noch lebende Zivilistin vor den Soldatinnen zur Freilassung bestimmt werden müssen. Die Frau werde von einer Gruppe des mit der Hamas verbündeten Palästinensischen Islamischen Jihad gefangen gehalten und habe von der Hamas bisher nicht übernommen werden können, hieß es in Medienberichten. Israels Ministerpräsident Netanyahu habe aber entschieden, wegen dieser eher geringfügigen Verletzung der Waffenruhe-Vereinbarung die heute geplante Geiselfreilassung nicht scheitern zu lassen, berichtete die "Times of Israel".
Rückkehr Vertriebener in den Norden Gazas soll anlaufen
Vergangenes Wochenende hatte die Hamas die erste Geisel-Liste verspätet überreicht und damit den Beginn der sechswöchigen Waffenruhe am Sonntag um Stunden verzögert. Damals kamen drei verschleppte israelische Zivilistinnen frei. Im Austausch entließ Israel 90 Palästinenser aus der Haft. Die Hamas verpflichtete sich laut Medienberichten, Israel heute Informationen über den Zustand der restlichen Geiseln zu liefern. Im Zuge der ersten Phase des Waffenruhe-Abkommens sollen insgesamt 33 Geiseln freikommen. Laut der israelischen Nachrichenseite "ynet" dürften acht von ihnen nicht mehr leben.
Israel wiederum soll laut dem Abkommen ab Samstag vertriebenen Palästinensern erlauben, zu Fuß aus dem Süden des abgeriegelten Küstenstreifens in ihre Wohnorte im zerstörten Norden zurückzukehren. Zwei US-Sicherheitsfirmen sowie eine dem ägyptischen Geheimdienst angegliederte Sicherheitsfirma sollen laut dem "Wall Street Journal" die Rückkehrer dabei auf Waffen kontrollieren. Die Sicherheitsfirmen sollen dabei am Netzarim-Korridor kontrollieren, der den Gazastreifen südlich von Gaza-Stadt in zwei Hälften teilt.