Hisbollah-Chef bereit zu Waffenruhe unter "Bedingungen"
BEIRUT. Der neue Hisbollah-Chef Naim Qassem ist nach eigenen Angaben bereit zu einer Waffenruhe mit Israel - unter bestimmten "Bedingungen".
"Wenn die Israelis entscheiden, dass sie die Aggression stoppen wollen, sagen wir, dass wir zustimmen, aber unter unseren Bedingungen", sagte Qassem am Mittwoch in seiner ersten Rede als neuer Hisbollah-Chef. Ein passender Plan liege aber derzeit nicht auf dem Tisch, fügte er hinzu.
US-Vermittler bei Netanyahu
Laut israelischen Medien werden der US-Nahostgesandte Brett McGurk und der US-Sondergesandte für den Libanon, Amos Hochstein, am Mittwoch in die Region reisen, um mit Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu und weiteren israelischen Regierungsvertretern über die möglichen Bedingungen für eine Waffenruhe mit der Hisbollah zu sprechen. Ihr Ziel ist es demnach, eine von Hochstein vorbereitete Vereinbarung umzusetzen, die sich auf die Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrats stützt.
Dank der Einsätze der israelischen Armee in den vergangenen Monaten und insbesondere in den vergangenen Wochen könne sich Israel "in einer Position der Stärke" befinden, nachdem "die gesamte Hisbollah-Führung ausgeschaltet und über 2.000 terroristische Infrastrukturen der Hisbollah getroffen" worden seien, sagte der israelische Energieminister und Ex-Geheimdienstminister Eli Cohen am Mittwoch dem israelischen Rundfunk. Seinen Angaben zufolge beriet das israelische Sicherheitskabinett über die Bedingungen für ein Waffenruhe-Abkommen mit der Hisbollah im Südlibanon.
Diese Forderungen sind bekannt
Nach Angaben des israelischen Fernsehsenders Channel 12 erörterte Regierungschef Benjamin Netanyahu am Dienstagabend mit Ministern die israelischen Forderungen im Gegenzug für eine 60-tägige Waffenruhe. Dazu gehören demnach ein Rückzug der Hisbollah hinter den 30 Kilometer von der israelischen Grenze entfernten Litani-Fluss, die Stationierung der libanesischen Armee entlang der Grenze, ein internationaler Mechanismus zur Durchsetzung der Waffenruhe und die Garantie, dass Israel im Falle einer Bedrohung Handlungsfreiheit behält.
Verteidigungsminister Yoav Gallant sagte am Dienstag, die "Restkapazitäten der Hisbollah hinsichtlich Raketen und Flugkörpern" würden auf 20 Prozent geschätzt. Er fügte hinzu, dass die Miliz "aus allen Dörfern" an der Grenze zu Israel zurückgedrängt worden sei. Dennoch feuerte die Hisbollah auch am Mittwoch eine Boden-Boden-Rakete ab, in zahlreichen Städten und Ortschaften im Norden und im Zentrum Israels wurde daraufhin Raketenalarm ausgelöst.
"Flamme des Widerstandes" brennt weiter
Einen Monat nach der Tötung ihres Chefs Hassan Nasrallah hatte die libanesische Hisbollah dessen Stellvertreter Naim Qassem zum Nachfolger ernannt. Der Shura-Rat, das Führungsorgan der schiitischen Hisbollah, habe "sich darauf geeinigt, Scheich Naim Qassem zum Generalsekretär der Hisbollah zu wählen", erklärte die Miliz am Dienstag. Bereits zu Qassems Ernennung hatte die Miliz mitgeteilt, sie werde "die Flamme des Widerstands" so lange brennen lassen, bis Israel besiegt sei.
Nasrallah war am 27. September bei einem Angriff der israelischen Armee in der libanesischen Hauptstadt Beirut getötet worden. Zunächst war das Oberhaupt des Hisbollah-Exekutivrats, Hashem Safieddine, als potenzieller Nachfolger des getöteten Nasrallah gehandelt worden. In der vergangenen Woche bestätigte die israelische Armee allerdings auch dessen Tod bei einem Angriff Anfang Oktober in Beirut. Als Reaktion unter anderem auf die Tötung Nasrallahs hatte der Iran Israel am 1. Oktober mit rund 200 Raketen angegriffen.
Gründungsmitglied der Hisbollah
Der 71-jährige Qassem gehörte 1982 mit zu den Gründungsmitgliedern der Hisbollah. 1991 wurde er zum stellvertretenden Generalsekretär der Miliz ernannt. Anders als Nasrallah, der nach dem Libanon-Krieg weitgehend untertauchte, trat Qassem weiterhin in der Öffentlichkeit auf. Nach Nasrallahs Tod war Qassem in drei TV-Ansprachen zu sehen, zuletzt am 15. Oktober.
Die Hisbollah ist Teil der vom Iran angeführten sogenannten "Achse des Widerstands", einem gegen Israel gerichteten Verbund, dem auch die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen und die Houthi-Miliz im Jemen angehören. Ihr erklärtes Ziel ist die Vernichtung Israels.