Netanyahu will Krieg bis zur Beseitigung der Hamas fortsetzen
GAZA/TEL AVIV. Der israelische Regierungschef Benjamin Netanyahu hat einem baldigen Ende der Kämpfe gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen eine Absage erteilt.
"Wir setzen den Krieg bis zum Ende fort. Er wird weitergehen, bis die Hamas beseitigt ist - bis zum Sieg", sagte Netanyahu am Mittwoch in einer Videobotschaft. "Wer glaubt, dass wir aufhören werden, ist fernab jeder Realität." Zuvor hatte es Berichte gegeben, wonach Israel der Hamas eine einwöchige Kampfpause angeboten hatte.
Israel werde nicht aufgeben, bis alle Ziele erreicht seien, bekräftigte Netanyahu. Diese Ziele seien "die Eliminierung der Hamas, die Freilassung unserer Geiseln und die Beseitigung der Bedrohung aus dem Gazastreifen". Erneut betonte Netanyahu, dass alle Hamas-Terroristen, "vom ersten bis zum letzten, dem Tod geweiht" seien. Dabei greife Israel die Hamas sowie ihre Komplizen "in nah und fern" an. Sie hätten nur zwei Möglichkeiten: "Ergeben oder sterben", sagte er weiter.
Hams-Führung uneins über Kurs
Nach mehr als zwei Monaten Krieg im Gazastreifen gibt es innerhalb der Führung der islamistischen Hamas einem Medienbericht zufolge zunehmend Differenzen über den weiteren Kurs. Während sich die Hamas-Führung im Gazastreifen unter Führung von Yahya Sinwar weiter Kämpfe mit Israels Armee liefert, sprechen im Exil lebende Vertreter des Hamas-Politbüros laut einem Bericht des "Wall Steet Journal" über ein Ende des Krieges sowie – hinter dem Rücken von Sinwar – mit palästinensischen Rivalen über die Zeit danach.
"Wir wollen, dass der Krieg beendet wird", sagte Husam Badran, Mitglied des Politbüros der Hamas, der Zeitung in Doha. "Wir wollen einen palästinensischen Staat im Gazastreifen, im Westjordanland und in Jerusalem errichten." Die Äußerungen des Hamas-Führers markierten eine deutliche Wende gegenüber dem 7. Oktober, als der militante Flügel ein Massaker in Israel anführte.
Mehr als 20.000 Tote
Auf israelischer Seite wurden dabei mehr als 1.200 Menschen getötet. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Die Zahl der im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist seit Kriegsbeginn nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde auf bereits fast 20.000 gestiegen.
Der Anführer der islamistischen Hamas, Ismail Haniya, traf zu Gesprächen in Ägypten ein. Israel hat Berichten zufolge, einen Vorschlag unterbreitet. Haniya ist eine der wichtigsten Führungsfiguren der Hamas. Er hält sich seit einigen Jahren nicht im Gazastreifen, sondern in Katar auf. Die Hamas bestätigte auf Telegram den Besuch in Ägypten.
Bedingungen für eine Feuerpause
Israel erwarte im Gegenzug für eine neue Feuerpause die Freilassung der restlichen noch in Gaza festgehaltenen Frauen sowie Männer über 60 Jahre und anderer Geiseln, die krank oder schwer verwundet seien und dringend medizinische Hilfe benötigten, berichtete das Nachrichtenportal "Axios" unter Berufung auf israelische Beamte sowie eine weitere informierte Quelle. Das seien mehr als drei Dutzend Menschen. Bei einer einwöchigen Feuerpause waren im November 105 Geiseln freigekommen. Nach israelischen Schätzungen werden derzeit noch mindestens 109 Geiseln im Gazastreifen festgehalten. Die Hamas gebe zudem Leichen mehrerer entführter Menschen nicht heraus.
Der Chef der islamistischen Hamas im Gazastreifen soll einem Medienbericht zufolge der israelischen Armee knapp entkommen sein. Soldaten seien einige Male an Orte gelangt, an denen sich Sinwar bis kurz davor aufgehalten haben soll, meldete der israelische TV-Sender Channel 13. Sinwar gilt als einer der Planer des Massakers in Israel am 7. Oktober. 1988 war er wegen Mordes an vier mutmaßlichen Kollaborateuren und zwei israelischen Soldaten verurteilt worden. Er verbrachte danach mehr als zwei Jahrzehnte in israelischer Haft. 2011 kam Sinwar als einer von mehr als 1.000 palästinensischen Häftlingen im Gegenzug für den in den Gazastreifen entführten israelischen Soldaten Gilad Shalit frei. 2017 wurde Sinwar dann Hamas-Chef im Gazastreifen.
Konvoi aus Jordanien
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) begrüßte Bemühungen um eine neue Kampfpause im Gaza-Krieg. "Wir würden jede Vereinbarung begrüßen, die den im Gazastreifen leidenden Menschen eine Atempause verschafft", sagte IKRK-Koordinator Stephen Ryan dem US-Sender CNN. Solange die Kämpfe in Gebieten andauerten, in denen sich Zivilisten befänden, sei es dem Roten Kreuz nicht möglich, die Hilfe dorthin zu bringen.
Zum ersten Mal seit Beginn der Kämpfe im Gazastreifen hat ein Konvoi aus Jordanien Hilfsgüter nach Gaza gebracht. Nach wochenlangen Gesprächen sei dies ein entscheidender Schritt, um nachhaltigere Hilfe über Jordanien in den Gazastreifen zu bringen, teilte das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) am Mittwoch mit. Hilfsgüter wurden bislang überwiegend über einen Grenzübergang zwischen dem Gazastreifen und Ägypten transportiert.
Israelische Armee setzt Angriffe fort
Die israelische Armee setzte ihre Angriffe im Gazastreifen fort. Im Verlaufe des vergangenen Tages seien mehr als 300 Ziele attackiert worden, teilte die Armee am Mittwoch mit. In Reaktion auf Beschuss seien die Truppen in der Gegend der heftig umkämpften Stadt Khan Younis im Süden des Küstenstreifens gezielt gegen Kommando- und Kontrollzentren sowie Waffenlager vorgegangen. Die Angaben können derzeit nicht unabhängig überprüft werden. Israels Armee eroberte nach eigener Darstellung die Hamas-Hochburg Jabalya. Man habe "die operative Kontrolle", hieß es.
Bei Kämpfen im Gazastreifen kam auch ein Soldat mit israelisch-deutscher Staatsbürgerschaft ums Leben. "Wir wurden von den israelischen Streitkräften (IDF) informiert, dass leider ein deutscher Staatsangehöriger unter den Opfern der Kämpfe in Gaza ist", hieß es am Mittwoch aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Israelischen Medienberichten zufolge war der 20-Jährige am vergangenen Donnerstag bei Kämpfen im Süden des Gazastreifens schwer am Kopf verletzt worden. Er starb den Angaben nach wenige Tage später in einem israelischen Krankenhaus.
Bombardements im Südlibanon
Die israelische Luftwaffe bombardierte am Mittwoch nach eigenen Angaben erneut Stellungen der Schiitenmiliz Hisbollah im Südlibanon. Es seien "Terror-Infrastruktur" sowie militärische Einrichtungen der Hisbollah getroffen worden. Anders als üblich betonte die Armee, Israel sei zuvor nicht vom Libanon aus unter Beschuss genommen worden. Warum die Luftwaffe dennoch im Einsatz war, erklärte die Armee auf Nachfrage nicht. Aus libanesischen Sicherheitskreisen hieß es, die Hisbollah habe mehrere Geschosse auf Israel abgefeuert.