Rutte wird NATO-Generalsekretär: An "Teflon-Mark" perlt sogar Orbans Veto ab
BRÜSSEL. Mark Rutte, der scheidende Premier der Niederlande, wird neuer NATO-Generalsekretär – Ungarns Regierungschef Orban gab seinen Widerstand auf und auch der rumänische Präsident Klaus Johannis zog seine Bewerbung zurück.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban spielt seine Vetomöglichkeiten nicht mehr nur auf EU-Ebene aus. Auch bei der NATO blockiert Orban mittlerweile munter anstehende Beschlüsse. Schweden musste monatelang auf seine NATO-Aufnahme warten. Immerhin: Seit Mitte März weht die schwedische Fahne vor dem Hauptquartier des Verteidigungsbündnisses in Brüssel.
Und Orban ließ die NATO-Partnerstaaten auch bei der Suche nach einem Nachfolger von Jens Stoltenberg als NATO-Generalsekretär bis zuletzt zappeln. Der Norweger war zwei Mal um ein Jahr verlängert worden, um das Bündnis durch die aktuelle Sicherheitskrise in Europa zu navigieren.
Den favorisierten Mark Rutte, der bald als niederländischer Ministerpräsident aus dem Amt scheidet, lehnte Orban lange ab. Begründung: Rutte müsse sich zuerst für "beleidigende Äußerungen" gegenüber Ungarn entschuldigen. Die dürften in einem Streit im Juni 2021 gefallen sein, als Rutte der Kragen geplatzt war. Zuvor hatte Ungarn ein Gesetz auf den Weg gebracht, das Homosexuelle diskriminierte.
Orbans Bedingung wurde erfüllt
Orban machte zur Bedingung für ein Ja zum Niederländer, dass Ungarn sich weder finanziell noch personell an der geplanten Ukraine-Mission der NATO beteiligen muss – mit Erfolg, weshalb Orban seine Blockade diese Woche aufgab. Die Ukraine-Mission soll formell beim NATO-Gipfel, der von 9. bis 11. Juli in Washington stattfindet, beschlossen werden. Für die Planungen des Treffens wäre es ungünstig gewesen, wenn die Personalfrage bis dahin nicht geklärt gewesen wäre.
Endgültig frei ist der Weg zum NATO-Generalsekretär für Rutte seit Donnerstag: Da zog sein einziger offizieller Herausforderer um den Posten, Rumäniens Präsident Klaus Johannis, seine Kandidatur zurück. Auch Rumänien stellt sich nun hinter Rutte als Stoltenbergs Nachfolger. Die ebenfalls zögernden NATO-Staaten Slowakei und Türkei hatten ihre Zustimmung bereits davor erteilt.
In den vergangenen Monaten kursierten auch andere Namen: etwa jener von Ursula von der Leyen für den Fall, dass es mit einer zweiten Amtszeit als Kommissionspräsidentin nichts wird – diese Entscheidung ist noch nicht gefallen. Auch dem britischen Ex-Verteidigungsminister Ben Wallace und Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen wurden Chancen eingeräumt. Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas wurde ebenfalls als Anwärterin genannt – es gab jedoch unter einigen NATO-Staaten Vorbehalte wegen ihres besonders rigiden Auftretens gegenüber Russland. Mittlerweile dürfte sich für Kallas in Brüssel eine attraktive Alternative aufgetan haben: Sie ist die Favoritin für den Posten der EU-Außenbeauftragten.
Pragmatiker, harter Verhandler
Der 57-jährige Rutte ist mit fast 14 Jahren der längstdienende Ministerpräsident der Niederlande. Weil Rutte mehrere Affären politisch nichts anhaben konnten und er sich im Amt hielt, bekam er den Spitznamen "Teflon-Mark" verpasst. Das Ende seiner Ära besiegelte Rutte selbst: Im Juli 2023 verkündete er nach einem Streit um die Migrations- und Asylpolitik das Ende der aus vier Parteien bestehenden Regierung und Neuwahlen.
In Brüssel hat sich Rutte bei den Gipfeln mit den anderen Staats- und Regierungschefs den Ruf eines Pragmatikers erworben, der mitunter aber auch hart in der Sache bleibt. Mit Österreich, Schweden und Dänemark waren die Niederlande unter Rutte Teil der "frugalen Vier" – das Bündnis aus Nettozahler-Staaten trat bei den Gipfeln für einen sparsamen Umgang mit EU-Mitteln ein.
Seine Erfahrung als Krisenmanager wird in den nächsten Jahren gefragt sein. Eine mögliche Rückkehr von Donald Trump als US-Präsident, der andauernde Krieg in der Ukraine, der Ausbau der Fähigkeiten in der Verteidigung Europas, der künftige Umgang mit China: Den designierten NATO-Chef erwarten beim voraussichtlichen Amtsantritt am 1. Oktober eine Reihe von Baustellen.
Trumps Überlegungen, der NATO den Rücken zuzukehren und Russland freie Hand in Europa zu lassen, wenn die Bündnispartner ihre finanziellen Verpflichtungen nicht erfüllen, dürften die meisten Staaten zuvorkommen. Noch heuer würden zumindest 23 der 32 Staaten das Zwei-Prozent-Ziel (Anteil der Militärausgaben am Bruttoinlandsprodukt, Anm.) erreichen, teilte die NATO diese Woche mit.
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