EU-Kommissar: Der letzte große Deal
WIEN. Schwarz-Grün einigt sich nach Mühen auf Magnus Brunner und sogar auf finale Projekte
Nach wochenlangem Feilschen hinter verschlossenen Türen war gestern der Koalitionshimmel plötzlich wolkenlos: "Magnus Brunner kennt die Herausforderungen auf europäischer Ebene", er sei "ein klares Bekenntnis für ein starkes Europa mit nachhaltigem Wachstum", lobte Bundeskanzler Karl Nehammer (VP) seinen Finanzminister, der nun Österreichs EU-Kommissar werden soll. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) würdigte Brunner als kompetent und "in Europa gut vernetzt".
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Dass Nehammer und Brunner (Porträt siehe Seite 5) die "Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit" der Union besonders hervorhoben, war offensichtlich als Bewerbung bei Ursula von der Leyen um das entsprechende Ressort zu verstehen. Dem Wunsch der EU-Kommissionspräsidentin an alle Mitgliedsländer, die eine Neunominierung planen, auch eine Frau zu nennen, kam die Koalition nicht nach.
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Es habe sich bei dem Ersuchen um eine "Möglichkeit und keine Muss-Bestimmung" gehandelt, sagte Nehammer. Der Minimalkonsens war freilich auch dem wochenlangen Gezerre um die Personalie geschuldet. Dem Vernehmen nach wurde auf eine weibliche Alternative verzichtet, weil die ÖVP Brunners Ticket absichern und nicht riskieren wollte, dass sich von der Leyen im September für die Kandidatin entscheidet.
Einigung am Dienstag
"Die ÖVP war nicht bereit, sich zu bewegen, und weil uns Europa sehr wichtig ist, haben wir dem Vorschlag letztlich zugestimmt." So erklärte Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer im Gespräch mit den OÖNachrichten den Durchbruch im Konflikt um die Nominierung. Die Einigung auf Brunner soll es am Dienstag in der Chefrunde zwischen Kanzler Karl Nehammer (VP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) gegeben haben, also am Tag vor Urlaubsantritt des Regierungschefs.
Die Grünen hätten dennoch den ehemaligen VP-Fraktionschef im EU-Parlament, Othmar Karas, als den "unabhängigeren und fachlich versierteren Kandidaten" gesehen, sagte Maurer.
- Mehr zum Thema: Welches Ressort bleibt Magnus Brunner?
Wie aus grünen Verhandlerkreisen verlautete, soll es für den "Kommissar-Deal" inhaltliche Zugeständnisse geben, allen voran der Beschluss des Erneuerbare-Gase-Gesetzes. Dieses sieht vor, dass Österreich bis 2030 mindestens 7,5 Terawattstunden an heimischem erneuerbaren Gas produziert. Es geht um eine Zweidrittelmaterie. Die ÖVP soll zu einigen Zugeständnissen bereit sein, um so den Weg für eine Zustimmung der SPÖ freizumachen.
Außerdem soll nun doch noch ein in der Koalition abgestimmter Nationaler Energie- und Klimaplan (NEKP) nach Brüssel übermittelt werden. Darin legt die Regierung den Weg zum Erreichen der EU-Energie- und Klimaziele dar. Ein Einlenken der ÖVP soll es auch für den Ausstieg aus russischen Gasimporten bis 2027 geben.
Keine Nachbesetzung
Vorerst keine Nachbesetzung soll es in der Finanzmarktaufsicht (FMA) geben, wo Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer seine Generalsekretärin Mariana Kühnel in Position gebracht hat. Der Vertrag von FMA-Vorstand Eduard Müller läuft ohnehin erst Mitte 2025 aus. Dafür könnten jetzt die Nachbesetzungen in der Nationalbank und im Bundesverwaltungsgericht rasch über die Bühne gehen.
In Sachen EU-Kommissar wird Nehammer nun Bundespräsident Alexander Van der Bellen über die Entscheidung informieren. Es folgt ein mehrstufiger Prozess, an dessen Ende die Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrats steht. Erst danach wird Brunners Nominierung an das EU-Ratssekretariat gemeldet.
Die Reaktionen
In der Opposition wurde Magnus Brunners Nominierung erwartungsgemäß kritisch aufgenommen. SP-Klubchef Philip Kucher verwies auf eine „Katastrophenbilanz des Noch-Finanzministers“. FP-Generalsekretär Christian Hafenecker gab sich überzeugt, dass es der ÖVP nur „um das Wohl ihrer eigenen Leute“ gehe. Für den Neos-EU-Abgeordneten Helmut Brandstätter darf „die Besetzung eines derart wichtigen Amtes nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden“.
Zuspruch gab es aus der Industrie: IV-Präsident Georg Knill lobte Brunners „exzellenten Ruf als Fachmann und Sachpolitiker“. Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger betonte, dass Brunner mit seinem „zukunftsorientierten und wirtschaftlichen Denken“ der Richtige für die EU sei.
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sehr gute Wahl!
Jetzt nachdem die Wirtschaft darnieder liegt vertschüsst sich der Kapazunder nach Brüssel.
Alibihandlung zum Schaden der EU, nur damit der Karli keinen Konkurrenten hat.
FP-Generalsekretär Hafenecker gab sich überzeugt, dass es der ÖVP nur „um das Wohl ihrer eigenen Leute“ gehe. WIE DARF MAN DAS VERSTEHEN? Hafenecker schlug Susanne Fürst als „Remigrationskommissarin“ vor - also da geht es der FPÖ NICHT um das Wohl ihrer Leute???? Nur mehr zum Kopfschütteln das ganze.
"weil die ÖVP Brunners Ticket absichern und nicht riskieren wollte, dass sich von der Leyen im September für die Kandidatin entscheidet" - wenn das mal kein Eigentor wird.
Aus purem Eigennutz entscheidet sich die ÖVP also gegen den Wunsch der EU, gegen die Gleichberechtigung und letztlich gegen Österreich.
Wäre ich an der Stelle von Van der Leyen, würde ich Österreich dafür einen der "kleinen" oder politisch besonders undankbaren Posten geben.
2/3 ist 100% - mein Lieblingsmathematiker wird jetzt die Kommission belehren.
Wichtig ist, dass er weg ist. Viel Freude mit ihm.
Die Lösung der Klimaagenda und der Energie- Zukunft ist den GRÜNEN wichtiger als der VP- Postenschacher!
Zukunftsorientierte nachhaltige Inhalte haben vor Personalfragen
für die GRÜNEN Vorang!
Gib ihnen mal ein Herz, obwohl ich nicht weiß, ob sie‘s gut oder schlecht mit den Grünen meinen.
Ist doch schon egal, oder?
Er ist angesichts des Tamtams, das die Grünen veranstaltet haben, nun im Erklärungsnotstand, wie man denn die streichelweiche Zustimmung zu Brunner darstellen könnte. Als grünen Erfolg lässt sich das nicht verkaufen.
Das macht dann Schilling!