Reaktionen auf Sterbehilfe-Entscheidung: Kirche "bestürzt", NEOS erfreut
WIEN. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), dass Beihilfe zum Selbstmord künftig nicht mehr unter Strafe steht, hat heftige und sehr unterschiedliche Reaktionen ausgelöst.
Ärztekammer bedauert die VfGH-Entscheidung
Überwiegend skeptisch bis ablehnend sind die ersten Reaktionen auf das VfGH-Urteil ausgefallen, die Strafbarkeit der Beihilfe zum Selbstmord aufzuheben. Für die Ärztekammer ist diese Entscheidung "bedauerlich", der Katholische Familienverband war "bestürzt". Die evangelische Kirche pochte - ebenso wie Mediziner - auf Maßnahmen gegen Missbrauch und ein Verbot kommerzieller Sterbehilfe. Zufrieden war der Schweizer Verein Dignitas, der die Verfassungsklage initiiert hat. "Diese Entscheidung ist bedauerlich", befand Thomas Szekeres, der Präsident der Österreichischen Ärztekammer. Denn es drohe die Gefahr, "dass ältere und kranke Menschen vermehrt unter Druck geraten, ihre Daseinsberechtigung und ihren Lebenswillen zu rechtfertigen". "Kategorisch abzulehnen" sei "geschäftsorientierte Sterbehilfe", also wie in Deutschland oder der Schweiz Sterbehilfe durch private Unternehmen. Vor allem dürfe aber keine Ärztin und kein Arzt "dazu gezwungen werden, gegen ihr oder sein Gewissen zu handeln und zur Tötung eines Menschen beizutragen".Katholische Kirche : "Kulturbruch"
Die katholische Kirche hat auf die Entscheidung mit "Bestürzung" reagiert. Das Sterbehilfe-Urteil sei ein Kulturbruch und gefährde die Solidarität, kritisierte der Vorsitzender der Bischofskonferenz, der Salzburger Erzbischof Franz Lackner. Die Regierungsparteien ÖVP und Grünen reagierten skeptisch bis ablehnend und die SPÖ forderte eine breite und offene Diskussion.
"Jeder Mensch in Österreich konnte bislang davon ausgehen, dass sein Leben als bedingungslos wertvoll erachtet wird - bis zu seinem natürlichen Tod. Diesem Konsens hat das Höchstgericht mit seiner Entscheidung eine wesentliche Grundlage entzogen", sagte Lackner. "Die selbstverständliche Solidarität mit Hilfesuchenden in unserer Gesellschaft wird durch dieses Urteil grundlegend verändert", hielt der Erzbischof weiter fest. Wörtlich sprach Lackner von einem "Dammbruch" und warnte davor, dass mit der erlaubten Beihilfe zum Suizid der Druck auf kranke und alte Menschen steigen werde, davon Gebrauch zu machen.
Bischofskonferenz: Keine Sterbehilfe, sondern Nähe nötig
"Wer in einer existenziellen Krisensituation wie Krankheit und Lebensmüdigkeit einen Sterbewunsch äußert, braucht keine Hilfe zur Selbsttötung, sondern menschliche Nähe, Schmerzlinderung, Zuwendung und Beistand", betonte der Bischofskonferenz-Vorsitzende. Nur so könne jeder Mensch sicher sein, dass er in seiner Würde auch in verletzlichen Lebensphasen geachtet und geschützt wird. Lackner wörtlich: "Wir dürfen den Menschen nicht aufgeben, auch wenn er sich selbst aufgegeben hat."
Kritik von der ÖVP
ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler zeigte sich überrascht: "Mit dem Erkenntnis zur Sterbehilfe weicht der VfGH von seiner eigenen Rechtsprechung ab, wonach ein Verbot der aktiven Sterbehilfe im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt. Insbesondere der Schutz der Älteren und der Schutz des Rechtes auf Leben sind zentrale Grundwerte unserer Politik." Und: "Das Leben ist das höchste Gut und genießt aus gutem Grund verfassungsrechtlich höchsten Schutz. Wir werden auch weiterhin dafür sorgen, dass niemand den Wert seines Lebens in Frage stellen muss. Daher müssen wir nun prüfen, welche gesetzlichen Schutzmaßnahmen notwendig sind."
Zurückhaltung bei den Grünen
Auch Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer reagierte sehr zurückhaltend. "Die Folgen der Entscheidung des VfGH zum Thema Beihilfe zum Suizid bedürfen einer umfassenden Prüfung. Im Wissen darum, dass das Thema Sterbehilfe gerade auch angesichts Österreichs Geschichte besonders sensibel ist, braucht es aus grüner Sicht eine breite Einbindung von Expertinnen und Experten und der Zivilgesellschaft. Wesentlich wird jedenfalls der weitere Ausbau der Angebote im Bereich der Palliativversorgung und Hospizbetreuung sein", so Maurer.
SPÖ: Gute, flächendeckende Versorgungsmedizin nötig
SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim sprach sich für eine offene und breite Diskussion über zentrale Fragen am Ende des Lebens aus. "Es müssen Themen weit über das Strafrecht hinaus diskutiert werden, weil das Strafrecht an sich kein geeignetes Instrument ist, um ein Sterben in Würde herbeizuführen. Es braucht eine gute, flächendeckende Versorgung mit Schmerzmedizin und Sterbebegleitung sowie für alle zugängliche Patientenverfügungen und das alles unabhängig von der finanziellen Situation der Betroffenen. Darüber hinaus ist Rechtssicherheit und ausreichend Betreuung für Angehörige und medizinisches Personal erforderlich", so Yildirim.
NEOS erfreut
Erfreut reagiert NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes. "Diese Entscheidung ist für viele todkranke Menschen in Österreich eine lange ersehnte Nachricht. Sie gibt ihnen die Aussicht auf ein selbstbestimmtes Lebensende, auf ein Sterben in Würde. NEOS sind klar gegen aktive Sterbehilfe, aber wir waren immer dafür, die Mitwirkung an der Selbsttötung von unheilbar kranken Patienten unter bestimmten Umständen zu erlauben. Das würde viel Leid verhindern. Für viele kommt ein assistierter Suizid nicht infrage. Aber diejenigen, die das wünschen, sollen nicht zur Reise in die Schweiz oder zum Schritt in das Illegale gezwungen werden."
Die evangelisch-lutherische Kirche ist nicht bestürzt.
"Jeder Mensch in Österreich konnte bislang davon ausgehen, dass sein Leben als bedingungslos wertvoll erachtet wird - bis zu seinem natürlichen Tod."
Werter Herr Lackner!
Ein natürlicher Tod, setzt auch ein natürliches Leben voraus, da der Tod ein Bestandteil des Lebens ist und nicht vom leben trennbar ist.
Da unser leben zum Großteil nicht mehr natürlich ist, so kann auch der Tod nicht natürlich sein.
Es ist an der Zeit, dass die Kirche die Wissenschaft und seine Errungenschaften auch versteht und akzeptiert. Wenn man schon nicht gefragt wird, ob man überhaupt in einer solchen Welt leben will, so soll man wenigstens das Recht haben sich aus der Welt entfernen zu dürfen.
vom Leben
Das Urteil ist ein Fortschritt. Insbesondere für Österreich.
Die christliche Kirche ist ein Rückschritt. Religionstottel.
Dank Vfgh ist Österreich im 21.Jhdt: wenn es nach der mittelalterlichen kath. Kirche u der autoritären christlichsozialen ÖVP ginge, wäre wohl 1934-38 das Ziel.
Es ist unglaublich, wie dreist die katholische Kirche ist, zu diesem Thema einen negativen Kommentar abzugeben!
Faschismus ist in.
Passt schon, Schuachhåndler - deinen täglichen Stiefel hast wieder einmal abgeliefert!
Der Troll-Bot:
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Was hat das mit natürlichen Tod zu tun, wenn Menschen mit aller Gewalt und vielleicht gegen ihren Willen am Leben gehalten werden? Ich begrüße diese Entscheidung.
ich persönlich muss dazu sagen: will weder künstlich ohne Aussicht auf Besserung weiterleben nur mit Maschinen und will es meiner Familie auch nicht noch schlimmer machen. Aus ist aus und danke für ein schönes Leben.
Was extrem störend ist, ist die Tatsache, dass sich die Kirche in weltliche und staatliche Entscheidungen einmischt. Dazu hat sie kein Recht.
Sagten die Nazis auch.
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