Sehnsucht nach einer magischen Nacht in Rom
ROM. Der Wiener Mert Müldür stemmt sich im heutigen EM-Eröffnungsspiel (21 Uhr, ORF 1 und nachrichten.at) mit der Türkei gegen starke Italiener und zwei Negativserien
Vorhang auf für die Fußball-EURO 2020 anno 2021! Mit einjähriger Verspätung aufgrund der Corona-Pandemie werden heute (21 Uhr, ORF 1 und Liveticker auf nachrichten.at) in Rom die 16. Kontinental-Titelkämpfe mit dem Gastspiel der Türkei bei Titel-Co-Favorit Italien angepfiffen.
23.309 Fans dürfen in das altehrwürdige Stadio Olimpico eintreten, die überschaubare Kulisse in diesem 72.698 Zuschauer fassenden Oval erinnert damit eher an weniger rosige Zeiten der Serie-A-Klubs AS Roma und Lazio. Trotzdem wird es stimmungsvoll, die "Squadra Azzurra" hat unter der Regie von Roberto Mancini hinreichend die Werbetrommel gerührt.
Die Italiener glauben wieder an ihre Nationalmannschaft, die seit 10. September 2018 (0:1 in Portugal) kein einziges ihrer 27 Länderspiele verloren hat (22 Siege, fünf Remis). Selbst bei der Generalprobe war kein Schongang angesagt. Lazio-Torjäger Ciro Immobile, Napolis "Zaubermaus" Lorenzo Insigne, Inter-Mittelfeldmann Nicolo Barella und Sassuolo-Stürmer Domenico Berardi glänzten beim 4:0 gegen EM-Teilnehmer Tschechien. So entfacht man eine EUROphorie.
Der Sprung ins Rampenlicht
"Mister" Mancini hält den Ball aber flach: "Nicht nur diese Gruppe A (Italien, Türkei, Schweiz, Wales, Anm.) ist sehr hart, sondern das gesamte Turnier. Man wird sich schwertun, irgendeine schwache Mannschaft zu finden. Es wird ausschließlich umkämpfte Spiele geben", sagte der Teamchef der Italiener vor dem Eröffnungsmatch, bei dem auch zwei Herren mit Österreich-Bezug eine größere oder kleinere Rolle spielen werden. Der eine, Ex-Ski-Freestyle-Vizeweltmeister Christian Rijavec, ist waschechter Tiroler und bei der 20-minütigen Zeremonie vor dem Ankick in einer akrobatischen Trommel-Gruppe, die durch die Luft fliegen will, Teil des Showprogramms.
Der andere, Mert Müldür, hat in Wien das Licht der Welt erblickt und im Sommer 2019 den Sprung in die italienische Serie A geschafft. Sein Linzer Manager Max Hagmayr fädelte damals den Transfer vom SK Rapid zu Sassuolo Calcio ein, den Hütteldorfern wurde der Abgang mit satten 4,7 Millionen Euro versüßt. Der heute 22-jährige Müldür hat sich aber gegen das österreichische Nationalteam und für das türkische, für das er schon in der U17 im Einsatz war, entschieden. Die Abwerbeversuche von ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel und Teamchef Franco Foda waren nicht von Erfolg gekrönt.
Das ist zwar schade, aber aus Müldürs Perspektive sicher kein Fehler gewesen. Der Rechtsverteidiger spielt bei Sassuolo stark und regelmäßig, der türkische Cheftrainer Senol Günes nominierte ihn verdientermaßen für die EURO. Youngster Müldür wird von Experten heute nicht in der Startelf erwartet, (noch) soll es an Zeki Celik, der sich mit dem OSC Lille sensationell zum französischen Meister krönte, kein Vorbeikommen geben. Müldürs Weg stimmt, Sassuolo wird nicht seine letzte Karrierestation sein. "Es gibt immer wieder Gespräche mit Topklubs in Italien und England", berichtete Hagmayr kürzlich. Und so eine EURO ist eine würdige Bühne, um sich in die Auslage zu spielen und seinen Marktwert zu erhöhen.
Der Fluch des ersten Spiels
Die Türkei hat zwar großes Potenzial, aber heute nicht die besten Karten. Der WM-Dritte von 2002 tritt zum fünften Mal bei einer EM-Endrunde an, bei den vier Teilnahmen zuvor hat das Nationalteam stets sein erstes Match in den Sand gesetzt. 1996 gab’s ein 0:3 gegen Dänemark, 2000 ein 1:2 gegen Italien, 2008 ein 0:2 gegen Portugal und 2016 ein 0:1 gegen Kroatien.
Burak Yilmaz lässt das kalt. Der 35-Jährige – ebenfalls Champion mit Lille – erlebt gerade seinen zweiten Frühling. "Ich werde alles geben, um mit meinen Toren einen Beitrag zu einem großen Turnier der Türkei leisten zu können", sagte der Stürmer, der von AC-Milan-Star Hakan Calhanoglu mit brauchbaren Bällen gefüttert werden soll.
In der laufenden WM-Qualifikation hat das ganz gut funktioniert. Zumindest beim 4:2 gegen die Niederlande am 24. März in Istanbul, wo Yilmaz dreimal traf. Dass sechs Tage später gegen Lettland nach 2:0- und 3:1-Führung nur ein 3:3 heraussprang, untermauert die Wankelmütigkeit der türkischen Mannschaft. Es ist ein schmaler Grat zwischen Genialität und Überheblichkeit. Letztere ist unangebracht im Ringen um einen historischen Sieg. In sieben Duellen mit Italien waren drei Unentschieden das höchste der Gefühle. Das achte Match steigt 15 Jahre nach einem 1:1 in aller Freundschaft. Heute steht mehr auf dem Spiel.
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Möge es ein schönes und faires Match werden, im Sinne von Sportlichkeit, Frieden und Fairness.