Filzmaier: „Verstehe jeden, der Geisterspiele kritisch sieht"
WIEN. Als Sportfan, Anhänger des FC Barcelona und einst passioniertem Langstreckenläufer tut die Coronakrise Peter Filzmaier "mit Herz und Seele weh".
Im Gespräch mit der APA bemühte sich der Politikwissenschafter dennoch um einen analytischen Blick auf die geplanten Geisterspiele in der Fußball-Bundesliga: "Ich verstehe jeden, der das kritisch sieht." Die Rückkehr des Live-Fußballs ist für den langjährigen TV-Analytiker zumindest mit Vorbehalten zu sehen. "Was Geisterspiele betrifft, habe ich wie jeder Sportfan eine gespaltene Seele. Nur geht es in diesem Fall für jeden verantwortungsvoll denkenden Menschen um die Gesamtsituation", erklärte Filzmaier.
Den Profis aus der ersten Liga werde - strengen Auflagen zum Trotz - mit der Möglichkeit der Geisterspiele ein Privileg eingeräumt. "Wie ist die Bevorzugung der Profifußballer als einer noch dazu besonders gut bezahlten Berufsgruppe gegenüber der Gesamtbevölkerung zu argumentieren?", fragte Filzmaier. "Das ist eine zutiefst politische Wertung, und ich verstehe auch jeden, der das sehr kritisch sieht." Schließlich sei Kritik selbst aus Fanszenen etwa in Österreich oder - dort sogar noch ablehnender - aus Deutschland laut geworden.
Filzmaier verwies auch auf die Test-Frage. "Das Motto des Bundeskanzlers hat schon im März gelautet: Testen, Testen, Testen. Wir sind immer noch weit von den 15.000 Tests am Tag entfernt, ungefähr bei der Hälfte. Wenn Hunderte Tests an eine Sportart gebunden sind, führt das schon zu kritischen Folgefragen. Auch wenn die Bundesliga dafür selbst bezahlt", merkte der 52-Jährige an.
Zudem seien viele Folgen jetzt noch nicht abzuschätzen. Wie verhalten sich zum Beispiel die Fans, die ja nicht ins Stadion können, sich aber auch nicht zu Hause "zu zehnt" versammeln sollen, um gemeinsam das Spiel im TV zu schauen. "Das ist in den eigenen vier Wänden aus guten grundrechtlichen Gründen zwar nicht verboten, muss aber nicht klug sein", sagte Filzmaier, der sich eine "ein bisschen österreichische Lösung" vorstellen kann: "Im Stadion geht's nicht, dann machen wir es halt zu Hause."
Etwaige Zugeständnisse seitens der Politik müssten jedenfalls gut argumentiert sein. "Der Fußball ist eines der letzten gemeinsamen Lagerfeuer der Republik. Man diskutiert heftig darüber, das führt zu Gemeinschaftsgefühl. Aber diese gesellschaftliche Bedeutung ist nicht vergleichbar mit Ländern wie Italien oder Spanien, die von der Pandemie viel stärker betroffen sind", gab er zu bedenken.
Zumindest "skeptisch" sei er beim "Bespaßungs-Argument", also dem Hinweis auf den Unterhaltungswert des Fußballs, der den von Corona geplagten Menschen Ablenkung verschaffen würde. "Wäre es nicht ehrlicher, mit den Wirtschaftsinteressen zu argumentieren", fragte Filzmaier. "Man muss vielleicht auch ehrlich sagen, dass es um das Unternehmen Fußball geht."
Eine Frage sei auch, "ob es nötig ist, die Saison jetzt durchzubringen. Man könnte sich auch die Zeit nehmen, um ein tragfähiges Konzept für nächste Saison zu entwickeln. Zumindest der Zeitdruck wäre weg", sagte Filzmaier. "Und ich betone ganz allgemein immer wieder, dass man hohen Respekt vor politischen Entscheidungsträgern bei diesem Druck haben muss."
Aufgrund seiner Struktur verfüge der organisierte Sport in einer Hinsicht jedenfalls über einen Vorteil gegenüber anderen Gesellschaftsbereichen. "Man kann den Verbänden die Konzepterstellung überlassen, die Grundsatzentscheidung trifft die Politik. Sofern man sich intern einig ist, erleichtert die hierarchische Organisation des Sports die Schnelligkeit von Entscheidungen", meinte Filzmaier. "Ich halte das tendenziell für richtig, weil die Politik überfordert ist. Warum sollten das Beamte im Ministerium besser wissen als die Sportarten selbst?"
Die großen Verbände müssten sich aber auch der Symbolwirkung bewusst sein. "Das hat man am übelsten beim IOC gesehen", sagte Filzmaier im Hinblick auf das Lavieren des Internationalen OIympischen Komitees bei der Absage der Spiele 2020. "Man denke auch an das olympische Box-Qualiturnier Anfang März, bei dem sich mehrere Athleten und Betreuer mit dem Coronavirus infizierten."
Sollte die Saison nicht mehr zu Ende gebracht werden können, sei die Wertung mit aktuellem Stand eine "vertretbare Lösung, die ja auch in anderen Sportarten immer wieder zur Anwendung gekommen ist". Dem von ihm verehrten FC Barcelona wäre der Titel dann jedenfalls sicher. "Was die Fortsetzung der Saison in der Champions League um jeden Preis betrifft, bin ich trotz Barca aber skeptisch."
Für Filzmaier, der mit seinem 2020 bei Brandstätter erschienenen Werk "Atemlos" seine Liebe zum Sport in Buchform goss, ist die aktuelle Situation jedenfalls keine leichte. "Ich ertappe mich manchmal noch dabei, im gedruckten TV-Programm nach Live-Sport-Übertragungen zu suchen - bis ich realisiere, dass es sinnlos ist. Immerhin: Die Joggingversuche eines Mittfünfzigers sind ja erlaubt", sagte er.
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Ein guter Befund von Filzmaier.
Was österreichische Geisterspiele betrifft, sind sie wohl ein letzter Rettungsanker für unsere 1.Liga-Vereine. Die 2. Liga ist scheinbar schon zum Abschuss freigegeben.
Eine Reihe von Insolvenzen werden unausbleiblich sein.
Es sei denn, es gibt massive Staatshilfen. Aber würde das die Gesellschaft wollen?
Natürlich würde sie das nicht wollen, weil unsere Gesellschaft geprägt ist vom Neid und der ständigen Angst, das jemand ANDERER mehr bekommen könnte als ich selbst.
Einige Zahlen:
Bezirk Vöcklabruck: 136 253 Einwohner - aktuell Erkrankte: 1
Bezirk Ried: 61204 Einwohner - aktuell Erkrankte: 2
Aber VORSICHT - die Dunkelziffer der Erkrankten ohne Symptome ist extrem hoch, daher weiterhin alles vermeiden, was zu zweit oder mit mehreren Personen Spaß machen könnte, am Besten für die nächsten 2-3 Jahre.
Und die Experten sagen auch schon das Ansteigen der Infektionen für den Herbst voraus (2. Welle) - am Besten die Schutzmaske gar nicht mehr abnehmen (auch nicht beim Zähneputzen!!!).
Und noch einige Ergänzungen:
Bezirk Kirchdorf: 56.866 Einwohner/aktuell Erkrankte: 0
Bezirk Wels-Land: 73.094 Einwohner/aktuell Erkrankte: 1
Bezirk Urfahr-Umgebung: 85.505 Einwohner/aktuell Erkrankte: 1
Macht zusammen: 215.465 Einwohner/aktuell Erkrankte: 2
Quelle: Land OÖ/Stand 05/05/2020
Kann unser Gesundheitssystem das noch verkraften?????
Gerade in der "BILD" über einen Artikel über Hertha BSC gestolpert, der eigentlich alles sagt, wenn er valid sein sollte. Dann haben sich die "Ballesterer" soeben selbst disqualifiziert. Mit diesem Verhalten ist sofort alles abzubrechen, denn das kann man selbst der fußballfreundlichsten Bevölkerung nicht mehr zumuten und deren Disziplin einfordern.
Filzmaier hat recht, wenn er vom Unternehmen Fussball spricht. Da ist es gut möglich, dass dieses Unternehmen, wenn es schon nicht insolvent wird, so doch eine möglicherweise grosse Restrukturierung vor sich hat. Denn nach den allgemein gültigen Umgangsregeln für dieses Virus ist an "echte" Spiele (also mit mehr oder minder vollen Stadien) für die nächsten 2 bis 3 Jahre nicht zu rechnen. Diese Periode steht aber kein Profi-Verein zu den derzeitigen Vertragsbedingungen durch. Und für viele Profifussballer wird es einen rasanten wirtschaftlichen Abstieg geben.
Peter Filzmaier spricht mir aus der Seele. Besser kann man es nicht sagen !