Erst als sich der Nebel verzog, schaute für Kriechmayr der Sieg heraus
Der Mühlviertler gewann nach langer Wartezeit in Gröden sein fünftes Weltcup-Rennen.
So lange hat wohl noch kein Skirennläufer im Zielraum auf einen Sieg warten müssen. Es war 15.20 Uhr, als Vincent Kriechmayr gestern in Gröden endlich offiziell als Gewinner des Super-G gefeiert wurde. Zuvor war dem Mühlviertler das Sieger-Lächeln mehrmals vergangen, weil das verrückte Rennen wetterbedingt am Rande eines Abbruchs stand. Der Nebel hat lange die Spaßbremse gespielt und die Saslong blockiert.
"So ein Rennen habe ich noch nie erlebt", war Kriechmayr nach den Überstunden im Zielraum erleichtert. Die Warterei hat dem 28-Jährigen wohl mehr zugesetzt als der Super-G ("Ich habe versucht am Limit zu fahren und habe es ganz gut erwischt"). Schon nach Startnummer vier hatte es eine 47-minütige Unterbrechung gegeben, dann schnitzte Kriechmayr mit Startnummer sieben vor Kjetil Jansrud und Thomas Dreßen die Bestzeit in die Saslong. Nach der Nummer 20 machte sich wieder der Nebel wichtig. Es dauerte mehr als eineinhalb Stunden, ehe es um 14.45 Uhr endlich weiterging. Als knapp vor 15 Uhr der US-Amerikaner Ryan Cochran-Siegle mit der Nummer 30 im Ziel abschwang, war Kriechmayrs fünfter Karriere-Sieg "amtlich". Dass es kurz darauf nach Nummer 48 endgültig "Game over" hieß, spielte keine Rolle mehr.
Bis zur letzten Deadline
"Die Organisatoren wollten das Rennen unbedingt durchdrücken, dafür bin ich sehr dankbar", meinte Kriechmayr, der sich in den vielen Pausen-Interviews einmal mehr als fairer Sportler zeigte. Immer wieder wies er darauf hin, dass man den Super-G nicht fortsetzen soll, wenn die Sache für die restlichen Starter unfair oder gar gefährlich wird. "Länger hätten wir nicht mehr warten können", atmete oben auf der Saslong FIS-Mann Hannes Trinkl auf, während unten sein oberösterreichischer Landsmann Sieger-Interviews gab – und nicht wusste, wie sehr sein Sieg tatsächlich auf des Messers Schneide gestanden war. Es hatte schon Forderungen an das OK-Team gegeben, das Rennen abzubrechen. Trinkl: "Wir haben trotzdem unseren Plan durchgezogen, das ganze Zeitfenster zu nützen – bis zur allerletzten Deadline."
Auch für die heutige Abfahrt (11.45 Uhr) sind die Prognosen der Meteorologen nicht unbedingt rosig. Die gestrige stundenlange Zitterpartie im Zielraum war für Kriechmayr nicht gerade die ideale Vorbereitung. "Das nehme ich aber gerne in Kauf", sagte der Modellathlet aus Gramastetten, dessen Fan-Klub im Zielraum auch einen langen Atem bewies. Zunächst feierte man die Bestzeit von Kriechmayr, fast viel lauter gejubelt wurde dann später, als sich am Nachmittag die Nebelwand öffnete und das Rennen fortgesetzt wurde.
Was seine Chancen für die Abfahrt betrifft, stieg Kriechmayr nach dem Super-G auf die Bremse. "Das ist wieder ein ganz anderes Rennen." Wichtig wäre es, wieder in den Renn-Modus zu kommen. Kriechmayr: "Auf der Saslong musst du aggressiv sein, sonst hast du keine Chance." Darüber, dass er mit seinem Sieg auch die Führung im Gesamt-Weltcup übernommen hat, machte sich der Mühlviertler keine großen Gedanken. Ihm geht es vielmehr um eine kleine Kugel im Disziplinen-Weltcup (Super-G oder Abfahrt). "Schön langsam wird es Zeit, dass diese wieder einmal ein Österreicher holt." Zuletzt konnte Klaus Kröll im Winter 2011/2012 die Abfahrtswertung gewinnen.
Gestern zeigten die ÖSV-Herren mannschaftlich eine gute Leistung. Hannes Reichelt war trotz "Dünnpfiff" auf Platz sechs zweitschnellster Österreicher, Matthias Mayer wurde trotz Fehler Elfter. Die Norweger fühlen sich als Platzhirsche in Gröden herausgefordert. Jansrud: "Es sieht so aus, als wären die Österreicher in mein Schlafzimmer hereingekommen."
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