Vierschanzentournee: Die drei österreichischen Sieger-Kandidaten im Portrait
BISCHOFSHOFEN. Die drei österreichischen Kandidaten auf den Gesamtsieg bei der Vierschanzen-Tournee im Kurzporträt.
Stefan Kraft, das Phänomen:
Der Salzburger ist seit mehr als zehn Jahren Dauergast in der Weltspitze. Zahlreiche Trophäen wie je drei WM-Einzeltitel und Gesamtweltcuperfolge inklusive 45 Einzelsiege zeugen von seiner Ausnahmestellung. "Es ist sehr viel Arbeit. Ich bin auch manchmal überrascht, dass ich es immer wieder schaffe. Ich kann auf viel zurückgreifen, was ich schon erlebt habe und funktioniert hat. Trotzdem muss ich mich immer wieder neu erfinden", so Kraft. Der 31-jährige Pongauer vertraut abseits der ÖSV-Strukturen seit vielen Jahren auf die Betreuung von Patrick Murnig, ein anderer wichtiger Ansprechpartner ist sein langjähriger Zimmerkollege Michael Hayböck. "Mit der Hilfe des Umfeldes, der Trainer, der Familie und von Freunden bekommen wir es Gott sei Dank immer wieder hin, dass das System Stefan Kraft funktioniert."
ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl bezeichnet seinen langjährigen Topmann als Teamplayer, Vorbild für die jüngeren Kollegen und herausragenden Wettkampftypen. "Er ist extrem ehrgeizig, sehr fokussiert und umtriebig. Im Wettkampf ist er ein irrsinniger Killer, er hat die Gabe, dass er, wenn es darauf ankommt, noch einmal zulegt." Dass die seit 2023 verheiratete Frohnatur Kraft vielleicht sogar zu nett sein könnte, verneint Widhölzl. "Er weiß ganz genau, was er will. Das kommuniziert er auch, dazu hat er auch das Recht in seiner Stellung." Und er erhalte auch gewisse Freiheiten. "Für mich ist wichtig, dass er so lange wie möglich Spaß am Skispringen hat und uns so lange wie möglich erhalten bleibt."
Der Tourneesieger von 2015 hat aber ohnehin nicht vor, die Sprunglatten demnächst ins Eck zu stellen. Schließlich fehlt dem gerne Schmäh führenden Bayern-München-Fan mit Olympia-Einzelgold ein großer Titel noch.
Jan Hörl, das Känguru:
Der 26-Jährige pflegt den risikoreichsten Sprungstil im ÖSV-Team, zudem verfügt er über rekordverdächtige Sprungkraft. "Er ist körperlich extrem gut beieinander und extrem spritzig - ein keines Känguru", sagt Widhölzl über den Pongauer. Hörl sei in den vergangenen Jahren nicht nur stetig besser geworden, sondern auch als Persönlichkeit gereift. "Er hat sehr hart an sich gearbeitet, nicht nur sportlich, auch von der Einstellung her." Frühere Leistungsausreißer gebe es nur noch selten. "Er ist immer stabiler geworden, früher war er anfälliger", so Widhölzl. Geblieben ist dem Athleten des SC Bischofshofen seine Risikobereitschaft. "Er ist sicher der Angriffslustigste von allen, der gern auch riskiert und Vollgas sagt. Jan ist keiner, der auf Sicherheit springt. Meistens wenn er auf Sicherheit geht, wird es schlechter."
Auch Hörl gibt an, dass er disziplinierter, zielstrebiger und in gewisser Weise erwachsen geworden ist. "Ich weiß ganz genau, was ich will und was ich brauche. Ich habe schon sehr viel herausgefiltert, was ich nicht haben will", sagte der in dieser Saison so richtig explodierte Salzburger. Verantwortlich für seine aktuelle Hochphase seien das Umfeld im ÖSV, aber auch die Unterstützung auf privater Ebene. "Der Weg, den ich eingeschlagen habe, funktioniert. Mich kann nichts mehr so schnell aus der Bahn bringen."
Hörl ist trotz einiger markiger Sprüche ("Sieg oder Sarg") kein redseliger Erklärer, er lässt lieber seine Leistungen sprechen. Diese gingen in den vergangenen zwei Saisonen stetig nach oben, vor einem Jahr gewann er in Innsbruck sein erstes Tournee-Springen und wurde Gesamtvierter. Bei der aktuellen Ausgabe flog er nach zwei Siegen im Vorfeld mit seinen ÖSV-Mannschaftskollegen allen anderen davon.
Daniel Tschofenig, der Perfektionist:
Im Sog seiner Teamkollegen hat sich der als besonders ehrgeizig geltende Kärntner in den vergangenen Wochen zum Dauergast auf dem Podest entwickelt. Dass der mit der kanadischen Skispringerin Alexandria Loutitt liierte 22-Jährige sich dabei ab und zu noch selbst im Weg steht, glaubt ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl nicht. "Ehrgeiz ist ja überhaupt nicht negativ. Ich glaube, er ist sehr zielorientiert. Für ihn ist ganz klar, er möchte gewinnen. Darauf arbeitet er konsequent hin." Tschofenig führt an, diesbezüglich gelassener geworden zu sein. "Ich habe gelernt, wenn man zu ehrgeizig ist, geht es in die Hosen. Man kann sich extrem schnell verlieren in dem Ganzen. Deswegen bin ich aus dem Krampfhaften herausgekommen, alles perfekt zu machen." Der Wahlinnsbrucker sieht sich eher als Perfektionisten. "Das ist zwar eine negativ behaftete Aussage, aber eigentlich ist es etwas Positives, wenn man versucht, der Beste zu sein."
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Erlernt hat der aus Hohenthurn stammende Tschofenig sein Handwerk wie einst Karl Schnabl auf den Schanzen des SV Achomitz. Perfektioniert wurde das Flugsystem des Stams-Absolventen vom Betreuerstab um ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl, der den hochbegabten Juniorenweltmeister früh in die Nationalmannschaft holte. Tschofenig hat laut Widhölzl die stabilste Grundtechnik im gesamten Team und ein besonders ausgeprägtes Körpergefühl. "Seine Technik ist ein bisschen eigen, aber jeder hat seinen eigenen Stil. Das zu optimieren ist die große Kunst, und nicht alle in ein Bild hineinzupressen." Tschofenigs Flugstabilität erlaube es ihm, auch bei widrigen Verhältnissen zu glänzen. Das tut er seit Saisonbeginn mit den ersten drei Siegen und weiteren Podestplätzen samt eroberter Weltcupführung in bestechender Regelmäßigkeit - obwohl er im Sommer wegen einer Adduktorenverletzung zwei Sprungtrainingsmonate verpasst hat.
Durch die Tournee habe ihn auch der sprichwörtliche Flow getragen. "Ich bin sehr entspannt hineingegangen. Ich habe meine sieben Zwetschken beieinander, dann fliegt es auch." Behält er das hohe Niveau bei, werden die österreichischen Fans noch viele Jahre ihre Freude an ihm haben.