Lernfabrik für moderne Methoden
Universitätsprofessor Christian Ramsauer entwickelte die LEAD-Factory, die zeigt, wie Unternehmen ihre Produktion effizienter, agiler, nachhaltiger und digitaler gestalten können
Die industrielle Produktion ist im Wandel. Industrie 4.0, Lean Management, Energieeffizienz und maschinelles Lernen: Die digitale Transformation hält in vielen Bereichen Einzug. In großen Betrieben ist diese in der Regel schon weit fortgeschritten. "Hier gibt es gute digitale Kompetenzen. Gerade kleine und mittlere Unternehmen tun sich aber oft schwer, Konzepte dafür zu entwickeln. Es fehlt häufig an einem Konzept für eine Digitalisierungs- Road-Map", sagt Christian Ramsauer, Universitätsprofessor an der TU Graz und Vorstand des Instituts für Innovation und Industrie-Management.
Ramsauer hat an seinem Institut eine Lernfabrik entwickelt, in der KMU Kompetenzen entwickeln können. "Versucht man in echten Fabriken zu lernen, entstehen Ineffizienzen. Fabriken müssen aber möglichst produktiv sein." Erstmals Erfahrungen mit einer Lernfabrik erhielt Ramsauer, der viele Jahre in der Industrie tätig war und auch fünf Jahre bei der Beraterfirma McKinsey arbeitete, an der TU Darmstadt, wo Fertigungsprozesse nachgebaut wurden.
Die Lernfabrik in Graz heißt "LEAD Factory", in der ein handelsüblicher Scooter zusammengebaut wird. Das LEAD steht dabei für die Bereiche "Lean Production", Energieeffizienz, Agilität und Digitale Tools. "Bei der Lean Produc- tion geht es darum, dass Verschwendung vermieden und Produktionsfaktoren aus allen Unternehmensbereichen sparsam und effizient eingesetzt werden sollen", erklärt Ramsauer. Um Effizienz geht es auch im Bereich Energie. Unternehmen lernen, wie sie ihre CO2-Bilanz verbessern können. "Da sehen sie zum Beispiel, wie ein Elektro-schrauber im Vergleich zu einem Druckluftkompressor dabei hilft", sagt Ramsauer. Wichtig sei, dass kleine und mittlere Unternehmen Handlungsempfehlungen auf ihrem Weg zu Netto-Null-Emissionen erhalten.
Die Lernfabrik ist knapp 90 Quadratmeter groß. Der Fokus liegt auf der Montage der etwa 60 Einzelteile. Neben einem Zentrallager, Arbeitstischen, Bohrfräse und Mini-Galvanik gibt es auch Seminarräume, in denen Theorieinhalte vermittelt werden, die unmittelbar darauf in der Praxis erprobt werden können. "Diese Einheiten dauern jeweils 20 bis 30 Minuten", erklärt Ramsauer. Schulungen in der Lernfabrik dauern insgesamt von einem halben Tag bis zu zweieinhalb Tagen und sind für zwölf bis 16 Leute ausgelegt. "Wichtig ist, dass die Führungsetage einer Firma dabei ist. Die Chefs müssen dahinter stehen, sonst macht es wenig Sinn", sagt der Universitätsprofessor.
Das A in der LEAD-Fabrik steht für Agilität. Dabei soll gelernt werden, Schwankungen bei Aufträgen möglichst gut im Produktionsprozess auszugleichen. Das abschließende D steht schließlich für digitale Tools. "Digitalisierung per se ist nicht positiv", gibt Ramsauer zu verstehen. Es gibt Instrumente, die zur Produktivitätssteigerung führen, andere hingegen zur Verlangsamung. Es gibt Tools, die es erlauben, ältere Mitarbeiter länger in der Produktion zu halten. "Hier geht es darum, Arbeitsplätze attraktiver zu gestalten. So wird auch dem demografischen Wandel Rechnung getragen oder mit digitalen Tools das Qualitätsmanagement unterstützt", sagt Ramsauer.
Bessere Lösungen nötig
In den Kinderschuhen steckt hingegen noch das maschinelle Lernen. Dies ist derzeit stark auf den Bereich "B2C" (Business-to-Customer) fokussiert. "Im B2B (Business-to-Business) braucht es hier Software-Lösungen von noch besserer Qualität. Diese Entwicklung ist aber für unsere Wettbewerbsfähigkeit sehr wichtig, auch um dem Facharbeitermangel Einhalt zu gebieten", sagt Ramsauer.