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Diese Menschen schützen die Gläubiger

Von Ulrike Rubasch, 26. September 2020, 00:04 Uhr
Diese Menschen schützen die  Gläubiger
Das Team des AKV in Linz (v.l.): Franz Loizenbauer, Helene Schöngruber, Marion Ebner, Katarina Muric, Regina Peherstorfer, Daniel Mayer, Tanja Moser Bild: VOLKER WEIHBOLD

Auf sie kommt im nächsten Jahr eine Menge Arbeit zu: die Gläubigerschutzverbände. Sie versuchen, aus Pleiten das Beste herauszuholen.

Vier Gläubigerschutzverbände setzen sich in Österreich für die Interessen jener ein, bei denen zahlungsunfähige Unternehmen oder Privatpersonen Schulden haben. Die vier von Gesetz wegen "bevorrechteten" Gläubigerschutzverbände sind der Kreditschutzverband von 1870 (KSV), der Alpenländische Kreditorenverband (AKV), der Österreichische Verband Creditreform (ÖVC) und der Insolvenzschutzverband für Arbeitnehmer/-innen (ISA).

Österreich ist bezüglich dieser Vielfalt und Struktur ein Spezialfall in Europa. Bevorrechtete Verbände dürfen etwa Akten einsehen und haben ein Vertretungsrecht in Insolvenzverfahren. In Österreich werden aufgrund dieses effizienten Gläubigerschutzes "weltweit einzigartig hohe Quoten an Unternehmenssanierungen" erreicht, nämlich bei einem Drittel der insolventen Unternehmen, sagt Petra Wögerbauer, Standortleiterin des KSV von 1870 in Linz/OÖ, zu dem auch Salzburg gehört.

Die Vertretung der Gläubiger in Gerichtsverfahren ist die Hauptarbeit der Gläubigerschützer, skizziert der Leiter des AKV in Linz und Salzburg, Franz Loizenbauer, die Aktivitäten dieser privaten Verbände. Dazu zählen Tagsatzungen (Verhandlungen) und die Teilnahme an Gläubigerausschusssitzungen in großen Insolvenzverfahren. Hier haben die Gläubiger eine starke Rechtsstellung etwa beim Verkauf von Pleitefirmen.

Ein weiteres Tätigkeitsfeld sind die Bonitätsauskünfte, wenn Informationen über Firmen oder Private und über deren Zahlungsfähigkeit weitergegeben werden. Creditreform und KSV betreiben eine eigene Auskunftei, wofür sie selbst recherchieren. Der dritte Geschäftsbereich sind Inkassotätigkeiten, also das Eintreiben von offenen Schulden.

Die Digitalisierung macht auch vor den Gläubigerschützern nicht halt: Als erstes Insolvenzgericht in Österreich hat das LG Linz bereits ab 17. April die Tagsatzungen per Videokonferenz mittels Zoom abgehalten. Jüngere Dienste, die im Zuge der Digitalisierung der Wirtschaft von wachsender Bedeutung sind, sind Marketing- oder Analyseservices. Der KSV 1870 führt eine Wirtschaftsdatenbank mit 640.000 Unternehmen und 7,5 Millionen Personendaten. Die Creditreform wirbt mit 500.000 Unternehmensdaten und 88 Millionen Datensätzen international, sagt Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer der Creditreform. "Wir betreuen Unternehmen von der Wiege bis zur Bahre", also vom Marketingservice bis zum Insolvenzverfahren.

Momentan werden durch die Corona-Hilfsmaßnahmen wie Steuerstundungen viele Unternehmenspleiten auf die lange Bank geschoben. Das dürfte, so die Gläubigerschützer, zu einer Pleitewelle ab dem Frühjahr führen. "Wenn die Hilfen auslaufen, wird sich die Spreu vom Weizen trennen", fürchtet Loizenbauer. Er erwartet bis zu 50 Prozent mehr Insolvenzen als heuer. Das wäre kein Wunder, da aktuell so wenig Firmeninsolvenzen wie noch nie eröffnet werden.

Der Insolvenzschutzverband für Arbeitnehmer

Der Insolvenzschutzverband für Arbeitnehmer (ISA) ist das gemeinsame Insolvenzbüro der Arbeiterkammern der Bundesländer und Gewerkschaften. Er vertritt Arbeitnehmer, wenn sie Mitglied von AK oder ÖGB sind, kostenlos bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche im Insolvenzverfahren und bei der Beantragung von Insolvenz-Entgelt. Von 2009 bis 2019 wurden vom ISA österreichweit 290.093 Arbeitnehmer vertreten.

In Oberösterreich ist es gelebte Praxis, dass die drei anderen Gläubigerschutzverbände sich nicht um die Gläubigerrechte von Dienstnehmern annehmen, das überlassen KSV, AKV und Creditreform dem ISA.

Der ISA ist sehr gefragt, wenn es um Insolvenzverfahren mit vielen Arbeitnehmern geht, er vertritt aber auch einzelne Dienstnehmer. Die Vertretung durch den ISA reicht von der Berechnung der offenen Forderungen (Gehalt, nicht verbrauchter Urlaub, Sonderzahlungen, eine Abfertigung nach altem Recht oder eine Kündigungsentschädigung) bis zur Anmeldung der Forderungen im Insolvenzverfahren. Wie die anderen Gläubigerschützer bemüht sich auch der ISA um außergerichtliche Einigung und arbeitet in Gläubigerausschüssen mit.

Der ISA wurde 1997 von ÖGB und Arbeiterkammern im Zuge der Konsum-Pleite gegründet und ist seit 1999 als bevorrechteter Gläubigerschutzverband tätig. Der Verband soll dazu beitragen, dass durch Insolvenzen möglichst wenig Arbeitsplätze vernichtet werden.

Creditreform

„Es sind die Verhandlungen mit dem Masseverwalter und der Einblick in die Hintergründe einer Insolvenz“, die seine Arbeit so einzigartig machten, sagt Stefan Weber vom Büro der Creditreform in Linz. Er ist als Jurist seit acht Jahren im Team, das aus gut zehn Köpfen besteht.
Als Letzter im Bunde der Gläubigerschutzverbände erhielt die Creditreform im Jahr 2006 den Status eines bevorrechteten Gläubigerschutzverbands in Österreich. Und das, obwohl die Creditreform bereits 1879 in Mainz (seit 1889 in Österreich) gegründet wurde. Österreichweit ist der Verband mit acht Büros vertreten, eines davon eben in Linz.

Stefan Weber Bild: (Privat)

Was unterscheidet die Creditreform von KSV und AKV? Es ist die internationale Ausrichtung, sagt Weber. Durch die Präsenz in 23 Ländern biete man vor allem international tätigen Kunden gute internationale Services.

„Oberösterreich ist als starkes Exportland sehr an die deutsche Wirtschaft angebunden. Wir vertreten viele deutsche Gläubiger in heimischen Insolvenzverfahren“, erklärt Weber die relativ starke Marktposition der Creditreform in Oberösterreich. Er erinnert sich auch an die Pleite der Fill Metallbau in Ried im Innkreis 2018, im Zuge derer er als Gläubigerschützer unzählige Verhandlungen mit dem Masseverwalter führte. Im Sanierungsverfahren hatten höhere Verluste und eine nicht ausreichende Auslastung dazu geführt, dass das ursprüngliche Fortführungskonzept nicht erfüllt werden konnte – ein zweiter Gang zum Insolvenzgericht ein halbes Jahr später war unvermeidlich. Etliche Gläubiger kamen, erinnert sich Weber, aus dem Ausland, was die Sache nicht erleichterte, aber eben auch interessanter machte. „Teilweise war das sehr dramatisch, weil die Gläubiger eher uneinsichtig waren und sogar mutmaßten, wir würden mit dem Unternehmen unter einer Decke stecken“, schildert Weber seinen, wie er sagt, bisher spannendsten Fall.

Ausgleich zu den beruflichen Herausforderungen findet der Vater zweier kleiner Kinder im Alter von fünf und acht Jahren, der in Linz-Urfahr wohnt, unter anderem beim Serien-Schauen. Derzeit entspannt er sich am liebsten beim David-Hasselhoff-Klassiker „Baywatch“.

AKV

„Seit 31 Jahren mache ich das jetzt, aber so etwas gab es noch nie“, kann der Geschäftsstellenleiter des Alpenländischen Kreditorenverbandes AKV in Linz, Franz Loizenbauer, das Corona-Tief bei den Firmenpleiten kaum fassen. Obwohl ganze Branchen wie der Tourismus und die Gastronomie darniederliegen, spiegelt sich das (noch) nicht in den Insolvenzstatistiken wider.

Der Gunskirchner Loizenbauer weiß als „Urgestein“ der Gläubigerschutzszene in Österreich jedoch, dass auf ihn und sein achtköpfiges Team bald eine außerordentliche Menge Arbeit zukommen wird.

Franz Loizenbauer Bild: (Weihbold)

Der sportliche Jurist ist für die Region Oberösterreich und Salzburg zuständig, hier vertritt er die Gläubigerinteressen seiner Kunden. Auf die Frage, was eigentlich für einen Gläubigerschützer „Erfolg“ bedeute, antwortet er: „Erfolg bedeutet für uns, dass die Gläubiger möglichst viel von dem bekommen, was ihnen zusteht.“ Dass das nie 100 Prozent sind, versteht sich von selbst, jedoch alles über der gesetzlichen Mindestquote von 20 Prozent der Forderungen könne man schon als Erfolg werten.

Die Quote allein sei zu wenig, um den Erfolg in einem Insolvenzverfahren zu messen, sagt Loizenbauer. Es zähle auf jeden Fall auch als Erfolg, wenn ein Unternehmen weitergeführt werden kann. In diesem Fall hätten die Gläubiger zwar einmalig Geld verloren, doch könne durch die weitere Zusammenarbeit möglicherweise einiges wiedergutgemacht werden. Ein Erfolgsmaßstab ist weiters, wie rasch die Gläubiger zu ihrem Geld kommen.

Manche Verfahren dauern sehr lange. Loizenbauers längstes Verfahren, erzählt er, ist das der Häupl Holzindustrie. Es wurde 2009 eröffnet und läuft immer noch. Ein weiterer Fall, bei dem der AKV eingebunden ist, ist das Insolvenzverfahren von TAP dayli (Schlecker), das seit 2013 beim Landesgericht Linz in Bearbeitung ist.

Wenn der Gläubigerschützer, der seit zehn Jahren auch an der JKU Insolvenzrecht unterrichtet, seinen Kopf frei bekommen will, liest er oder wandert und läuft. In den vergangenen drei Jahren hat er mit einer Gruppe Gleichgesinnter 1000 Kilometer zu Fuß zurückgelegt: Von Innsbruck nach Rom will das Wanderteam – und hat es fast geschafft, wäre da nicht Corona dazwischengekommen. So fehlt nur noch das letzte Stück von Assisi nach Rom, läppische 200 Kilometer.

 

KSV1870

Die Großinsolvenz der Imperial/Cordial des Linzer KSV1870-Teams ist der Leiterin Petra Wögerbauer noch lebhaft in Erinnerung. Mit viel Herzblut, Einsatz und Überstunden hat ihr Team binnen kurzer Zeit 7120 Gläubigerforderungen bei Gericht angemeldet. „Mit den Gläubigern haben wir während der nachfolgenden Monate viele Telefonate und Korrespondenzen, auch in französischer und italienischer Sprache, geführt. Wir konnten in allen Verfahren Sanierungspläne mit hohen Quoten verhandeln und abschließen“, nennt sie dieses Monsterverfahren als ihren größten persönlichen Erfolg.

Petra Wögerbauer

Das Linzer KSV1870-Insolvenzteam ist in den letzten 25 Jahren personell von drei auf aktuell neun Mitarbeiter angewachsen, bedingt vor allem durch die Einführung des Privatkonkurses im Jahr 1995. Seit damals waren neben den vier Landesgerichten (Abwicklung von Firmeninsolvenzen) auch 26 Bezirksgerichte (Abwicklung von Privatinsolvenzen) zu betreuen. Mittlerweile ist die Zahl der Bezirksgerichte durch die Gerichtszusammenlegungen auf 17 gesunken.

Österreichweit beschäftigt der KSV1870 im Insolvenzbereich rund 100 Mitarbeiter. Daneben ist die KSV1870-Gruppe mit insgesamt 350 Mitarbeitern auch als Wirtschafts- und Kreditinformationsunternehmen tätig und Marktführer in Österreich, was Handelsauskünfte anlangt. Mit der Konsumentenkreditevidenz wird auch der Bereich abgedeckt, der in Deutschland von der Schufa betreut wird: Kreditevidenz zur Sichtbarmachung privater Kreditaufnahme und Schutz vor leichtfertiger (oder betrügerischer) Kreditaufnahme.

In Oberösterreich hat das Team rund um die begeisterte Fernreisende und Bergwanderin Wögerbauer im Jahr 2019 340 eröffnete Firmeninsolvenzen und 1227 eröffnete Privatinsolvenzen abgewickelt.

Da momentan das Insolvenzaufkommen ohnehin weit unter einem Normaljahr liegt, war es heuer leichter, im Sommerurlaub tatsächlich auszuspannen, erzählt die Betriebswirtin. Diesmal ging‘s coronabedingt statt der sonst üblichen Fernreise nicht nach China, sondern in die Steiermark. „Man entdeckt, dass das Schöne so nah sein kann.“ Künftig wird zur Hälfte im Homeoffice gearbeitet, sagt Wögerbauer, die 2007 die Teamleitung des Insolvenzbereichs in Linz und seit Jahresbeginn die Regionalleitung Nord (Oberösterreich und Salzburg) übernommen hat.

 

 

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Autorin
Ulrike Rubasch
Redakteurin Wirtschaft
Ulrike Rubasch

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