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Höhere Schulden? Kein Problem!

Von Hermann Neumüller, 26. September 2020, 00:04 Uhr
Höhere Schulden? Kein Problem!
EZB-Präsidentin Christine Lagarde Bild: AFP

Die Regierungen der Eurozone sollten die lockere Geldpolitik mit umfangreichen Staatsausgaben stützen. Eine ungewöhnliche Ansage von einer Notenbank-Chefin.

Bisher hörte man von den Chefs der Europäischen Zentralbank (EZB), die Regierungen sollten ihre Staatshaushalte in Ordnung bringen und Schulden abbauen. Jetzt sagt die EZB-Präsidentin Christine Lagarde genau das Gegenteil: Die Regierungen im Euroraum sollten die lockere Geldpolitik weiterhin mit umfangreichen Staatsausgaben unterstützen. Nach der Corona-Krise solle die Erholung nach dem historischen Wirtschaftseinbruch vorangebracht werden.

Die Zuversicht in der Privatwirtschaft beruhe zu einem erheblichen Maß auf Erwartungen an staatliche Ausgaben. Eine großzügige Finanzpolitik sei entscheidend, um Arbeitsplätze zu erhalten und private Haushalte zu unterstützen, bis die konjunkturelle Erholung stärker werde, sagte Lagarde vor wenigen Tagen in einer Gastrede beim jährlichen Treffen der arabischen Zentralbank-Gouverneure.

Feindbild Inflation verschwunden

Die fehlende Inflation ist jetzt das Hauptproblem der Notenbanken. Das gilt auch für die Federal Reserve in den USA oder die Bank of Japan. Entsprechend ungewöhnliche Töne hört man daher auch von Jerome Powell, Präsident der Federal Reserve in Washington: Eine niedrige Arbeitslosenrate, anders als bisher gedacht, könne mit einer niedrigen Inflation einhergehen. Bisher hieß es, eine niedrige Arbeitslosenrate befeuere die Geldentwertung, weil Arbeitnehmer dann höhere Löhne fordern, wenn die Firmen händeringend nach Arbeitskräften suchen. Wenn die Fed das nicht mehr so sieht, dann hat sie die Möglichkeit, den Fuß länger auf dem Gas zu lassen. Das sei eine große Veränderung und ein Sprung ins Ungewisse, heißt es etwa in einem Marktkommentar von "Jupiter Asset Management".

Höhere Schulden? Kein Problem!
Fed-Chef Jerome Powell Bild: REUTERS

Die Inflationsdebatte ist durch Corona wieder voll entbrannt. Auf kurze und mittlere Sicht befindet sich die Welt in einem ausgeprägt disinflationären Umfeld. Soll heißen, von einer Inflationsgefahr ist keine Spur, eher vom Gegenteil, der Deflation. Für eine Deflation gibt es eine Reihe von Gründen, etwa geringere Produktivität oder die Globalisierung, die Arbeitskräfte weltweit miteinander konkurrieren lässt und somit das Lohnniveau generell senkt.

Dem stehen freilich auch strukturelle Faktoren gegenüber, die sehr wohl wieder Inflation entstehen lassen könnten. Beispielsweise führt die Corona-bedingte Entglobalisierung dazu, dass Länder wie China nicht mehr so leicht Deflation in die Welt exportieren können und die Unternehmen Lieferketten zum Teil renationalisieren, was auf Dauer höhere Kosten und Preise nach sich ziehen könnte. Außerdem könnten krisenbedingte Insolvenzen die Preissetzungsmacht der Überlebenden erhöhen.

In diesem Umfeld versuchen derzeit die Notenbanken, ihre Strategie den neuen Gegebenheiten anzupassen. In der EZB ist derzeit ebenfalls ein Prozess im Gange, an dessen Ende ein neues Inflationsziel stehen soll. Ein Jahr lang wolle die EZB intern und extern darüber diskutieren lassen, nach welchen Prinzipien die Geldpolitik in Europa künftig ausgerichtet sein soll, hieß es im Jänner dieses Jahres. Wie weit dieser Diskussionsprozess bereits gediehen ist, darüber wurde noch nichts verlautbart.

Die Frage ist, in welche Richtung das Inflationsziel verschoben werden soll. Viele Experten rechnen damit, dass dieses in Zukunft leicht höher ausfallen dürfte. Zwar nicht dramatisch – als unwahrscheinlich gilt zum Beispiel ein Ziel von vier Prozent, wie es der frühere IWF-Chefökonom Olivier Blanchard vorgeschlagen hat, um in Krisenzeiten mehr Spielraum bei der Geldpolitik zu haben. Erwartet wird aber, dass es leicht höher liegen wird als das bisherige mit "nahe, aber unter zwei Prozent".

Das ist nicht leicht nachvollziehbar, erreicht sie doch ihr derzeitiges seit Jahren nicht mehr, obwohl sie die Wirtschaftswelt mit Geld geradezu flutet. Anders bei der US-Notenbank Fed: Sie will ihr Inflationsziel weiter flexibilisieren. Flexible Average Inflation Targeting nennt sie das. Damit macht sie deutlich, dass sie tun wird, was nötig ist, um Vollbeschäftigung zu erreichen, auch wenn es bedeuten sollte, vorübergehend eine über dem Zielwert von zwei Prozent liegende Teuerung zuzulassen. Die Fed hat aber ohnehin ein anderes Mandat als die EZB, deren einziges Ziel die Geldwertstabilität ist. Die Fed soll auch Vollbeschäftigung sichern.

Euro weiter im Aufwärtstrend

In ihrer jüngsten Sitzung hat die EZB geldpolitisch die Füße still gehalten. Und sie tut auch nichts gegen den aufwertenden Euro. Lagarde sagte in der Pressekonferenz nach der Sitzung des EZB-Rates, man verfolge kein Wechselkursziel, aber man verfolge den Wert des Euro gegenüber dem US-Dollar sehr genau. Dies deshalb, weil dies Auswirkungen auf die Entwicklung der Preise im Euroraum haben könnte, etwa über Importpreise. Das war’s.

Mit einem Abgleiten der Preisentwicklung der Eurozone in eine Deflationsspirale rechne sie nicht – trotz der negativen Inflationsrate von minus 0,2 Prozent im August. Dieses Abgleiten sei zwar ein "Weckruf" für manche gewesen. Es handle sich aber um eine vorübergehende Erscheinung, einen Ausreißer. So habe der seit April niedrige Ölpreis die Inflation gedrückt, sagte Lagarde. Kein Grund also, mit zusätzlichen Billionen zur Krisenbewältigung zu reagieren.

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Autor
Hermann Neumüller
Redakteur Wirtschaft
Hermann Neumüller

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