Freiheit ist relativ und bloß eine Utopie
Jubel für Welser-Möst und Buhrufe für Guth bei der "Fidelio"-Premiere in Salzburg.
Die Premiere von Beethovens Befreiungsoper "Fidelio" am Dienstag im Großen Festspielhaus war ein Triumph der Wiener Philharmoniker und von Franz Welser-Möst. Seine Lesart ist radikal neu und in vielen Bereichen erhellend. So deutlich waren viele Details noch nie zu hören, und die Tempi waren darauf abgestimmt, zum Aufpassen zu zwingen. Kein Wunder, dass es nach der schon traditionell vor der letzten Szene eingeschobenen und zum Bersten spannend interpretierten "Leonoren"-Ouvertüre Nr. III den ersten lautstarken Applaus des Abends gab, und dass das Dream-Team Philharmoniker–Welser-Möst auch am Ende herzlich bejubelt wurde.
Die Arbeit des Regieteams buhte das Publikum aus – eher aus Verzweiflung als das Gesehene bewertend. Claus Guth weiß, was er tut, nur hat er diesmal einen verstörenden Blick auf die Protagonisten geworfen. Freiheit ist ein innerer Wert und bleibt doch Utopie. Florestan fühlt sich in seinem finsteren Kerker frei und kann seiner mutigen Rettung durch Leonore nichts abgewinnen. Vielmehr kam diese zu spät, um den bereits in einer ganz anderen Welt Lebenden noch zu retten. Kein Freudentaumel, sondern der Kollaps eines gebrochenen Menschen.
Das "Ich" ist ein Gefängnis
Guths Florestan ist nicht der Einzige, der seine Rettung nicht überlebt. Aber nicht nur das hat viele erschüttert, sondern auch der Umstand, dass jeglicher Realismus ausgeblendet wurde und das Gefängnis einem klassizistisch mit weißen Kassetten getäfelten Saal (Ausstattung Christian Schmidt) glich, in dem der rote Teppich und der Kronleuchter des Finalbildes das alltägliche Gefängnis, das Nicht-Ausbrechen-Können aus dem Ich, zeigten. Alle sind Gefangene – selbst Rocco ist kein Gefängniswärter, sondern ein Vertreter des Bürgertums mit Frack und Gehstock –, Fidelio als nüchtern kühl beleuchtetes (Licht: Olaf Freese) kaltblütiges Spiegelbild unserer Gesellschaft. Und das vertragen vielleicht jene, die wie Pizarro glauben, Freiheit mit Geld kaufen zu können, dann doch nicht. Verstörend aber auch der Verzicht auf Dialoge und dafür die Einblendung von Klanginstallationen (Torsten Ottersberg), die wie die Schatten von Leonore und Pizarro eine Metaebene schaffen und in die Seele der Figuren blicken lassen. Dabei ist es schon fast unwesentlich, dass das weibliche Leonoren-Double die Gefühle in die akustische Leere, aber emotionale Gestik der Gebärdensprache transformiert.
Jonas Kaufmann ist der beste Florestan unserer Tage, und er bewies das nicht nur durch seine Stimme, sondern auch durch intensives Spiel. Adrianne Pieczonka ist eine fabelhafte Leonore, die aber szenisch nicht eindeutig agierte. Tomaz Konieczny wäre ein grandioser Pizarro, der vor allem die Höhe und Stimmkraft mitbrächte, aber trotzdem an diesem Abend bedeckt blieb. Hans-Peter König war ein ordentlicher Rocco, Olga Bezsmertna und Norbert Ernst ein feines "Mazelline und Jaquino"-Paar, und Sebastian Holecek verkörperte ideal den beamteten Deus ex machina. Viele Bravos für die Sänger.
Oper: "Fidelio" von Ludwig van Beethoven, Salzburger Festspiele, Festspielhaus, 4. 8.
OÖN Bewertung:
Soeben komme ich von der ORF Übertragung zurück und es war ein grandioser Opernabend, dazu bestätige in den Leserbrief wegen der ORF Übertragung! "Fidelio" war nie so meine Lieblingsoper, weil ich dem italienischen Opern verfallen bin, jedoch hat mich der Salzburger "Fidelio" erwischt, das grandiose Orchester mit Franz Welser Möst, Sänger und Regie, mit Jonas Kaufmann hat für mich dann das Erlebnis begonnen, die Idee mit der Gebärdensprache noch mehr Emotionen auf die Bühne zu bringen ist im Schlussakt voll aufgegangen, mutig auch den Chor hinter der Bühne singen zu lassen, um der Handlung und seinen Personen den ganzen Raum zu geben und mit der gewonnen Freiheit jedoch noch den Tod zu erleiden, das darf die Oper! Fidelio als leidender Gefangener immer barfuß auf der Bühne, zeigte deutlich die Diskriminierung, was angerichtet wird, wenn Menschen unschuldig in den Gefängnissen sein müssen. Fidelio also ganz am Puls der Zeit und Chapeau vor dieser Gesamtleistung, geht sicher um die Welt!
Als das Fidelio Vorspiel zum 3. Akt vom Maestro GMD "Franz Welser Möst" dirigiert wurde, war ich wieder in die Salzburger Zeit von "Herbert von Karajan" versetzt und leider hat der ORF diese "2015 Fidelio Kultur Sternschnuppen Minuten" nicht bemerkt, sonst wäre man mit der Kamera im Orchestergraben geblieben und hätte durchgehend die Leistung des Dirigenten und dem Spiel mit dem Orchester übertragen und ich habe dann einfach die Augen geschlossen, um im Gefühl bleiben zu können! Ich musste auch daran denken, dass unser Welser Dirigent seine Eltern kurz hintereinander verloren hat, sicher hat sie ein starken Band verbunden, und ich hätte mich gefreut, hätten sie diese "Sternstunde" noch erleben dürfen! Aber wie es eben in der Kunst auch notwendig ist, kann es sein, dass gerade dieses Schicksal den Maestro noch tiefer in das Werk getragen hat und wir dadurch so berührt wurden und seine Eltern dadurch auch in meinen Gedanken anwesend waren,ja ich fühle, sie waren mit Sicherheit dabei!
Kann ich nur voll unterschreiben!
Ja, GKM, da gebe ich dir 100 % Recht! Die Kamera hätte IMMER im Orchestergraben bleiben sollen bzw. nur Großaufnahmen der Gesichter der Sänger noch dazu, aber die Inszenierung hat nur gestört! Wieder eine Oper, die man besser nur hörte und nicht sah ....
Ich kann diese Inszenierung erst dann bewerten, wenn ich sie gesehen habe! Wenn man aber das Leid und die Flüchtlinge in der Welt sieht, dann ist die Abänderung in der Inszenierung über das glückliche Ende in dieser Oper, wenn die Liebe siegt, unumgänglich! Unsere Zeit braucht wieder Lichtpunkte und Hoffnung und diesen gibt "Friedelio" und das schreibe ich absichtlich so, weil wir müssen uns nicht wegen jeder Kleinigkeit aufregen, wenn die Korrektur der OÖN auch einmal einen Fehler übersieht! Ich habe gelernt, die Fehler der Menschen mit "Contenance" anzunehmen und großzügig hinwegsehen und das macht glücklich! Lasst Euch anstecken!
@GunterKoeberl-Marthyn: Vom Gunter kann man Gelassenheit und Lebensweisheit lernen.
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Was für ein grosser Verlust, dass die O.Ö. Nachrichten ihre (einstmaligen) Stammposter nicht mehr einbinden, sie würden einiges zum Glück des Landes beitragen!
Mich überrascht, dass der geniale Welser Möst hier mitzieht - beim fix ausgemachten Da-Ponte-Zyklus konnte er ja "die Anstrengung den Schauspielern und Sängern nicht zumuten".
Die zu einem Kasperltheater - Pantomime - verhunzte Beethoven-Oper konnte er den besten Sängern und Musikern der Gegenwart schon zumuten? Und die haben da mitgespielt?
Ach wärst Du doch im Cleveland geblieben, kann ich da nur sagen.
Liebe Kulturredaktion!
Marzelline wird mit "r" geschrieben.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Kuchta
Von W (russ) ist nichts anderes zu erwarten.