Die seltsamen Träume von der perfekten Sprache
Leserinnen und Leser, die eine Alternative zu publikumsfreundlicher Erzählliteratur suchen, sind mit dem neuen Buch von Clemens J. Setz bestens beraten.
Der aus Graz gebürtige Autor, ohnedies ein Spezialist für literarische Wege abseits des Mainstreams, lässt uns an seinen Sprachreflexionen teilnehmen. Genauer gesagt, er dringt weit vor in die seltsame Welt sogenannter "Plansprachen".
Das sind Sprachen, die nicht auf die übliche Weise entstehen, sondern konstruiert werden. Die bekannteste, aber bei weitem nicht die einzige ist das Esperanto. Meistens haben diese Sprachen einen Schöpfer, den ein ehrgeiziges Anliegen treibt. In einem Fall ist es die (aussichtslose) Hoffnung, Missverständnisse und Mehrdeutigkeit zu beseitigen, im anderen geht es um nichts Geringeres als den Weltfrieden.
Ludwik Zamenhof, der Erfinder des Esperanto, wollte eine internationale Verkehrssprache schaffen, die niemandem gehört und der niemand angehören muss, außer durch die eigene Entscheidung, sie zu lernen. Sprachschöpfer wie Zamenhof bezeichnet Clemens J. Setz als "Programmierer". Sie stellen ein Zeichensystem zur Verfügung, laden die Menschheit zum Gebrauch ein und haben auch kein Problem damit, wenn ihre Schöpfung weiterentwickelt und modifiziert wird.
Fundamentalistische "Päpste"
Die andere Gruppe der Spracherfinder sind die fundamentalistischen "Päpste", die penibel darauf achten, dass ihr System unverändert bleibt, und meistens schwer erschüttert sind, wenn es in Kommunikationsprozessen zu unvermeidlichen Modifikationen kommt. Einer von ihnen ist Johann Martin Schleyer, der eine Kunstsprache namens Volapük erfunden hat. Ein anderer ist Charles Bliss, der Erfinder von "Blissymbolics". Besondere Aufmerksamkeit widmet Clemens J. Setz den poetischen Texten, die in Plansprachen geschrieben worden sind, und berichtet von den Biografien ihrer Verfasser. So entwickelt er eine unsystematische Poetologie der Plansprachen und berührt dabei verwandte Themenfelder, unter anderem Probleme der Übersetzung, die Art Brut sowie die Sprachkrise, die gleichzeitig Lebenskrise ist. Setz kennt das auch aus eigener Erfahrung.
Welcher Textsorte man "Die Bienen und das Unsichtbare" zuordnen soll, muss offenbleiben. Das Buch enthält viele Informationen, ist aber kein Sachbuch. Es enthält auch viele erzählerische Abschnitte, ist aber trotzdem keine Erzählung. Clemens J. Setz hat eine individuelle, für ihn brauchbare Darstellungsform gefunden, und damit überzeugt er uns wieder einmal.
Clemens J. Setz: "Die Bienen und das Unsichtbare", Suhrkamp, 410 Seiten, 24,70 Euro
OÖN Bewertung:
Heute Abend: "Die Bienen und das Unsichtbare", Lesung mit Clemens J. Setz, Posthof Linz, Beginn: 20 Uhr