Heiß auf Eis: Rendezvous mit der Kältekammer
"Mister Mörtel" Richard Lugner tat es. Meinungsforschungslegende Helene Karmasin schwört darauf. Immer mehr gehen in die Kältekammer und das nicht (nur) aus therapeutischen Gründen. Denn das eisig-kurze Luftbad bei minus 110 Grad Celsius ist nicht mehr nur aus medizinischer Sicht, etwa als Antischmerzmittel bei Rheuma, gefragt.
Immer öfter wird auch auf einen "Anti-Aging-Effekt" gehofft, der durch den Kältereiz der Ganzkörper-Kryotherapie einsetzen soll. Die trockene Eisbärluft aktiviert den gesamten Stoffwechsel und löst bei manchen regelrechte Euphoriegefühle aus, wenn das Kältebad überstanden ist.
Nachher fröhlicher?
Im Selbstversuch (siehe Kasten) war für die Autorin nichts davon zu bemerken. Der Fröhlichkeitspegel war nachher nicht anders als vorher.
Dem Trend zur Kältekammer trägt auch der Mikronährstoffe-Hersteller Biogena Rechnung. In sogenannten "Biogena Plaza"-Standorten gehören Kältekammern zum Standardprogramm. "Natürlich gehe ich selbst regelmäßig in die Kältesauna", sagt Albert Schmidbauer, der Gründer und geschäftsführende Gesellschafter des 2006 gegründeten Unternehmens mit Sitz in Salzburg, 400 Mitarbeitern, Produktion in Österreich und einem Umsatz von heuer rund 80 Millionen Euro. Ein Biogena Plaza befindet sich neben der Staatsoper in Wien. Anfang November hat heimlich, still und leise auch in Linz so ein Standort in der Schillerstraße eröffnet. Dort füllt man einen Fragebogen mit Ausschlussgründen aus, etwa Gefäßerkrankungen.
Drei Minuten Kältespaß
Dann geht es mit Patschen, Socken, Handschuhen, Haube und Mundschutz drei Minuten in die Kälte. Stillstehen ist unerwünscht. Beim Zappeln hilft fetzige Musik. Durchs Fenster ermuntert eine Mitarbeiterin, die die geschafften Minuten anzeigt. 39 Euro kostet der Kältespaß, wenn man fünf Einzelanwendungen bucht. Bei Monatsabos wird’s je nach Laufzeit billiger.
Achtung, Kontraindikationen
"Bei uns gibt es Kältekammer nur mit ärztlicher Verordnung", sagt Maria Holzmann, die ärztliche Leiterin des Lebensquell Bad Zell, das zugleich Wellnesshotel und Kuranstalt ist. Dort wird die Kältekammer seit 2005 therapeutisch etwa bei Rheuma und Arthrose angewandt. Die Kryotherapie nehmen auch Sportler in Anspruch. Schnuppern, etwa von Gesundheitsgästen, ist erlaubt. Auch die haben die Kosten einer Einzelanwendung von 20,70 Euro zu berappen. Kältekammern sind auch bei Gesundheitshotels der Vivea-Gruppe von Engelbert Künig in ganz Österreich zu je 22 Euro Standard. In Bad Traunstein im Waldviertel grüßt ein Plastik-Pinguin die Eintretenden. Die durchschreiten zwei Vorkammern, bis sie zu minus 110 Grad Celsius vordringen.
Bei Biogena ist man alleine mit einem Hauch Beengtheitsgefühl. In Bad Zell und bei Vivea geht es beim Rendezvous mit der Kälte geselliger zu. Bis zu fünf Personen nimmt die jeweilige Kammer auf, in der man fröhlich zu Musik im Kreis stapft. Alle 30 Sekunden wechselt man (zumindest beim Selbstversuch in Bad Traunstein) die Richtung. Erstaunlich für die Autorin: Der Blutdruck, sonst im oberen Wert knapp über 100, schnellte bei der Messung nachher auf 160 hinauf. Vielleicht hilft das beim Anti-Aging?
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