Künstliche Intelligenz: langer Weg, bis sich Mensch und Maschine finden
Mit dem schneller werdenden digitalen Wandel stellen sich immer mehr Fragen nach Ethik und sozialer Kompetenz von intelligenten Algorithmen.
Alles wird digital – so scheint es. Der technologische Fortschritt lässt sich nicht aufhalten, die Richtung steht allerdings noch nicht ganz fest. "Was ist zu beachten, damit die digitale Revolution dem Wohl der Menschen dient?", lautete dann auch die Frage, die der Rat für Forschung und Technologieentwicklung stellte. Antworten mit Blick auf die gesellschaftlichen Herausforderungen finden sich im kürzlich vorgestellten Buch "Digitaler Wandel und Ethik". Es enthält 17 Beiträge von insgesamt 27 renommierten Autorinnen und Autoren.
Wenn beispielsweise anhand von Nutzer-Verhaltensdaten im Netz trainierte Algorithmen nicht nur dafür eingesetzt werden, welches Produkt im Internet als nächstes angeboten wird, sondern etwa auch an der Vorauswahl an Jobangeboten, Partnervorschlägen, Nachrichten oder medizinischen Behandlungsoptionen beteiligt sind, wird ihr potenzielles Einwirken in die Gesellschaft greifbar. "Noch bildet sich die schwelende Diskussion über all das in Österreich nicht unbedingt in der Mitte der Gesellschaft ab", sagt Markus Hengstschläger, ehemaliger stellvertretender Vorsitzender des Rats für Forschung und Technologieentwicklung (RFT) und Herausgeber des Buches.
Extremismus durch KI
Noch bis vor wenigen Jahren wurde die "Digitalisierung in sehr rosafarbenem Licht" gesehen, konstatiert Mitautor Alexander Bogner vom Institut für Technikfolgenabschätzung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Nun werde auch zunehmend klar, wie das Phänomen auch die Demokratie unter Druck setze. So beförderten bekanntermaßen Social-Media-Kanäle mitunter die Meinungsverinselung, was gehörige Schärfe in vielfach "unmoderierte Debatten" und eine Tendenz zur Stärkung der gesellschaftspolitischen Ränder bringe.
Philosophin Anne Siegetsleitner von der Universität Innsbruck fokussierte auf "eine gewisse Neigung von Menschen, Verantwortung an zu sehr vermenschlichte KI-Systeme abzugeben". Klar sei: "Die Verantwortung des Menschen wird nicht weniger, sondern mehr."
Ob KI-Systeme zum Nutzen oder Schaden der Gesellschaft eingesetzt werden, liege vor allem auch daran, wie gut sie gemacht sind und zu welchem Zweck sie eingesetzt werden, erklärte Sepp Hochreiter, KI-Pionier von der Universität Linz. "Forscher müssen sagen, was ein Algorithmus kann und nicht kann", denn vielfach wüssten Menschen gar nicht, was KI eigentlich ist. "Wir brauchen hier auch mehr Leute, die sich auskennen", sagte der Linzer Informatiker, der wie auch Hengstschläger die geplante neue Technische Uni (TU) in Linz mit Fokus auf Digitalisierung grundsätzlich positiv beurteilte. Das Projekt sei jedoch noch nicht ausgegoren, viele Fragen seien noch offen.
Digitale Brüder und Schwestern
Während der kürzlich zu Ende gegangenen Alpbacher Technologiegespräche plädierte JKU-Informatikprofessorin Gabriele Kotsis dafür, mehr Augenmerk darauf zu richten, wo die jeweiligen Stärken von Mensch und Maschine liegen. Beispielsweise lasse sich die menschliche Neugierde bisher keineswegs in KI-Systemen entdecken. Die Präsidentin der "Association for Computing Machinery" gefällt die Idee von sich ergänzenden Mensch-Maschine-Teams, die voneinander lernen und sich unterstützen. Im Forschungsbereich "Human Machine Teaming" arbeite man an Ansätzen, die in Richtung einer "digitalen Schwester gehen", sagt Kotsis.
"Digitaler Wandel und Ethik", Ecowin, 444 S., 28 Euro