Philosoph Rudolf Burger ist tot
WIEN. Der Wiener Philosoph Rudolf Burger ist am Montag im Alter von 82 Jahren in einem Wiener Spital verstorben.
Er war einer jener streitbaren Intellektuellen, die ohne Scheu vor Gegenwind ihre Positionen bezogen - meist abseits des Mainstreams und in der Gewissheit, von einem soliden Fundament heraus argumentieren zu können. Als Professor für Philosophie und Rektor der Angewandten prägte er zahlreiche Debatten in Österreich mit. Heute wurde bekannt, dass Rudolf Burger gestern, Montag, im Alter von 82 Jahre gestorben ist.
"Österreich hat damit eine der klügsten Stimmen im politischen Diskurs verloren", sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Burger habe auch die universitäre Welt in Österreich geprägt. Burger sei "viel mehr als Professor und Rektor" gewesen, betonte Gerald Bast, Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien, "er war vor allem ein streitbarer Intellektueller, der mit seinen Äußerungen oft irritierte".
Burger wurde am 8. Dezember 1938 in Wien geboren. Er studierte Physik an der Technischen Universität Wien und arbeitete anschließend als Assistent am Institut für angewandte Physik sowie am Ludwig-Boltzmann-Institut für Festkörperphysik und im Bereich der Forschungsplanung am Battelle-Institut in Frankfurt/Main. Ende der sechziger Jahre war Burger außerdem im Planungsstab des deutschen Wissenschaftsministeriums in Bonn tätig.
Von 1973 bis 1990 leitete er die Abteilung für sozial- und geisteswissenschaftliche Forschung im Wissenschaftsministerium in Wien. 1979 habilitierte sich Burger für Wissenschaftssoziologie. 1987 kam er als Professor an die Hochschule für angewandte Kunst in Wien, wo er 1991 Vorstand der Lehrkanzel für Philosophie wurde. Von 1995 bis 1999 fungierte Burger als Rektor der "Angewandten", seine Antrittsrede stellte er unter den Titel "Kultur ist keine Kunst".
2000 erhielt der Philosoph den Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik. 2007 emeritierte Burger an der mittlerweile zur Universität gewordenen "Angewandten". Die akademische Abschiedsfeier wurde mit einem Symposium zum Thema "Von der Unabhängigkeit des Denkens" verbunden.
Heftige Reaktionen löste er etwa 1992 mit einem Gastkommentar im Nachrichtenmagazin "profil" aus, in dem er gegen die "kriegsgeile" Haltung der österreichischen Außenpolitik im Balkankonflikt Stellung bezog. Wenig später hielt er es am vernünftigsten, die Konflikte innerhalb des ehemaligen Jugoslawiens "ausbluten zu lassen". Auf dem Höhepunkt der Proteste gegen Schwarz-Blau publizierte Burger in der "Europäischen Rundschau" 2001 dann sein "Plädoyer für das Vergessen", mit dem er die "Irrtümer der Gedenkpolitik" in Form eines Essays darlegte.
Aus aktuellen Diskussionen hielt der Wiener sich in den vergangenen Jahren allerdings weitgehend heraus. Weil ihn die Tagespolitik "in meinem Alter nicht mehr wirklich interessiert", sagte er der APA zu seinem 75. Geburtstag. Publikationsmüde wurde Burger allerdings nicht. 2019 erschienen im Sonderzahl Verlag die beiden Bände "Die angewandte Kunst des Denkens. Von, für und gegen Rudolf Burger" und "Multikulturalismus, Migration und Flüchtlingskrise". Bei diesen Themen hatte Burger besonders gerne angeeckt, mit Kommentaren zu "sogenannten Zivilgesellschaft" ("Diejenigen, die am 15. März 1938 am Heldenplatz gejubelt haben, waren auch die Zivilgesellschaft..."), zum bedrohlichen und "nicht modernisierungsfähigen" Islam oder zur Flüchtlings-"Flutwelle": "Seit den Türkenkriegen hat Europa eine solche Invasion aus muslimischen Ländern nicht mehr erlebt, mit dem Umstand freilich, dass diesmal von einem europäischen Widerstand keine Rede sein kann."
Konsens um jeden Preis war Burgers Sache nicht: "Solange Menschen existieren, die den Namen Menschen verdienen, das heißt solange sie moralische Wesen sind, werden sie in konkreten Lagen darüber streiten, was gut ist und was böse, und sie werden, wenn sie es ernst meinen, für ihre moralischen Überzeugungen auch kämpfen."
Burger habe Denken als öffentliche Aufgabe und das Ringen um das beste Argument als Pflicht verstanden, sagte Van der Bellen. "Er scheute keine Auseinandersetzung und war auch selbstkritisch um geistige Integrität bemüht. Für ihn, den nimmermüden Kopf-Arbeiter war auch die Provokation eine Kunst des Denkens - und er hat sie beherrscht wie wenige."
Die Schärfe seiner Worte hätten auch das Potenzial zur Selbstverletzung gehabt, meinte Bast. "Burger wirkte in seiner Schärfe oft apodiktisch." Aber nur wenige seiner Kritiker wären - wie er selbst - bereit, die Prinzipien des Skeptizismus auch für sich selbst gelten zu lassen, ergänzte der Rektor. "Er hat es sich selbst und seinen Mitmenschen nicht immer leicht gemacht. 'Aber das ist auch nicht meine Aufgabe!', hätte Rudolf Burger darauf gesagt."