Wenn Muskeln nicht mehr mitspielen: Genersatz?
Noch nie gab es für Patienten mit Duchenne-Muskeldystrophie so viel Hoffnung, dass die Erkrankung bald behandelt werden kann.
Die Krankheit ist tückisch: Bereits im frühen Kindesalter führt ein Gendefekt dazu, dass bei Betroffenen der Duchenne-Muskeldystrophie die Kraft der Muskeln nachlässt. Univ.-Prof. Günther Bernert, Neuropädiater an der Klinik Favoriten, erklärt, was das bedeutet: "Das Gehen und Laufen wirkt, als könnten sich die Kinder nicht vom Boden lösen. Sie haben Probleme beim Aufstehen vom Boden und beim Stufensteigen." Betroffen sind von dem X-chromosomalen Defekt praktisch nur Buben – in Österreich rund 150 bis 200. Weil die Krankheit fortschreitet, brauchen die Kinder bald einen Rollstuhl. Bald sind auch Wirbelsäule, Atmung und das Herz betroffen. In der Vergangenheit stellten sich die meisten Therapie-Ideen als Sackgassen heraus.
Genetik als Schlüssel
Anlässlich des Welt-Duchenne-Tages diese Woche macht Bernert jetzt Hoffnung. Der Präsident der Österreichischen Muskelforschung stellte bei einer Pressekonferenz die wichtigsten Behandlungsansätze vor:
Gen-Ersatztherapie: Seit Ende 2020 läuft eine Phase-III-Studie, bei der ein verkürztes, gesundes Gen das defekte Gen ersetzt. Die Verkürzung ist notwendig, weil das gesamte Dystrophin-Gen zu groß ist, um es mit geeigneten Vektoren in den Körper einzuschleusen.
Forscher haben einen Mechanismus entwickelt, der beim Ablesen des genetischen Codes ansetzt: Dabei wird der Fehler überlesen, der Einfluss auf das Gehen und auch auf späte Symptome ist sehr positiv. Leider wirkt die Methode nur bei rund 12 Prozent der Duchenne-Patienten. Die Behandlung ist in der EU bereits zugelassen.
Die Wissenschaft in den USA verfolgt ein anderer Ansatz: Dort wird der genetische Fehler sozusagen "weggekürzt". Statt des beschädigten Proteins kommt ein verändertes aber funktionstüchtiges Eiweiß zum Einsatz.
Eine andere Methode setzt dort an, wo der zerfallende Muskel sich in Bindegewebe umwandelt. Dazu laufen in den USA und in der EU gerade zwei Studien.
Forscher versuchen auch Blockaden bei Wachstumsfaktoren im Körper aufzuheben, damit neue Muskeln entstehen können.
Standard in der Behandlung ist der Einsatz von Cortison. Hier sucht man Ersatzstoffe, die weniger Nebenwirkungen haben. (dh)
Unterstützung und Infos für Betroffene gibt es bei der Selbsthilfegruppe verein-marathon.at