Von Linz nach Linz
Wer in Linz in den Zug steigt und diesen knapp 700 Kilometer später wieder verlässt, ist erneut in Linz. Vor den Toren der Stadt fließt nicht die Donau, sondern der Rhein, es gibt keine Hochhäuser, dafür jede Menge Fachwerkbauten.
"Nächste Station Linz". Das Ziel klingt vertraut, der erste Schritt auf dem Bahnsteig ist es bereits nicht mehr. Zwei Gleise, das war es auch schon. Mehr gibt es nicht, mehr braucht es nicht, Linz am Rhein zählt gerade einmal 6400 Einwohner. Mit ihrer Namensvetterin an der Donau verbindet die Stadt mehr als bloß der Name. Seit 1920 gibt es eine Städte-Partnerschaft, besiegelt damals von den Feuerwehren, 1987 dann von offizieller Seite erneuert, wie eine Urkunde im Zimmer des Bürgermeisters bescheinigt. Doch nicht nur im Rathaus stößt man auf die Verbindung. Ein Schild in Rhein-Nähe wähnt das heimatliche Linz 690 Kilometer entfernt, die Grünfläche vor den Toren der Altstadt trägt den Namen "Donaupark Linz", und auch eine Gasse "Auf der Donau" gibt es. Vertraute Namen in der Fremde.
Lincese, so hieß Linz bei seiner ersten urkundlichen Erwähnung, die aus dem Jahr 874 datiert. Ab dem Mittelalter umgab Linz eine Stadtmauer, vier Tore gewährten Händlern, Handwerkern und Schiffern damals Einlass. Heute sind es zwei, und sie stehen allen offen. Das Rheintor ist seit jeher die Haustür zur Stadt, und wer sie betritt, macht sogleich Bekanntschaft mit einem Ur-Linzer. Dem "Strünzer" begegnet man hier als Brunnenfigur, aber auch Gaststätten tragen seinen Namen, ebenso der Linzer Stadtwein. Der Strünzer soll zu Übertreibungen geneigt haben, eine Eigenschaft, die auch den Linzern nachgesagt wird.
Keine Übertreibung ist es, die Altstadt als malerisch zu beschreiben. Ihre Größe überrascht. Wer das Rheintor von 1329 durchquert, steht auf dem Burgplatz, die Straße steigt an zum Marktplatz mit dem ältesten Rathaus von Rheinland-Pfalz (1517) als Blickfang. Noch weiter oben folgt ein weiterer Platz, der Buttermarkt. Bis in die 30er Jahre haben Landfrauen Butter und Eier an die Linzer verkauft. Fachwerkhäuser aus fünf Jahrhunderten prägen das Bild, keines gleicht dem anderen. Das jüngste wurde 1982 erbaut, komplett aus Holz, kommt es gänzlich ohne Eisennägel aus. Das schmalste Fachwerkhaus besteht aus gerade einmal zwei Wänden und misst in der Breite keine drei Meter. Dass eine Familie Schmal darin wohnt, ist kaum zu glauben, auch, weil sich die Linzer mitunter gerne einen Spaß erlauben. Etwa mit den Sprüchen zwischen den Holzbalken, die den Betrachter in die Irre führen, weil sie etwa erst dann Sinn ergeben, wenn man sie um die Ecke oder von oben nach unten liest.
Noch älter als das Rathaus ist die St.-Martins-Kirche (1214), eine dreischiffige Basilika mit gotischen Fenstern auf der einen und romanischen auf der anderen Seite, spätromantischen Wandmalereien und einem dreiteiligen Marien-Altarbild von 1463. Gottesdienste werden in diesem kunsthistorischen Juwel keine mehr abgehalten, dafür müssen die Katholiken in eine andere Kirche. Der Kontrast könnte größer nicht sein. Die Kirche aus Beton, einem Bunker ähnelnd und Ende der 60er Jahre erbaut, erhitzt bis heute die Gemüter. Abreißen oder sanieren, das wird derzeit heftig diskutiert.
Bienenstich und Folterkammer
Schloss hat Linz keines, aber eine Burg. Sie thront nicht auf einem Bergkamm, wie in der Gegend üblich, sondern ist Teil der Altstadt. Unerschrockene können sich in der dortigen mittelalterlichen Folterkammer gruseln. Auch Brücken sucht man in Linz vergebens, überhaupt gibt es in der gesamten Region nur wenige. Stattdessen queren Autofähren den großen Fluss – in Linz im Viertelstunden-Takt von frühmorgens bis nachts, gekreuzt wird auch bei Niedrigwasser. Auf der anderen Seite, in Remagen, gab es einst eine Brücke, die in den beiden Weltkriegen eine wichtige Rolle spielte. Die Wehrmacht versuchte sie 1945 zu sprengen, das Vorhaben misslang. Stattdessen konnten die US-Alliierten ihrerseits den Rhein überqueren und die Brücke einnehmen. Stoff, aus dem Hollywood-Filme gemacht sind, im konkreten Fall entstand daraus "Die Brücke von Remagen". Die echte Brücke ist noch im März 1945 eingestürzt – wegen Überlastung. Ihre wuchtigen Brückentürme haben hingegen ausgehalten, sind heute denkmalgeschützt und werden als Friedensmuseum, für Theater- und Konzertveranstaltungen genützt.
Zwei Kilometer entfernt, in der Altstadt, genießen derweil die Menschen die Herbstsonne. Man sitzt in einem der zahlreichen Cafés und Gasthäuser im Freien, isst Zwiebelkuchen oder erfreut sich an einem gänzlich schmerzfreien Bienenstich. Die Mehlspeise ist das Pendant zur Linzer Torte, eine Linzer Erfindung. Die hohe Gastronomie-Dichte ist auffällig und wohl den vielen Tagesgästen geschuldet. Sie entsteigen den Ausflugsschiffen und Bussen, lassen sich durch die Altstadt treiben. Auch Shoppingmöglichkeiten finden sich zuhauf, ganz ohne die üblichen Modeketten, dafür mit viel Lokalkolorit. Da macht es auch nichts, dass die Schaufenster manchmal etwas aus der Zeit gefallen wirken. Dem Namen als "bunte Stadt am Rhein" macht Linz jedenfalls alle Ehre.
Besonders bunt treiben es die zehn Karnevalsgarden seit jeher in der fünften Jahreszeit. "A laaf" schreien die Kostümierten hier aus vollem Hals und setzen beim "Stippeföttche" zum Rathaussturm an, einer Art Tanz, bei dem beim "Wibbeln" die Hintern aneinander gerieben werden. Der Name kommt vom hervorstehenden (hervorstippen) Hintern (Föttche). Kölsch und Wein fließen dann in Mengen.
Die Stadt ist umgeben von Weinbergen. Ihre Lage am Mittelrhein und gegenüber der Ahr, beides bedeutende Weinbaugegenden in Rheinland-Pfalz, hat sich Benjamin Häfner zunutze gemacht. Er verkauft nur Weine von hier – online. "Der Fokus auf die Region war mir wichtig. Ich bewerte nicht, sondern verschaffe einen Überblick über die Vielfalt, die es hier gibt." 200 Weine hat er im Sortiment – Qualitäts- und Prädikatsweine, aber auch Winzersekte. Er verkauft sie mittlerweile in ganz Mitteleuropa, berät auch, und wer mag, kann sich in seiner kleinen Vinothek in Linz bei einer individuellen Weinprobe durch die Trauben-Vielfalt kosten. "Der Riesling ist natürlich auch bei uns der Klassiker, im Vergleich zum Mosel-Riesling aber etwas milder", sagt er. Während an den Hängen des Rheins die weißen Rebsorten dominieren, sind es an der Ahr die roten (Früh- und Spätburgunder, Regent, Portugieser, Schwarzriesling). Auch Bioweine sind mittlerweile ein Thema. "Vor allem die junge Garde an Winzern rückt nach, mit neuen, innovativen Ideen", sagt Häfner.
Manche mögen’s bunt
Bunt liebt es auch Roman Runkel, manche würden ihn als bunten Hund bezeichnen, und das nicht nur wegen seiner extravaganten Augengläser. Der Gastronom ist Herr über ein 9500 Quadratmeter großes Brauerei-Gelände vor den Toren von Linz im Kasbachtal. Bier wird hier seit Jahren nicht mehr gebraut, Bier getrunken sehr wohl, Braunbier und naturtrübes Kellerbier etwa. Wer die Bierschenke der "Alten Brauerei" betritt, ist jedoch zunächst mit Schauen beschäftigt. Brenzn, Bierkrüge, Bierfässer bis hin zu einem alten Motorrad hängen von der Decke, dazu Hunderte kleine Dekostücke. Es ist das Werk von Roman Runkel. Er sei ein Nostalgiker, sagt er, und dazu ein leidenschaftlicher Sammler.
Vor 30 Jahren begann er Melitta-Kaffeefilter und -Kaffeedosen zu sammeln, später kamen Emailleschilder dazu, alles Originalstücke. Heute besitzt er mindestens 800. Es sind so viele, dass sie mittlerweile sogar an den Hausmauern hängen. Da könnte man glatt das Essen vergessen. Die Speisekarte ist dem Ambiente entsprechend deftig, reicht von den Klassikern wie Schweinshaxn und Schlachtplatte bis zu Nürnberger Bratwürsten, aber auch Fleischloses wird serviert. Als Verdauungsspaziergang empfiehlt sich ein Gang durchs Gelände. Runkels Schmuckstück ist ein Nostalgieladen aus (Ur-)Omas-Zeiten. Wer will, kann mit der Kasbachtalbahn zurück nach Linz fahren. Bis an die Donau fährt sie nicht, doch das macht nichts. Noch gibt es am Rhein allerhand zu entdecken.
LInz-Umgebung
Schloss Drachenburg: Die meisten Schlösser und Burgen am Mittelrhein befinden sich in Privatbesitz, nicht aber Schloss Drachenburg. Ein Börseanalyst realisierte sich 1882 oberhalb von Königswinter seinen Traum. Ein Märchenschloss mit wunderschöner Parkanlage und herrlichem Rheinpanorama.
www.schloss-drachenburg.de
Kalter Geysir: Geysire gibt es nicht nur in Island, auch auf dem Mittelrhein. Alle zwei Stunden entlädt sich eine bis zu 60 Meter hohe Wasserfontäne in die Luft. Ein spannendes Naturschauspiel samt Schifffahrt auf dem Rhein. Im Geysir-Zentrum wird das Phänomen zudem äußerst anschaulich erklärt.
www.geysir-andernach.de
Alles Brombeer: Eigentlich ist Leutesdorf ein Weinort. Die Familie Hattenhauer hat sich vor 50 Jahren der Brombeere verschrieben. Die Früchte werden zu Wein, Likör, Gelee, Marmelade verarbeitet und können in der Brombeerschenke als Kuchen, Torte oder im Eisbecher genossen werden. Unbedingt die Brombeer-Waffeln mit Vanilleeis probieren!
www.brombeerschenke.de
Infos: Touristinfo Linz: www.linz.de; www.alte-brauerei-kasbachtal.de; www.rhein-ahr-wein.de
Mir würde schon gut gefallen, wenn wir in Linz ebenfalls eine Tafel aufstellen, und Linz/Rhein mit der Kilometerangabe beschildern - das hätte Charme!
Schade dass Frau Fitzinger einen lesenswerten Artikel ausgerechnet mit frei erfundenen Behauptungen (nette Umschreibung für Lüge) beginnt. Man kann nur von Linz/Donau nach Koblenz fahren und von dort in ein paar Minuten nach Linz/Rhein.
1. Es sind nicht "knapp 700 km" von Linz/D nach Linz/R, sondern 738 Bahnkilometer.
2. Suggeriert wird eine Direktverbindung, eine solche existiert aber nicht.
Ich hege die Vermutung, dass Frau Fitzinger ganz profan mit dem Auto gefahren ist, das wären nämlich 695 km. Und weil beide Orte einen Bahnhof haben, wird gleich eine (in dieser Form nicht existente) Bahnanreise dazu romantisiert.
Ich war 10 Jahre lang, der einzige Linzer mit Wohnsitzen in beiden Linz. Das ergibt lustige Situationen. z.B. Werden Pakete ins Burgenland geschickt, da die Postleitzahl von Linz am Rhein (so der offizielle Name) einer im Burgenland ähnelt. Die Adresse wurde von der DeutschePost geändert.
DIe Stadt Linz am Rhein ist Hauptsitz der Verbandsgemeinde Linz mit ca. 22.000 Einwohnern. Mit der Bahn erreicht man Linz mit dem ICE über Köln oder Koblenz (auch sehr Sehenswert) und mit Regionalzügen direkt nach Linz.
Leider befinden sich zwischen Rhein und der Altstadt eine stark frequentierte Bundesstrasse (die übrigens bei jedem Hochwasser gesperrt wird) und einer Bahnstrecke. Der Lärm ist im gesammten Rheintal ein ganz heißes Thema.
Übrigens, es gibt auch eine Burg direkt in der Altstadt.
Ich habe gerne dort gewohnt, genieße es aber wieder in der Heimat zu wohnen.
Danke für diesen kurzweiligen, interessanten und sehr informativen Bericht, Frau Fitzinger.
Das Städtchen scheint eine Reise wert zu sein.
Gibt es wirklich eine Direktverbindung von Linz nach Linz?
Ich finde keine Direktverbindung
Schade dass Frau Fitzinger einen lesenswerten Artikel ausgerechnet mit frei erfundenen Behauptungen (nette Umschreibung für Lüge) beginnt. Man kann nur von Linz/Donau nach Koblenz fahren und von dort in ein paar Minuten nach Linz/Rhein.
1. Es sind nicht "knapp 700 km" von Linz/D nach Linz/R, sondern 738 Bahnkilometer.
2. Suggeriert wird eine Direktverbindung, eine solche existiert aber nicht.
Ich hege die Vermutung, dass Frau Fitzinger ganz profan mit dem Auto gefahren ist, das wären nämlich 695 km. Und weil beide Orte einen Bahnhof haben, wird romantischerweise gleich eine (in dieser Form nicht existente) Bahnanreise dazu erfunden.
Ein nettes Städtchen.
Eher Dorf. Bei nur 6400 Einwohnern.
Besuchen Sie mal ein wirkliches Dorf.
Vielleicht geht Ihnen dann ein Licht auf. 🗺️
Ich habe mal in zwei Orten gewohnt, die ähnlich groß waren, Utting und Schondorf. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, diese als Städtchen zu bezeichnen.
Nun ja, ich finde, dass man einen Ort mit mehr als 6.000 Einwohnern nicht als Dorf bezeichnen kann.
Ist aber nicht wirklich relevant. Wichtig ist das Gefühl für die Stadt/den Ort.
Und Linz am Rhein scheint ein recht malerischer Ort zu sein.
Wie die ganze Gegend im Übrigen auch.
👍
@MGAECKLER
Nur zur Info: Rohrbach hat etwas über 5000 Einwohner und kein halbwegs gebildeter Mensch würde da über ein Dorf faseln.
Wie gesagt ein halbwegs Gebildeter.
Gemeinde und Ort sind zwei Paar Schuhe.
Rohrbach hat knapp 2.500 Einwohner. Ein Dorf ist es dennoch nicht.