Eine Tenne gegen den Trend
In Schlüßlberg gestaltete das Linzer Büro MUH (Moser und Hager Architekten) ein historisches Bauernhaus zum qualitätsvollen Mehrgenerationenhaus.
Das Verhältnis österreichischer Architekten zum ländlichen Bauen ist seit dem Beginn der Moderne kompliziert und widersprüchlich. Bereits um 1900 wurde das Bauernhaus zu einer Quelle der Inspiration und stand nicht in Widerspruch zur angestrebten Modernität eines Josef Hoffmann oder Adolf Loos. Man erkannte die Verbindung von Tradition und selbstverständlicher Zweckmäßigkeit sowie die positive, fast symbiotische Beziehung zu Ortsbild und Landschaft. Fährt oder wandert man heute durch die Neubaugebiete vieler Dörfer, so macht sich architektonisch schnell Ernüchterung breit. Zeitgenössische "Landhäuser" wachsen – meist ungebremst – aus dem knapp werdenden Boden. Sie wirken beliebig und stammen häufig aus dem Katalog. Weder ein attraktives Ortsbild noch ein Bezug zur Landschaft scheinen der Mühe wert zu sein.
Wider die Verhüttelung
Gegen diese negativen Tendenzen stellen sich immer wieder einzelne Büros, die für das Bauen auf dem Land individuelle Lösungen entwickeln und einen bewussten Bezug zum Bestehenden suchen.
Dass dies den Orten und der Landschaft guttut, muss kaum betont werden. Zu den Büros mit einer besonderen Expertise in der Wiederbelebung bäuerlicher Bauten gehört MUH (Anna Moser und Michael Hager) aus Linz. Ihr 2020 abgeschlossenes Projekt "Tenne Unternberg" ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Ein lang gestrecktes Bauernhaus wurde seit Mitte der 1960er-Jahre von den Besitzern als kleiner landwirtschaftlicher Betrieb mit angeschlossener Gastwirtschaft geführt. Da sich die Nutzung änderte, wurde in einer ersten Bauphase das historische Hofhaus renoviert und zum Wohnhaus für die Elterngeneration.
MUH arbeiteten dabei die im Gebäude schlummernden Qualitäten heraus und machten sie sichtbar. Komplexer gestaltete sich die Adaption der alten, auf der Westseite des Hofhauses baulich anschließenden Tenne für die Wohnzwecke der nächsten Generation. Auf der fast quadratischen Grundfläche der Tenne schufen MUH ein kompaktes Raumgefüge mit unterschiedlichen Qualitäten und Atmosphären.
Dies beginnt bereits mit der Eingangssituation im neuen Wohnbereich. Die ursprünglich das Hofhaus vom Stall trennende breite Durchfahrt wurde als hohes, attraktives Treppenhaus für die Wohnräume im Obergeschoss ausgebaut. Die ehemalige Durchfahrt ist heute mehr als ein bloßer Flur und kann entsprechend vielfältig genutzt werden.
Das Zentrum des Wohngeschoßes bildet ein offener, bis unter die Dachhaut reichender Wohnbereich. Seine Helligkeit schafft neben der Höhe eine überraschende Großzügigkeit.
Lebendige Tradition
Im östlichen Teil des Wohnbereichs ist eine zweite Ebene (Spielebene und Büro) über eine neue Treppe erreichbar. In reizvollem Kontrast zu den hellen Wänden stehen die offen gezeigten Teile des alten Dachstuhls. Wo möglich, blieben auch an anderen Stellen des Umbaus die historischen Materialien sichtbar, um mit den neuen Oberflächen in einen spannungsvollen Dialog zu treten. Ähnliches lässt sich auch am Außenbau beobachten. Die Holzfassaden werden durch aufgelegtes bzw. an der Veranda vorgehängtes Stabwerk feinplastisch strukturiert. Dies und die zurückhaltende graue Farbe erinnern unmittelbar an traditionell-ländliche Bauweisen. Als betont zeitgenössisches Element werden die großen, schlicht gerahmten Fenster bündig in die Fassadenflächen eingefügt. Durch die Planungen konnten das alte Hofhaus und die Tenne architektonisch differenziert und zugleich zu einem harmonischen Ganzen zusammengefügt werden. Es entstanden reizvolle, aber zurückhaltende Kontraste zwischen Alt und Neu. Mehrere Generationen schreiben nun am gewohnten Ort ihre Geschichte auch baulich fort.
Liegt darin nicht schon jede Menge Nachhaltigkeit, so gilt dies auch für die positive Wirkung auf Ortsbild und Landschaft.
Der bedeutende Wiener Kulturpublizist Joseph August Lux (1871-1947) konstatiert 1904 bezogen auf das ländliche Bauen seiner Zeit, dass "in den letzten Jahrzehnten ein bisschen stark gesündigt wurde gegen dieses uralte, kostbare Erbe". Die Tenne Unternberg hätte ihm wahrscheinlich gefallen.
Das Projekt
Planung: Moser und Hager Architekten, Linz
Ort: Schlüßlberg
Bauherr: privat
Planungszeit: 2015 bis 2019; Fertigstellung: Bauphase 1: 2016; Bauphase 2: 2020; Bauweise/Konstruktion: Massivbau Bestand/Holz-Riegelbau
Ökologische Aspekte/Nachhaltigkeit: Verwendung der bestehenden Ressourcen (Umwidmung von Leerstand, Nachverdichtung), Verwendung nachhaltiger Baustoffe (ökologische Dämmstoffe, Holzbau)
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Kompliment! Sehr klare Architektur.