Moderate Moderne in "Opa’s House"
Der "Genius Loci" eines durch die Familiengeschichte geprägten Hauses nahe Wels sollte erhalten werden. Eine sensible bauliche Ergänzung steigert die Wohnqualität.
Grundsätzlich können Planer bei Um- und Erweiterungsbauten gegenüber dem Altbestand zwei sehr konträre Haltungen einnehmen. Die erste verfolgt das Ziel einer möglichst unauffälligen bis hin zur gestalterischen Anbiederung reichenden Anpassung des Neuen an das Vorhandene. Entscheidet man sich dagegen für eine exaltierte, vielleicht rücksichtslose Überbetonung des Hinzugekommenen, ist das Ergebnis meist ebenso enttäuschend bis irritierend.
Natürlich liegt zwischen diesen beiden Polen ein weites Feld der Zwischentöne, das es im Idealfall auszuloten gilt. Zu den oberösterreichischen Büros, die mit der notwendigen Sensibilität auf vorhandene Bausubstanz reagieren, gehören waax Architekten aus Linz.
Ausgangspunkt Sacherl
Ausgangspunkt für ihr Projekt "Opa’s House" war ein bescheidenes L-förmiges Bauernsacherl aus dem 18. Jahrhundert in einer sich heute zunehmend verdichtenden Siedlungszone am Rand von Wels. Mit diesem Haus in Schleißheim verbindet die Bauherrin glückliche Kindheitserinnerungen, weshalb zu Planungsbeginn klar formuliert wurde: "Dieser Hort der Geborgenheit soll nicht abgerissen werden!"
Statisch-konstruktiv war der Bau allerdings in einem problematischen Zustand, sodass ein Teilabbruch erforderlich wurde. Das Ursprungsgebäude wurde unter weitgehender Nutzung des originalen Baumaterials rekonstruiert und heutigen Anforderungen angepasst. Im Äußeren bewusst bescheiden gehalten, wurden im Inneren neue Räume geschaffen, die eine helle Modernität mit wohnlicher Atmosphäre verbinden. Hierzu tragen die partielle Offenlegung des historischen Ziegelmauerwerks und der im offenen Wohnbereich sichtbar gelassene Dachstuhl maßgeblich bei.
Moderne als Ergänzung
Mit großer Sorgfalt wurden die Materialien und Oberflächen der Räume gestaltet, kombiniert und bearbeitet. Resultat ist eine fein abgestimmte Oberflächen-Detaillierung, die die Raumwirkung maßgeblich prägt. Erweitert wurde der Bestandsbau durch einen ebenfalls L-förmigen, eingeschoßigen Flachdachanbau aus Sichtbeton, der durch seine Bauform, die großen Fenster und seine Materialität einen architektonisch-puristischen Gegenpol zum adaptierten Bauernsacherl formuliert. Der Zubau birgt neben dem Eingang unter anderem eine Sauna und weitere Funktionen. Trotz des gestalterischen Kontrasts fügen sich Alt- und Neubau zu einer fast selbstverständlich wirkenden, harmonischen Einheit.
Hierzu trägt vor allem die raumhoch verglaste Eingangshalle bei, die vielfältige Durchblicke und Verbindungen zwischen den Bauteilen und zum Außenraum erlaubt. Die Qualität in Planung und Ausführung macht deutlich, dass der Zubau nicht nur eine nützliche Erweiterung des Altbestandes darstellt, sondern die ästhetische Wahrnehmung und Wirkung des Ganzen mitbestimmt. Besonders zum Garten hin wird durch die nun existierende Hofsituation eine neue Aufenthaltsqualität geschaffen.
Ästhetik des Betons
Im Gegensatz zum Altbau mit seinen kleinformatigen, einfachen Lochfenstern öffnet sich der neue Zubau mit bodentiefen Fenstern zum Garten und zur Gebäudevorderseite. Insgesamt entfaltet der Anbau eine explizite Modernität, ohne den Altbau zu dominieren. Nach wie vor ist für viele die Verwendung von Sichtbeton – zumal bei der Ergänzung eines historischen Gebäudes – problematisch. Der Anbau von waax Architekten an "Opa’s House" zeigt jedoch die gestalterischen Qualitäten von bewusst und sensibel eingesetztem Sichtbeton. Die Oberflächen des neuen Baukörpers unterstreichen nicht nur den gewünschten Kontrast zum Altbau, sondern ihre leichte Rauheit wirkt darüber hinaus ausgesprochen lebendig. Die sichtbar gelassenen Fugen der Verschalung verweisen auf den Bauprozess. Zugleich betont ihr "Raster" die ausgewogene Proportionalität des neuen Baukörpers.
Gregor und Simon Wakolbinger gelang mit dem ausgewogenen, ästhetisch anspruchsvoll gestalteten Mit- und Gegeneinander von Alt und Neu von "Opa’s House" eine reizvolle Synthese. Einerseits blieb der familiengeschichtlich geprägte "Genius Loci" (Geist des Ortes) für die Bauherren spürbar erhalten. Andererseits bilden die gestalterischen Interventionen und Ergänzungen der Architekten einen lebensfreundlichen Auftakt für eine im Haus gut aufgehobene Zukunft.
Daten
Architektur: waax Architekten (Simon Wakolbinger, Gregor Wakolbinger)
Funktion: Einfamilienhaus
Planung: 10/2016 bis 08/2019
Ausführung: 07/2018 bis 08/2019
Energiesysteme: Geothermie, Wärmepumpe
Materialwahl: Stahlbeton, überwiegende Verwendung von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen, Vermeidung von PVC im Innenausbau, Ziegelbau
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