Gefährlich wirkungsvolle Musik
Uraufführung von Marc Blitzsteins "Cain" im Brucknerhaus.
Als "gefährlich wirkungsvolle Musik" bezeichnete Aaron Copland die Musik des erst 25-jährigen amerikanischen Komponisten Marc Blitzstein, als ihm dieser die Ballettmusik zu "Cain" vorspielte. Das war 1930, und niemand Geringerer als Leopold Stokowski wollte das Werk choreografiert von Georges Balanchine und in Bühnenbildern von Marc Chagall herausbringen.
Doch dieser Plan wurde nie verwirklicht, und so landete dieses frühe Werk Blitzsteins, der später mit Größen wie Leonard Bernstein zusammenarbeitete, in der Schublade. Die im Privatbesitz befindliche Partitur tauchte erst 2016 wieder auf und ist nun in der Kurt Weill Foundation New York.
So war die Aufführung am Donnerstag im Brucknerhaus (Großes Abo) die Uraufführung dieser wirkungsvollen Musik. Höchst beeindruckende Ausführende waren das in Leipzig beheimatete MDR-Symphonieorchester unter Eugene Tzigane sowie Adrian Eröd als überzeugende Stimme Jehovas.
Die Musik dieses rund 40-minütigen Balletts ist grundsätzlich tonal. Und doch spürt man den europäischen Einfluss der Moderne, einerseits von Nadia Boulanger, andererseits von Arnold Schönberg. Bei beiden studierte der Komponist. Eine wahrlich wirkungsvolle Musik, die an vielen Ecken und Enden der Tradition anknüpft, und vielfältige Einflüsse zu einer sehr persönlichen Musik subsumiert. Allerdings ist die Wirkung auf die Funktion beschränkt, das heißt, Blitzstein hat eine fabelhafte Ballettmusik komponiert, die aber ohne Bühne und ohne Tanz stellenweise doch eindimensional erscheint.
Mögliche Impulse
Dieses Problem brachten auch die anderen Werke des Abends mit sich – das "Symphonische Fragment" aus Richard Strauss’ Ballett "Josephs-Legende" und die "Sinfonische Suite" aus dem Ballett "L’entant prodigue" von Sergei Prokofjew, dessen Uraufführung Marc Blitzstein in Paris miterlebte – möglicherweise ein Impuls für seinen "Cain".
Fazit: Ein spannendes Konzert mit einer wichtigen Entdeckung, das aber das Problem der nicht für den Konzertsaal gedachten, sondern als Tanzmusik zu verstehenden Klänge und Rhythmen nicht ganz umgehen konnte.
Brucknerhaus: Konzert des MDR-Symphonieorchesters unter Eugene Tzigane mit der UA von Marc Blitzsteins "Cain, 28. Februar
Mit einer solchen Programmierung spielt man das Brucknerhaus leer. Das konnte ich schon vor der Pause feststellen. Auch meine Sitznachbarinnen sprachen mich auf die vielen leeren Plätze an. Nach der Pause hat zusätzlich ein erheblicher Teil des Publikums vorgezogen, auf den 2. Teil des Konzertes (die Uraufführung) zu verzichten.
Ich finde diese Programmierung eines Abo-Konzertes allzu ambitioniert.