Umweltökonomin: "Der Klimarat ist zum Rohrkrepierer geworden"
LINZ. Sigrid Stagl, Wissenschafterin der Jahres, zu den Themen grüne Transformation, warum Ökologie und Ökonomie untrennbar zusammenhängen und wer die Bremser sind im Kampf gegen den Klimawandel.
Die Wiener Ökonomin zählt zu den gefragtesten Kommentatorinnen der Klima- und Umweltpolitik, denn sie steht in der Ökonomie wie in der Ökologie auf soliden Fundamenten. Sie ist im Generalrat der Österreichischen Nationalbank ebenso zuhause wie im wissenschaftlichen Beirat der Europäischen Umweltagentur.
OÖN: Ökonomie und Ökologie, das geht nicht immer zusammen. Ein Beispiel ist die Gasbohrung in Molln knapp neben einem Naturschutzgebiet. Wie geht es Ihnen solchen Antipoden?
Sigrid Stagl: Konflikte kann es immer geben, die gesamte menschliche Entwicklung kann im Konflikt stehen mit der Natur. Aber wenn wir es klug angehen, sind wir wirtschaftlich erfolgreich und schützen die Natur.
Von Wirtschaftsvertretern hört man meist, man erwarte sich Leitlinien von der Politik. Wenn dann welche auf dem Tisch liegen, Stichwort CO2-Bepreisung, beginnt großes Heulen. Wird denn immer noch – angesichts des unübersehbaren Klimawandels – Geld über Naturschutz gestellt?
Ja, das ist tendenziell schon so. Es ist auch nicht verwunderlich, weil da stehen wirtschaftliche Interessen im Widerspruch zu einem Veränderungsbedarf. Die Frage ist nur, was wären die Konsequenzen, wenn wir so weitermachen wie bisher? Deswegen müssen wir über den Schatten springen und investieren. Ich sage nicht einmal mit weniger Gewinn leben, sondern investieren, damit wir in der Zukunft auch wirtschaftlich erfolgreich sein können. Das hat natürlich kurzfristige Auswirkungen, weil Investitionen halt etwas kosten.
Investieren worin?
In neue Produktionstechnologien, in neue Infrastrukturen, in neue Lebensweisen. Auch ein neues Denken ist eine Investition, und das ist eine Veränderung, die mühsam ist. Man muss jetzt auf ein bisschen etwas verzichten, was einem langfristig zugute kommt. Meines Erachtens reden wir viel zu wenig darüber, was wir mit der grünen Transformation schaffen können. Was sind die Zielbilder? Wie schaut Österreich 2040 aus? Wie schauen verschiedene Regionen in Oberösterreich 2040 aus, wenn wir die Transformation gut geschafft haben? Hat man solche Zielbilder, dann motiviert das stark. In diese Richtung werden wir viel mehr arbeiten müssen.
Wenn man sich an den Klimarat erinnert, ein toller, gemeinsamer Prozess, von dem aber so gut wie nichts umgesetzt wurde, ist Euphorie wenig angebracht, oder?
Wenn man Menschen die Möglichkeit gibt, sich zu informieren und Teil zu sein von einem Prozess, über die Zukunft nachzudenken und mitzugestalten, dann ist es faszinierend, wie konstruktiv und produktiv die Teilnehmenden dabei sind. Die Frage ist nur, was damit passiert. Ich glaube, die Ergebnisse des Klimarats waren von manchen politischen Entscheidungsträgern gewünscht und von anderen nicht. Und deswegen ist er zum Rohrkrepierer geworden, was wirklich frustrierend ist, denn da ist sehr viel Zeit und Energie hineingeflossen und es sind gute Vorschläge entwickelt worden.
Bitte konkret, wer sind die Bremser?
Das sind teilweise diejenigen, die von bestehenden Geschäftsmodellen, die nicht nachhaltig sind, profitieren und diese auch nicht verändern wollen. Das sind manche Unternehmen – bei weitem nicht alle. Denn wir haben viele innovative Unternehmen, die auch schon ambitionierte Klimaziele eingefordert haben. Ich kann mich erinnern an eine Aktion, als die türkis-blaue Regierung damals angelobt wurde, da haben 300 Unternehmer einen Brief an Kanzler Kurz geschickt, um ambitionierte Klimapolitik einzufordern. Die Unternehmerschaft ist nicht homogen. Zudem gibt es Interessensvertretungen, die den Bremsern ein Sprachrohr bieten. Damit leisten sie den Unternehmen einen Bärendienst, sie bestärken sie in ihrem Zögern. Was sie sagen sollten, wäre: Das Umfeld verändert sich, ihr müsst euch mit verändern und wir beraten euch, wir geben euch Tipps, wir schlagen euch vor, wie es besser werden könnte. Wir vernetzen euch mit anderen, von denen ihr es lernen könnt usw. Das wäre wirklich ein nützliches Service der Interessensvertretungen, um die österreichische Wirtschaft zukunftsfitter zu machen.
Sollte eine rechtsrechte Koalition in Österreich ans Ruder kommen, erwarten Sie sich eine Verlangsamung im Klimaschutz?
Ja, die Gefahr besteht, aber die Hoffnung wäre, dass man trotzdem ökonomisch denkt. Das würde bedeuten, dass man die Schadenskosten zu vermeiden versucht, also jene Kosten, die auf uns zukommen, wenn der Klimawandel ungebremst voranschreitet. Natürlich kann Österreich nur einen kleinen Beitrag gegen den Klimawandel leisten, aber wenn wir als reiches und privilegiertes Land das nicht tun, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass es andere auch nicht tun. Zum Beispiel hat Schweden schon 1991 eine CO2-Steuer eingeführt, deren Wirtschaft ist dekarbonisierter und besser vorbereitet auf eine klimaneutrale Zukunft als die österreichische. Eine Verzögerung würde dem Wirtschaftsstandort schaden.
Sie haben gesagt, es braucht neue Narrative, also Erzählungen für mehr Engagement im Klimaschutz. Wie würden denn die lauten aus Ihrer Sicht?
Starten wir dort, wo die Bedürfnisse der Menschen sind: Das ist nachhaltige Mobilität, das ist gesunde und schmackhafte Ernährung, das ist sicheres Wohnen und so weiter. Forschung daran gehört so kommuniziert, dass die Menschen darin ihre Probleme adressiert finden. Wir sollten aufzeigen, wie Klimapolitik ihnen hilft, ihre Bedürfnisse zu befriedigen und ihre Probleme zu bewältigen.
Das heißt, es müsste kommuniziert werden, wie sehr sich etwa Photovoltaik oder E-Mobilität auszahlt für Einzelne?
Absolut. Und da passiert ja auch schon viel. Was wir zusätzlich brauchen, ist Climate Leadership. Das heißt, die Verantwortung anerkennen und dann der Bevölkerung zurufen: "Krempeln wir die Ärmel hoch, wir gehen es gemeinsam an. Das wird mühsam, das wird länger dauern, das wird anstrengend und das verlangt jedem etwas ab. Aber wenn wir es gemeinsam angehen, dann können wir das auch schaffen." Das ist etwas, was ich viel zu wenig höre.
Stattdessen hört man, Österreich sei ein Autoland ..?
Das signalisiert, wir lassen uns unseren Verbrenner nicht wegnehmen. Das ist sehr rückwärts gewandt. Fangen wir jetzt auch wieder mit Schreibmaschinen an zu schreiben? Das ist logischerweise nicht wünschenswert. Wir wollen ja eine innovative Ökonomie.
Zur Person
Sigrid Stagl (56) ist Professorin für Umweltökonomie und
-politik und Gründerin sowie Vorständin des Instituts für ökologische Ökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien. Außerdem ist sie Direktorin des Kompetenzzentrums für Nachhaltigkeitstransformation und -verantwortung.
Sie forschte und lehrte an den Universitäten Leeds und Sussex sowie am Rensselaer Polytechnic Institute, New York, wo ihr weltweit das erste Doktorat in Ecological Economics verliehen wurde.
Kürzlich wurde Stagl zur Wissenschafterin des Jahres gewählt.
Feronia 2025: Bewerben Sie sich für den Preis für Nachhaltigkeit und Klimaschutz
Unternehmen, Vereine, Kulturinstitutionen und Schulen aus Oberösterreich können sich ab sofort wieder für die Feronia 2025 bewerben. Dieser Preis ist eine Auszeichnung für die Themen Ökologie, Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Wer es ernst damit meint und gute Projekte hat, für den ist der oberösterreichische Nachhaltigkeitspreis ein gutes Forum, seine Projekte bekannter zu machen.
Feronia ist eine altitalische Göttin und wird als „die Blumenliebende“ bezeichnet. Ihr Name steht für Frühling und Erde. Deshalb ist sie die Namensgeberin der Auszeichnung der OÖNachrichten, die heuer zum dritten Mal mit den Partnern Oberbank und Land Oberösterreich vergeben wird.
In vier Kategorien kann man sich bewerben. Die Sieger erhalten pro Kategorie 9000 Euro Medienvolumen (OÖN) und 5000 Euro (Oberbank). Die Nominierten werden Ende Februar in den OÖN bekannt gemacht und mit den Siegern am 20. März bei der offiziellen Preisverleihung geehrt. Die Jury setzt sich aus Vertretern der Veranstalter sowie aus unabhängigen Juroren zusammen: Thomas Gaber, KPMG; Sara Höller, Sindbad Mentoring; Heidrun Kopp, FH Wien; Katharina Muner-Sammer, ÖGUT; Günther Reifer, Terra Institute; Ina Pfneiszl, Schachinger Logistik; Nastassja Cernko, OeKB; Eva De Michele, Verein Kleinstadtbiotop Vöcklabruck; Lucia Weber, Lehrerin VS 4 Wels; Dietmar Mascher, stv. OÖN-Chefredakteur; Ulrike Rubasch, OÖN-Wirtschaftsredakteurin.
- Kontakt: feronia@nachrichten.at
- Web: nachrichten.at/wirtschaft/feronia/bewerben/
Wenn Fr. Stangl behauptet Österreich sei ein reiches und privilegiertes Land, muss ich an den Fähigkeiten dieser Frau doch sehr zweifeln.
Welche Ausreden wird unsere Generation, werden rückwärtsgewandte Politiker, wird die Wirtschaft, die Industrie vorbringen, wenn uns unsere Nachkommen fragen, warum wir aus Bequemlichkeit, Gier nach noch mehr Gewinn, entgegen wissenschaftlicher Erkenntnisse ,so wenig gegen klimaschädigendes Verhalten gemacht haben? Die von der Wissenschaft empfohlenen Maßnahmen zum Klimaschutz kaum umgesetzt haben? Die Verantwortung gegenüber unseren Nachkommen mit Füßen treten?
Ich denke, der aus der Geschichte sattsam bekannte Satz, "Das haben wir nicht gewusst", wird wieder bis zum Abwinken als Ausrede herhalten müssen. Verantwortliche für das weiterhin praktizierte Fehlverhalten wird man auch nicht finden weil sich alle Entscheidungsträger, wie bei uns üblich, wegducken.
Go woke, Go broke… die linke Ideologie ist krachen gescheitert
Und wir werden mit scheitern. Gratuliere zu der Weitsicht unserer Rechten.
Die Qualifikation von Fr Stagl möchte ich Null in Abrede stellen, aber ich vermisse einige zentrale Punkte.
Wir leben in einer globalisierten Welt, als Ministaat und stark vom Export lebender Staat sich gegen andere zu stellen, ist quasi unmöglich. Wer sich "volumensmässig" die größten Verschmutzer auf der Welt?
HIER ist der größte Hebel für das Weltklima.
Der Konsument: konsumiert liebend gerne chinesische und amerikanische Produkte. Ja, da gehören auch die Techies wie Apple, Amazon und Co dazu. Von Schein und Temu rede ich noch gar nicht. KI und Streaming benötigen extrem viel Energie. Was machen die Konzerne ? Sie reaktivieren Atomkraftwerke.
Viele "aufgeklärte Grüne bzw StudentInnen reisen bzw fliegen gerne herum. Auch dienlich fürs Weltklima.
JA, ich verallgemeinere. Macht das ganze lesbarer. Ich will auch zum Nachdenken/Diskutieren anregen,, politische Korrektness machts nicht besser
Ja, wir leben in einem wohlhabenden Staat. NOCH. Vergangene Regierungen - egal welcher "Farbmix" !!! - haben fleißig daran gearbeitet, dass Österreich kontinuierlich nach hinten abrutscht.
Wohlstand ist übrigens durch Leistung, durch Arbeit entstanden.
Wer kommt seit vielen Land ins Land, viele Personen, die vom Sozialstaat profitieren wollen, nichts einzahlen, die sich nicht anpassen wollen und auch nicht müssen. Der leistungshungrige "Inder" ist es eher weniger.
EUROPA hat grundsätzlich in den den letzten Jahrzehnten von einem deutlich besseren Ausbildungsniveau als auf anderen Kontinenten profitiert. Wir fallen auch hier deutlich zurück. Bitte einen kritischen Blick in die Schulen werfen. Die Lehrkräfte können einem Leid tun.
Aber gerade dies wäre wichtig, um Vorreiter bei einer (ökologischen) Revolution bzw Evolution zu sein. Technologischer Fortschritt. Nicht Verbote bzw. "Prügel" vor die Füsse der Industrie.
Würde man bei einer Koalition zwischen SPÖ und den Grünen auch von einer Links-Linken Koalition sprechen?
Nun mit blauen und einer Autofahrerpartei ist halt Nix fürs Klima zu gewinnen 🤮🤮👎👎
Doch egal für den „kleinen“ Mann, der muss eh die grausliche Suppe auslöffeln !
Die GRÜNEN wurden aus der Regierung gewählt.
Autofahrerhass ist halt nicht mehrheitsfähig.
"Die GRÜNEN wurden aus der Regierung gewählt."
Echt jetzt, die Grünen wurden aus der Regierung gewählt? Orientiert man sich an Ihrem permanenten Grünenbashing gewinnt man den Eindruck, bei uns in Ö ist imer noch eine Grünen-Alleinregierung am Ruder.
Geh better, wo ist Ö ein Autohasser Land? Legen Sie einmal in ihrem Leben die blauen Scheuklappen ab. Kein anderes Land baut so viele Straßen, Parkplätze und Tankstellen. Ich glaube, ich kenne keinen so ideologisch verbohrten Menschen wie sie. Ok, Sergio, her,… sind in der gleichen Liga.
ein Wolkenkuckuksheim zahlt halt keine Rechnungen.
So einfach ist das.
Sehr interessant und gut auf den Punkt gebracht. Hoffentlich lesen auch Anhänger unserer „Schreibmaschinenpartei“ diesen Artikel.
... da stehen wirtschaftliche Interessen im Widerspruch zu einem Veränderungsbedarf.
Auf den Punkt gebracht.
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Ein gutes Interview - danke!
Die Skandinavier sind uns immer schon mehrere Schritte voraus gewesen und werden es auch in Zukunft sein. Bei uns haben jetzt von den Dummen gewählt, die Rechtsextremen mit der Hilfe der Konservativen (sowie 1933) die Geschicke in der Hand. 1933 lässt Grüßen, es war keine guten 5 Jahre, auch keine guten 12.
Mit der Wissenschaft haben’s die Blauen ja nicht so. Sind halt eher die Liedertexteschreiber.
@kmal
und womit sich die Skandinavier ihre umweltfreudliche Industrie und Elektromobilität sichern ist ihnen hoffentlich auch klar.