Rechter Kongress: Eine Gemeinde im Ausnahmezustand, passiert ist nichts
AISTERSHEIM. 200 Menschen demonstrierten friedlich gegen die "Verteidiger Europas" in Aistersheim.
"Keine Interviews geben!" Ein Sicherheitsmann winkt ankommende Gäste, die am Samstag zum Kongress "Verteidiger Europas" ins Aistersheimer Wasserschloss wollten, rasch weiter. "Ich bin nicht hier, um Freunde zu finden", sagte ein bayerischer Teilnehmer, der für den Kongress aus München angereist war. "Bei einigen Akteuren des Kongresses bin ich skeptisch, aber mich interessiert das rechte Milieu."
150 Polizisten sicherten das Platzverbot rund um den Veranstaltungsort, damit sich die geschätzten 500 Kongressgäste und die laut dem Bündnis "Linz gegen Rechts" über den Tag verteilten 450 Demo-Teilnehmer nicht begegneten. Die Polizei sprach von 200 Demonstranten: "Es hat ein paar verbale Entgleisungen gegeben, aber die Demo ist recht friedlich abgelaufen", so eine Polizei-Sprecherin.
FPÖ-, AfD- und Pegida-Vertreter
Journalisten waren bei dem rechten Kongress unerwünscht, Presseakkreditierungen wurden keine vergeben. "Dass die Medienvertreter ausgesperrt werden, halte ich für bedenklich, schließlich haben wir Meinungs- und Pressefreiheit. Aber vielleicht haben sie etwas zu verbergen", sagt Bürgermeister Rudolf Riener (VP). Er hätte vom Veranstalter InfoDirekt, der vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes als "rechtsextrem" eingestuft worden ist, eine Eintrittskarte für den Kongress geschenkt bekommen – und abgelehnt.
Im historischen Wasserschloss, das einmal Österreichs Grenze zu Bayern sicherte, waren die Vortragenden ihrer Bedeutung nach gereiht: Der erste war der Grazer FPÖ-Vizebürgermeister Mario Eustaccio. Ihm folgten zwei Redner der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland (AfD). Auch Martin Sellner von den Identitären sowie der Vorsitzende der fremdenfreindlichen Pegida, Lutz Bachmann, sollen Besucher des Kongresses gewesen sein.
"Die Rechten sollen nicht das Gefühl haben, dass sie hier willkommen sind. Und sie sollen sich auch nicht wohlfühlen", sagt Ingrid Rössler, die mit ihrer fünfköpfigen Familie aus der Nachbargemeinde Geboltskirchen nach Aistersheim gekommen ist.
Von der Landesgruppe der Plattform "Omas gegen Rechts", die mit rund 20 Großmüttern bei der Demo war, sagte die Linzerin Helene Kaltenböck: "Sie nennen sich ‘Verteidiger Europas’, sind aber demokratie- und EU-feindlich und wollen unsere sozialen Errungenschaften zerstören. Wir Omas kämpfen für unsere Nachkommen."
3 Fragen an ... Rudolf Riener (55), Bürgermeister von Aistersheim
Keine rechte Freude hatte der VP-Bürgermeister mit dem Kongress „Verteidiger Europas“ und der von „Linz gegen Rechts“ organisierten Demonstration in seiner Gemeinde.
1. Herr Bürgermeister, wie stehen Sie zum Kongress und der Demonstration?
Aistersheim wurde leider Gottes als Veranstaltungsort des Kongresses „Verteidiger Europas“ ausgewählt. Die rechte Szene verbreitet dort Gedankengut, das meiner Meinung nach bedenklich ist. Meine Gemeinde wollte weder den Kongress noch die Gegendemonstration. Interessant ist, dass sich anscheinend beide Gruppen brauchen, um Aufmerksamkeit zu erregen.
2. Wie waren die Reaktionen auf den Kongress in Ihrer Gemeinde?
Viele Menschen haben sich bei mir gemeldet, dass ich als Bürgermeister den Kongress verbieten soll. Da sich das Wasserschloss in Privatbesitz befindet, konnte ich das nicht. Zwei Damen riefen mich an und sagten mir, dass der Kongress gut sei.
3. Haben Sie Angst, dass Ihre Gemeinde längerfristig Schaden nehmen könnte?
Nicht die Ewiggestrigen kamen zum Kongress, sondern junge, gebildete Leute – das macht mir schon Sorgen. Aistersheim darf nicht das braune Nest Mitteleuropas werden. Uns ist es wichtig, dass der Kongress eine einmalige Veranstaltung bleibt. Eine Wiederholung würden wir nicht gerne sehen. (rela)
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