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Unser Dialekt, eine Fremdsprache

Von Manfred Wolf, 06. Mai 2017, 00:04 Uhr
Diese Wörter sind sowohl im Englischen als auch im Dialekt immer noch ident Bild: colourbox.de

Wer Dialekt spricht, muss sich nicht schämen. Immerhin gibt es viele unserer Dialektwörter auch in der englischen Standardsprache.

All jene, die Anglizismen partout ablehnen, müssen jetzt stark sein. Unser Dialekt ist voll davon – zumindest auf den zweiten Blick. So findet sich das schöne Wort "napfazen", also schlummern, im englischen Wort "napping" wieder. Das "denglische" Powernapping ist also nichts weiter als die Rückkehr des Wortes "napfazen" via Englisch in die deutsche Standardsprache. Auch das "Downloaden" von Dateien kommt dem Dialektwort "owaloden" näher als die standarddeutsche Übersetzung mit herunterladen. Und wer gerade für sein Kind einen Paten sucht, der sucht am Land einen Göd und in England einen Godfather. Beide Wörter stammen von Gott ab.

Aber es gibt auch Dialektwörter, bei denen die Verwandtschaft zum englischen Pendant nicht nur zu erahnen, sondern auf den ersten Blick zu erkennen ist. Der Schaum beispielsweise ist nicht nur im Dialekt bis heute der "Foam", sondern auch im Englischen. Ebenso ist es beim Loam (Lehm). Und d’Sun scheint auch in Wörterbüchern über dem Ärmelkanal als the sun auf. Wer jetzt meint, "i hear" nicht richtig, wird eine weitere Parallele zum Englischen erkennen.

Und was wir im Dialekt nicht alles so tun ... Oftmals wird hier der eigentlichen Tätigkeit ein "i tua" vorangestellt. Im Englischen kennt man diese Floskel ebenfalls, vor allem, um etwas zu betonen: I do. Das Wort "I" für "ich" ist am Rande auch sehr augenfällig. Auf der anderen Seite gibt es wiederum Regionen in Großbritannien, bei denen das Wort "I" dem Deutschen ähnlich ist und als "Itsch" gesprochen wird.

Wie kommt das? Nikolaus Ritt vom Institut für Anglistik an der Universität Wien beschäftigt sich seit Jahren mit Sprachen, er kennt auch die Ursache: "Beide Sprachen haben sich aus dem Germanischen entwickelt. Ab dem vierten Jahrhundert haben sich beide Sprachen ausdifferenziert und klar voneinander getrennt. Das Englische hat sich dann aus einer Reihe von westgermanischen Dialekten, die die angelsächsischen Eroberer auf die Insel mitgebracht haben, entwickelt."

Luthers Werk und ...

Im Dialekt und im Englischen haben sich auch einige Wörter gehalten, die in der deutschen Bildungssprache durch Lehnwörter aus dem Romanischen ersetzt worden sind. Auch durch Lautverschiebungen in der Standardsprache haben sich im Laufe der Jahrhunderte beide Sprachen immer weiter voneinander entfernt. Bei manchen Wörtern ist zwar immer noch die Verwandtschaft zu erahnen, die Bedeutung hat sich jedoch verschoben. Ein Beispiel dafür sind der Ritter (knight) und der Knecht. Aus dem Wort mit dem gleichen Ursprung wurden zwei Wörter mit gegensätzlicher Bedeutung. "Wenn Wörter von Generation zu Generation weitergegeben werden, verändern sie sich naturgemäß ständig", sagt Ritt.

Viele Wörter sind ab dem 16. Jahrhundert aus der Mode gekommen, zur Zeit, als das Deutsch Martin Luthers üblich geworden ist. Luther schrieb nach der sächsischen Kanzleisprache, die sich im Zeitalter des deutschen Humanismus entwickelte. Sie war Wegbereiter für ein allen Dialekten übergeordnetes Standarddeutsch.

... Maria Theresias Beitrag

In Österreich hielt diese einheitliche Sprache unter Kaiserin Maria Theresia Einzug. 1750 begann sie – die selbst Wiener Mundart sprach – die Sprachreform durchzusetzen. Ein Gespräch mit dem preußischen Sprachforscher Johann Christoph Gottsched, dem Schöpfer der Grundregeln der deutschen Sprachkunst, fand 1749 zu Hofe statt. Allerdings dauerte es noch bis zur Einführung der Unterrichtspflicht durch Maria Theresia im Jahre 1774, dass Gottscheds Deutsch fix verankert wurde – als Amts- und Schulsprache.

Dass ausgerechnet die Sprache aus protestantischen Kreisen übernommen wurde, hatte mehrere Gründe. Zum einen politische – nach dem Siebenjährigen Krieg war Österreichs Position so geschwächt, dass der Kaiserin an einer Normierung der Sprache gelegen war –, zum anderen wirtschaftliche Gründe. "Die Buchdrucker wollten ihre Bücher ja nicht nur in Hamburg, sondern auch in Wien verkaufen", sagt der britische Sprachwissenschafter Anthony Rowley, der an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften forscht. Anfangs haben die katholischen Bischöfe noch Widerstand geleistet, aber auch deren Einfluss ließ nach. "Freilich hat es eine Weile gedauert, bis der Hass auf die Protestanten beiseitegeschoben wurde."

Rowley kennt einen weiteren Grund dafür, warum sich das Englische und das Deutsche voneinander entfernt haben: "Die Deutschen waren immer ein Volk der Schulmeister. Im Mittelalter wollte man eine Sprache haben, die dem Lateinischen ebenbürtig ist, darum wurden Wörter, die im Lateinischen nicht erlaubt waren, einfach ausgemerzt." So war es beispielsweise auch mit den "Tun-Umschreibungen" (I do/i tua). "Im Dialekt haben sich diese aber überall gehalten." Ein weiteres Beispiel ist das Wort "after". Im Englischen immer noch gebräuchlich, findet es sich in der deutschen Standardsprache nicht mehr. Hingegen gibt es im Dialekt immer noch die Bezeichnung after/aft (erst arbeit' i, aft ...).

Im Plattdeutschen gibt es übrigens für die Wochentage Mittwoch und Samstag die doch sehr englisch klingenden Wochentage "Satertag" und "Wodanstag".

Die Sprache ist und war also zu allen Zeiten lebendig. Und der Austausch in alle Richtungen geht munter weiter. Zum Napfazen bleibt ihr keine Zeit.

 

Warum man "Wia gfrein si" sagt - Ein Leserbrief

von Patrick Kapfer:

Es wird vermutlich schon vielen Österreichern aufgefallen sein, dass man im Hochdeutsch "Wir freuen uns" sagt, aber in unserem Deutsch "Wia gfrein si" (also "Wir freuen sich"). Und das machen wir eigentlich systematisch so, wir verwenden immer in der ersten Person Mehrzahl das Reflexivpronomen "si" (Wia hom si naiche Schuach kaft. Wia miasn si nu wos ausmochn. etc..). Auf den ersten Blick wirkt das vielleicht seltsam, aber ich möchte kurz erklären warum es eigentlich sinnvoll ist, und wunderbar ins System passt.


Das liegt eigentlich daran, dass das Reflexivpronomen sich an die Person des Subjekts anpasst wie ein Verb. Woran kann man das erkennen? Dazu muss man nur wissen, welche Verbformen in Verbindung mit Hauptwörtern vorkommen die keine Pronomen sind: "Da Sepp hod si vaspätet. Da Sepp und da Beppi hom si vaspätet. Da Hund hod si gfreid. Wea hod si verspätet?" Es fällt auf, dass immer "si" (sich) verwendet wird, wenn ein Reflexivpronomen vorkommt. Und es kommt in der Einzahl immer "hod", und in der Mehrzahl immer "hom" vor. (ich habe "hod/hom" als Beispiel verwendet, es gilt aber für alle Verben)

Und das ist eigentlich allgemein so, also auch bei den Personalpronomen: immer wenn in der Einzahl "hod" und in der Mehrzahl "hom" verwendet wird, kommt "si" vor. "Er/sie hod si naiche Schuach kaft" "Wia/Se hom si naiche Schuach kaft". Bei allen anderen wird eine eigene Verbform verwendet und somit auch ein eigenes Reflexivpronomen (I hob ma, Du hosd da, Es hobz eng).

Das erklärt außerdem auch, warum wir nicht "Sie haben sich neue Schuhe gekauft/ Si hom si naiche Schuach kaft" in der Höflichkeitsanrede sagen, sondern "Si hom ina naiche Schuach kaft". Die Höflichkeitsanrede ist in der Einzahl und weil nicht "hod" verwendet wird, muss es sein eigenes Reflexivpronomen haben und darf nicht das Standardreflexivpronomen "si" verwenden.

In unserem Deutsch ist das Reflexivpronomen eigentlich kein Pronomen, sonder eher ein Verbanhängsel, dass sich an die Person des Subjekts anpasst, aber nicht an die Zahl (deshalb wird "si" verwendet auch in Verbindung mit "hom") und weil "Wia" dieselbe Verbform verwendet wie "Sie [Mz]", nämlich "hom", "san", "gfrein", etc.. verwenden sie auch dasselbe Verbanhängsel.

Außerdem ist es nicht so, dass die Hauptwörter in der dritten Person stehen. Sondern die Hauptwörter verwenden Standardverben (Eines für die Einzahl und ein Anderes für die Mehrzahl), und das Standardreflexivpronomen "si", und manche Personalpronomen verwenden eben die Standardformen (er, sie [Ez], wir, sie [Mz]) und andere haben ihre eigenen Sonderformen. Das ist ein kleiner aber bedeutender Unterschied! 

 

Quiz: Wie gut sprechen Sie Mundart? Testen Sie Ihr Wissen im neuen OÖN-Mundart-Quiz

 

Dahoam

Einer Vielzahl an Dialektwörtern ist die Verwandtschaft zum Englischen noch anzusehen:

Dahoam: at home (zu Hause)
Ros: horse (Pferd)
Oalefi: eleven (elf)
Drischpl: treshold (Türschwelle)
Earl: ear (Ohr)

Mittuan

Kennen Sie weitere Dialektwörter, die einen gemeinsamen Ursprung zum entsprechenden englischen Wort haben? Oder Dialektwörter, die kaum noch in Verwendung sind? Wenn ja, dann schicken Sie uns
diese per Mail an: magazin@nachrichten.at

Auf der letzten Seite des Wochenende-Magazins stellen wir in einer neuen Serie ab sofort Mundartwörter vor.

 

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5  Kommentare
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elhell (2.578 Kommentare)
am 08.05.2017 10:36

allways - ollweil (alleweil)

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sokolinz (375 Kommentare)
am 06.05.2017 13:42

Der Dialekt, kein Vergleich zu dem trotteligen Denglisch. grinsen

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Milka (2.627 Kommentare)
am 06.05.2017 10:25

"i hear", "sun" oder "I" lesen sich vielleicht wie unserer Dialekt, aber wenn man es ausspricht, hört es sich doch ganz anders an.

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alleswisser (18.463 Kommentare)
am 06.05.2017 10:00

"Göd"

Ds ist zugleich das, was man sich vom Göd erwartet grinsen

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suzieQ (5.403 Kommentare)
am 06.05.2017 08:27

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