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Ein Geständnis: Schmuggelfahrt nach Bayern

Von Hermann Neumüller, 15. Jänner 2025, 05:05 Uhr
Österreich vor dem EU-Beitritt: Teils strenge Kontrollen an den Grenzen
Österreich vor dem EU-Beitritt: Teils strenge Kontrollen an den Grenzen

KOLLERSCHLAG. Abenteuer der besonderen Art gab es vor dem EU-Beitritt Österreichs: Deutschland lockte mit niedrigen Preisen für Kameras - das verleitete mitunter zu privaten Schmuggelfahrten.

Schmuggeln? Von Bayern nach Österreich? Was nach 30 Jahren EU-Mitgliedschaft reichlich exotisch klingt, war in den 1980er-Jahren vielleicht nicht gerade Volkssport, aber durchaus verbreitet. Entsprechend streng waren unsere Zöllner, die das zu unterbinden versuchten – oft ohne Erfolg. Ein spätes Geständnis – und längst verjährt.

War es Langeweile, waren es die deutlich niedrigeren Preise für Kameras in Deutschland? Es dürfte wohl eine Mischung aus beidem gewesen sein. Jedenfalls quetschten wir uns zu fünft in einen Audi 100, gesteuert vom Mutigsten, der sich in Deutschland eine Canon-Spiegelreflexkamera kaufen wollte. Die waren dort um ein gutes Drittel billiger als bei uns in Österreich. Wir reden da von 1000 Schilling, das war damals viel Geld.

Wohin mit der Kamera?

Um auf der Rückfahrt nicht gar zu auffällig zu sein, wollten wir vier Mitfahrer auch etwas kaufen, das billiger als bei uns war, aber nicht die damals geltende Freigrenze von 1000 Schilling sprengte. Ein netter Verkäufer in Passau wies uns darauf hin, dass wir den Zollgrenzbezirk verlassen müssten, um diese Freigrenze nutzen zu können.

Das hieß, ab nach Vilshofen, in die nächste größere Ansiedlung im Nachbarland, die weit genug von der Grenze entfernt war.

Videokassetten waren dabei, was wir noch kauften, weiß ich nicht mehr, schließlich liegt dieses Abenteuer schon einige Jahrzehnte zurück. Für uns vier war der Weg zur Grenze relativ entspannt, nicht so für H., der mit seiner neuen Kamera nicht so recht wusste, wie er das gute Stück abgabenfrei und vor allem straffrei über die Grenze schaffen sollte.

Zuerst ging es darum, den passenden Grenzübergang auszuwählen. Achleiten unmittelbar bei Passau kam nicht in Frage. Dort galten die Zöllner als besonders happig. Oberkappel und Hanging bei Kollerschlag kamen noch in Frage für uns. Die Wahl fiel auf Oberkappel, erstens war es nicht so weit und zweitens galten die Grenzer dort als relativ kulant. Angeblich winkten sie Grenzgänger aus dem Bezirk Rohrbach schon einmal einfach durch.

Viel heikler war, wo die Kamera versteckt werden sollte. Die erste Wahl: unter dem Fahrersitz. Die Idee wurde aber schnell verworfen. Bei offener Autotür wäre dieses Versteck wohl schnell entdeckt worden. Also das Kameragehäuse in die eine Tasche der geräumigen Winterjacke, das Objektiv in die andere. Die Schachtel, in der die Kamera ursprünglich war, wurde geopfert und landete in einer Mülltonne vor der Grenze.

Eine Leibesvisitation war zwar möglich, aber eher unwahrscheinlich. Darauf hoffte unser Oberschmuggler. Die größte Aufmerksamkeit der Zöllner richtete sich auf Verstecke im Auto. Da waren sie damals gar nicht zimperlich. Auch die Innenverkleidung der Autotüren war schon entfernt worden, das wussten wir von anderen Schmuggel-fahrten aus dem Bekanntenkreis.

Dann kam der spannende Augenblick an der Grenze. Durchgewunken wurden wir jedenfalls nicht. Zu auffällig waren fünf junge Männer in einem Auto nach einem Ausflug am Samstagvormittag nach Bayern. Noch auffälliger waren wir, weil wir lauter Waren knapp unter der Zollfreigrenze mithatten.

Der Blick unter den Fahrersitz

Der offensichtlich erfahrene, weil nicht mehr ganz junge Zollbeamte sah es uns an der Nasenspitze an, dass wir mehr mithatten als erlaubt. Der erste Blick war jener unter den Fahrersitz, dann folgten das Handschuhfach und der Kofferraum. Dafür musste der Fahrer natürlich aussteigen – mit der geteilten Kamera in den Taschen seiner Jacke.

Er sagte es zwar nicht, aber irgendwie hatten wir das Gefühl, dass er Gnade vor Recht ergehen ließ. Der Zöllner öffnete den Schlagbaum und ließ uns passieren. Nach wenigen hundert Metern brach Jubel im Auto aus. Wir hatten ein gemeinsames Abenteuer überstanden, wie viele vor uns und auch noch Jahre nach uns.

Die Kamera war ein guter Kauf – viele ausgezeichnete Fotos zieren nach wie vor unsere Alben. Und bei jedem dieser Fotos wird die Erinnerung an diesen Samstag wach. Der EU-Beitritt hat die Aktion im Nachhinein quasi legalisiert.

Den nächsten Teil unserer Serie "Österreich - 30 Jahre in der EU" lesen Sie am Samstag in den OÖN.

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Eine der vielen Zuschriften, die uns bereits erreicht haben, stammt von der Familie Schwendinger, die im Bezirk Schärding an der Grenze zu Bayern wohnt. Franziska und Hubert Schwendinger können sich ebenfalls noch gut an den mühsamen Grenzverkehr vor dem EU-Beitritt erinnern."Heute ist es eine Wohltat, ohne Bedenken über die Grenze zu fahren." Beruhigend sei, dass bei medizinischen Notfällen auch eine Versorgung im Krankenhaus Passau möglich sei. "Würden wir das alles nicht mehr haben, wäre das eine Tragödie", schreiben die beiden.

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Autor
Hermann Neumüller
Redakteur Wirtschaft
Hermann Neumüller
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8  Kommentare
8  Kommentare
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Fraga (623 Kommentare)
vor einer Minute

Als Student in Salzburg wollte ich für einen Studienkollegen in Freilassing wegen dessen Zollgrenze LPs nach Salzburg mitnehmen. Der Zöllner wies mich darauf hin, dass als seinerzeitiger Rohrbacher für mich die Zollgrenzen eines Zollgrenzbezirkes auch in Salzburg gelten würden und diese noch geringer wären.

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Ybbstaler (1.370 Kommentare)
vor 14 Minuten

Die wirtschaftlichen Vorteile, die der EU Beitritt gebracht hat, sollten nicht vergessen werden. Schade, dass ein so gut funktionierender Wirtschaftsraum politisch so versagt. Heute sehe ich die Erhaltung des gemeinsamen Wirtschaftsraumes für unverzichtbar, die EU als politische Gemeinschaft aber gescheitert. Leider wird uns das immer nach dem Motto "alles oder nichts" verkauft.

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angerba (2.459 Kommentare)
vor 40 Minuten

Der Schmuggel von Kleidung, Elektronik usw würde damals von uns Innviertlern als "Grenzlandförderung" empfunden! Diese Zeiten brauchen wir nicht mehr! Gerade im Grenzraum sieht man die vielen Vorteile der EU viel intensiver!

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Ybbstaler (1.370 Kommentare)
vor einer Stunde

Der Einkauf ist noch immer 1/3 billiger drüben, aber zumindest legal. Wer in Grenznähe lebt, wäre dumm nicht ab und zum Einkaufen nach Deutschland zu fahren.

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MeierZin (156 Kommentare)
vor 56 Minuten

So allgemein stimmt das natürlich nicht.

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felixh (5.071 Kommentare)
vor 2 Stunden

wir sind in der EU, da sollte es erlaubt sein

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NeujahrsUNgluecksschweinchen (31.041 Kommentare)
vor einer Stunde

Heute ja, ohne Grenzstau, Ausweis- und Zollkontrollen und mit gemeinsamer Währung.

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MeierZin (156 Kommentare)
vor 56 Minuten

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