Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Anonyme Alkoholiker: "Ich bin schon viele 24 Stunden trocken"

Von Lena Gattringer, 03. Juli 2024, 14:45 Uhr
Men and women sitting in a circle during group therapy, talking.
Zu den Treffen der Anonymen Alkoholikern kann jeder ohne Anmeldung kommen. Bild: colourbox

LINZ/WELS. Gegründet 1935 in den USA, gibt es in Oberösterreich bereits seit 50 Jahren Treffen für Anonyme Alkoholiker. Von 26. bis 28. Juli lädt der Verein zum Deutschsprachigen Ländertreffen nach Wels.

Reinhard* feiert übermorgen seinen 58. Geburtstag. Er ist Mitglied bei den Anonymen Alkoholikern (AA) und seit 22 Jahren trocken. Das sind beachtlich viele 24 Stunden, in denen er es geschafft hat, keinen Alkohol zu trinken. Es ist unter anderem diese 24-Stunden-Regel, die das Konzept der AA so erfolgreich macht. "Wir sagen nicht, dass wir für den Rest unseres Lebens trocken sein werden. Das nehmen wir uns nur für den nächsten Tag vor und das jeden Tag wieder", sagt Reinhard. 

"Wenn bei einem Meeting gefragt wird, wer am längsten trocken ist, dann sagen wir immer: 'Der, der heute am frühsten aufgestanden ist'", sagt Kerstin*, AA aus Oberösterreich. Sie war 14 Jahre alt, als sie mit dem Trinken angefangen hat. "Ich komme aus einer nichtalkoholischen Familie, eigentlich gab es bei uns zu Hause keinen Alkohol. Aber meine Mutter hatte Rum zum Backen und ich habe mein Leben damals nicht ausgehalten", erzählt sie. Mit 29, als sie selbst bereits Familie und Kinder hatte, ging sie schließlich zu einem AA-Meeting. "So habe ich zum Trinken aufhören dürfen." Zumindest vorerst. 

12 Schritte und das "Blaue Buch"

Jedes Meeting beginnt mit dem Verlesen der Präambel des Vereins. Darin heißt es: "Unser Hauptzweck ist, nüchtern zu bleiben und anderen Alkoholikern zur Nüchternheit zu verhelfen." Dann werden die zwölf Schritte aus dem "Blauen Buch", dem Basistext der Anonymen Alkoholiker, der seit 1939 unverändert geblieben ist, vorgelesen. Nur in dem ersten kommt das Wort "Alkohol" vor:  "Wir gaben zu, dass wir dem Alkohol gegenüber machtlos sind – und unser Leben nicht mehr meistern konnten." 

Eigentlich sind diese Schritte ein Konzept zur Persönlichkeitsentwicklung und das "empfohlene Genesungsprogramm" mit spirituellem Hintergrund, auf dem die Gemeinschaft der AA fußt. Religiosität oder der Glaube an Gott sei aber keine Voraussetzung, an den Meetings oder dem Programm teilzunehmen, sagt Reinhard. Die Gründer, Bill Wilson und Bob Smith, hatten bei ihrem zufälligen Treffen 1935 festgestellt, dass der Zwang zu trinken nachließ, wenn sie darüber sprachen. 

Klare Regeln und Strukturen

Ansonsten gibt es nur sehr einfache Regeln bei den Meetings: nicht durcheinanderreden, jedem wird zugehört, man redet nur über sich selbst und - die wichtigste von allen - man erteilt keine Ratschläge. Das sei laut Reinhard eines der Erfolgsgeheimnisse: "Niemand sagt mir, was ich zu tun habe." Kerstin schließt sich dem an: "Wer bin ich, einem Alkoholiker das Trinken zu verbieten?"

In Linz gibt es an mittlerweile fünf Tagen der Woche AA-Meetings. Auch in vielen weiteren oberösterreichischen Städten wie Freistadt, Braunau oder Rohrbach finden Treffen statt. Für die Teilnahme braucht es keine Anmeldung. Zu den offenen Meetings können auch Angehörige oder Interessierte kommen. 

Die Rückkehr nach einem Rückfall

Nach 15 Jahren hatte Kerstin einen Rückfall. "Es hat fünf Tage gedauert und ich war wieder da, wo ich angefangen hatte: Weinend am Wohnzimmerboden mit einer Flasche Wodka neben mir." Heute kann sie sich gar nicht mehr daran erinnern, was sie dazu bewogen hat, erneut zur Flasche zu greifen. Aber sie hat den Absprung erneut geschafft. Nach drei Jahren als "nasse Alkoholikerin" ist die heute 67-Jährige mittlerweile seit 20 Jahren zum zweiten Mal trocken. 

Das Potential, wieder rückfällig zu werden, ist einer der Gründe, warum die AA auch nach Jahren anonym bleiben. "Wenn man einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hat und wieder zu trinken anfängt, kann jemand meinen, dass AA nicht hilft", sagt Reinhard. Außerdem würden Alkoholiker dazu neigen, ein übertriebenes Ego zu haben und die Gemeinschaft solle "vor den Aktionen des Einzelnen geschützt werden". Dazu ergänzt Kerstin: "Hochmut ist für einen trockenen Alkoholiker der Highway to Hell."

AA wirkt

Die Anonymität, die die Gruppen der AA ausmacht, macht eine wissenschaftliche Evaluation ihrer Wirksamkeit schwierig. Dennoch ist die Wirksamkeit in der Praxis erwiesen. "Es gibt kein professionelles Programm, das  besser funktioniert", sagt Psychiater Olaf Rossiwall, der in Hallein eine psychiatrische Praxis betreibt.  Auch laut Psychologin Daniela Buder, Obfrau der Al-Anon Familiengruppen Österreich, sind die Treffen zwar nicht die einzige Therapiemöglichkeit, aber jedenfalls das beste Rückfallprophylaxensystem. 

Wie viele AA-Mitglieder es in Österreich gebe, sei schwer zu schätzen, da die Gruppen nicht gebunden sind und die Zahl der Teilnehmer immer variieren. Nach den eigenen Erfahrungen von Reinhard und Kerstin besuchen durchschnittlich zehn Menschen die Meetings, wodurch sich bei den 200 österreichischen Gruppen rund 2000 Anonyme Alkoholiker errechnen lassen. "Manchmal sind über Monate nur zwei, drei Leute bei den Meetings, dann kommen wieder mehr als 30 zu einem Treffen", sagt Kerstin. 

Es ist allerdings sicher, dass sich nur ein Bruchteil der alkoholkranken Menschen Hilfe bei den AA holt. "Statistisch gesehen sind rund 400.000 Österreicher krankhaft abhängig, etwa jedem sechsten wird schädlicher Gebrauch nachgesagt", sagt Rossiwall. 

Gruppen für Angehörige

Auf jeden Alkoholiker kommen mehrere Menschen, die direkt von dessen Krankheit betroffen sind. "Die Probleme und die Co-Abhängigkeit der Angehörigen werden oft nicht so klar gesehen, wie die der Alkoholiker selbst", sagt Katharina A., die Teil der Al-Anon Familiengruppen ist. Bei diesen können sich Familienangehörige und Freunde von alkoholkranken Menschen Hilfe und Unterstützung holen. Von diesen Gruppen gibt es rund 60 in Österreich, drei davon sind sogenannte Alateen-Gruppen, die sich an Kinder und Jugendliche von alkoholbelasteten Familien richten. 

Internationales Treffen in Wels

Jährlich findet ein großes, internationales AA-Treffen im deutschsprachigen Raum statt. Heuer werden von etwa 3000 Betroffene und deren Angehörige von 26. bis 28. Juli in Wels erwartet. Bei mehr als 120 teilweise parallel stattfindenden Meetings können sich die Menschen in AA- und Al-Anon-Gruppen zu unterschiedlichen Schwerpunkten wie "Alkohol und Suizid", "AA im beruflichen Suchtbereich" oder "Wie gebe ich die Botschaft weiter?" austauschen. 

Nähere Infos zum Programm hier

* Name von der Redaktion geändert

mehr aus Oberösterreich

Schulen: Wo nach diesem Zeugnistag wirklich Schluss ist

Wendung im Fall Aloisianum: Schüler erhalten doch Zeugnisse

"Unglaublich motivierend": Start für den Landesbewerb der Feuerwehren

ÖGK: Einigung mit Wahlärzten über digitale Einreichung

Autorin
Lena Gattringer
Redakteurin Leben
Lena Gattringer
Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

0  Kommentare
0  Kommentare
Die Kommentarfunktion steht von 22 bis 6 Uhr nicht zur Verfügung.
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Aktuelle Meldungen