"Diese Funde bringen uns die Menschen von damals und ihre Sorgen näher"
SEEWALCHEN/LINZ. Landesarchäologe Stefan Traxler verrät die ersten Ergebnisse zum Gräberfund am Attersee
Es war ein sensationeller Zufallsfund: Am 20. März sind bei Grabungsarbeiten für ein Wohnhaus in Litzlberg am Attersee, wie berichtet, vier Särge aus dem 17. Jahrhundert mit erstaunlich gut erhaltener Kleidung und einem wertvollen Goldring entdeckt worden. Am 1. Mai wird das Geheimnis gelüftet, ob es sich beim Frauenskelett aus dem Metallsarg, wie vermutet, um die Adelige Anna Maria Händlin handelt, die vor 400 Jahren lebte. Landesarchäologe Stefan Traxler verrät im Interview erste Ergebnisse der anthropologischen Untersuchungen.
>> Video: Das Team von TV1 war bei den Grabungsarbeiten dabei
OÖN: Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als die Bedeutung des Fundes feststand?
Stefan Traxler: Die Einzigartigkeit erschließt sich nicht gleich. Beim Metallsarg sind wir schon hellhörig geworden, weil den findet man nicht alle Tage und nicht auf einer Baustelle, sondern meist in einer Gruft. Als wir die Textilien und den Ring gesehen haben, wussten wir, dass wir da wirklich etwas Besonderes haben.
Was macht den Litzlberger Gräberfund so einzigartig?
Die absolut perfekt erhaltenen, 400 Jahre alten Seidengewänder, die wie neu sind. Das luftdichte Feuchtbodenmilieu des Metallsargs bewahrte die Textilien vor dem Zerfall. Außerdem befinden wir uns in einer extrem spannenden Zeit zwischen 1615 und 1625 mit den letzten geduldeten Protestanten, der Gegenreformation und dem Dreißigjährigen Krieg. Mit den anthropologischen Untersuchungen der Skelette können wir Rückschlüsse ziehen, wie die Menschen damals gelebt haben und welche Krankheiten sie hatten. Das bringt uns nicht nur die Zeit, sondern auch die Menschen von damals näher, welche Sorgen sie hatten und wie sie sich ernährt haben. Die Kombination aus all diesen Dingen macht den Fund so besonders.
Welche Erkenntnisse können Sie uns schon verraten?
Es handelt sich bei dem Frauenskelett, wie vermutet, um ein Mitglied der Familie Engl von und zu Wagrain. Die Frau hatte laut unserer Anthropologin Silvia Renhart keine Mangelernährung in der Kindheit und hat sich sehr fleischlastig ernährt, was auf den Adelsstand hindeutet. Mehr kann ich noch nicht verraten.
Wie hat Georg Spiegelfeld, einer der letzten Nachkommen der Familie Engl, reagiert?
Er ist hochinteressiert, dass von seiner Familiengeschichte noch einiges zu Tage gefördert wird, und möchte, dass seine Verwandte in der Familiengruft in der Wallfahrtskirche Maria Schöndorf bestattet wird. Wir werden noch weitere Familienverbindungen aus dieser Gruft und jenen in Pettenbach und Pichl untersuchen. Die Vernetzungen der Familie Engl und ihre Handelsbeziehungen werden uns noch lange beschäftigen.
Gibt es schon Ergebnisse zu den drei Holzsärgen?
Wir haben haben zwei Säuglingssärge gefunden, aber keine dazu passenden Knochen. Es könnte sein, dass sich die weicheren Säuglingsknochen im Boden zersetzt haben. Im dritten Holzsarg lag das Skelett eines Mannes, der ziemlich genau in meinem Alter zwischen 41 und 50 Jahren verstarb, mit 1,56 Meter selbst für damalige Verhältnisse klein war und eine sehr kräftige Statur hatte. Heute würde man sagen, er war ein Bröckerl, er dürfte sein Leben lang hart gearbeitet haben. Das zeigen die Muskelmarken an den Knochen. In jungen Jahren dürfte er unter Mangelernährung gelitten haben, hervorgerufen durch Hungerperioden im Winter oder einseitige, nährstoffarme Ernährung. Der Mann könnte in der Gutsverwaltung der Familie Engl gearbeitet und ihren Glauben geteilt haben.
Wann kann man die Fundstücke bewundern?
Im Mai sollen zumindest die Textilien der Adeligen in Seewalchen ausgestellt werden. Bis Ende des Jahres könnte es eine Ausstellung im Linzer Schlossmuseum geben.
Am 1. Mai, 18 Uhr, wird per Livestream die Grabtafel des Metallsargs enthüllt: austausch.ooelkg.at
3 Fragen an Norbert Hartl
Baumeister und Eigentümer des archäologischen Fundes
Wie haben Sie den Fund auf Ihrem Grundstück erlebt?
Der Polier hat mich angerufen, dass der Baggerfahrer auf menschliche Knochen gestoßen sei. Wir haben zuerst an ein Gewaltverbrechen gedacht und die Polizei informiert. Vorsichtig haben wir weitergesucht und sind auf einen Behälter gestoßen. Das Landeskriminalamt und das Bundesdenkmalamt wurden eingeschaltet. Leider hat der Bagger die Holzsärge beschädigt. Wir waren darauf nicht vorbereitet, das war für uns völlig überraschend. Eher finden wir sonst eine Bombe.
Wussten Sie, dass Sie der Eigentümer der Funde sind?
Nein. Ich dachte, die gehören der Allgemeinheit. Weil so was kann man sich ja schlecht ins Wohnzimmer stellen.
Sie haben mit dem Landesmuseum für ein Jahr einen Leihvertrag geschlossen. Was passiert dann mit den Funden?
Sie sollen nicht in einem Depot verschwinden, sondern auf jeden Fall in Oberösterreich und für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben, z.B. in einer Dauerausstellung in Seewalchen.
Ich dachte von Anfang an, dass der Fund auf dem Grundstück des Innungsmeisters gemacht wurde! Mein sechster Sinn hatte wieder einmal recht.