Versuchter Mord? An Tag drei wurde sogar Gulasch aufgetischt
RIED / SANKT FLORIAN. Gutachter nahm Essen mit, um mögliche Geschmacksunterschiede aufzuzeigen
Wollte eine 32-jährige Frau ihren Ehemann am 22. August 2022 in einem Haus in St. Florian am Inn mit einem Messer töten? Gestern fand im Landesgericht Ried der dritte Prozesstag statt, angeklagt ist die Frau wegen versuchten Mordes – die OÖN haben ausführlich berichtet. Laut Staatsanwältin Petra Stranzinger soll die Angeklagte ihrem schlafenden Mann eine 18 Zentimeter lange Schnittverletzung am Hals zugefügt haben. Wenige Stunden zuvor soll sie dem Opfer, das glücklicherweise nicht lebensgefährlich verletzt wurde, sechs Tabletten Mirtazapin, ein Antidepressivum, in das Gulasch gemischt haben. Dadurch sei der Mann bereits kurz nach dem Essen eingeschlafen. Die Beschuldigte behauptete am ersten Prozesstag, dass ihre 13-jährige Tochter für die Tat verantwortlich sei. Gestern kam die Beschuldigte nicht zu Wort. Für die Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung.
Um mehr über die genaue Wirkung der verabreichten Medikamente zu erfahren, wurde ein Sachverständiger bestellt, der gestern sein Ergebnis im Zeugenstand präsentierte. Die sedierende Wirkung trete sehr rasch ein. "Noch schneller wird das Medikament aufgenommen, wenn es zerkleinert und zerkaut wird. Ich würde sagen, dass der Maximaleffekt bereits eine halbe Stunde nach der Einnahme des Essens eingetreten ist", sagte der Gutachter. Das Medikament werde häufig auch als "schlafanstoßendes Mittel" eingenommen.
"Mein Mandant hat sich nach dem Abendessen nicht gut gefühlt, er war wahnsinnig müde und hat sich im Hochsommer bereits um 19.30 Uhr niederlegt", betonte Rechtsanwalt Ernst Grubeck, der das Opfer vor Gericht vertritt. Der Gutachter ging in seinen Ausführungen davon aus, dass dem 40-Jährigen bereits Tage zuvor ein anderes Antidepressivum ins Essen gemischt worden sei, allerdings etappenweise.
Drei Gulaschvarianten
Dem Zufall wollte der Gutachter nichts überlassen. Nachdem die Vermengung von Gulasch mit den Antidepressiva dem Essen eine gewisse bittere Note verleiht, nahm er drei verschiedene Gulaschvarianten mit. Zur Auswahl standen ein "normales" und je eines mit den untergemischten Antidepressiva. "Wenn Sie wollen, können Sie auf eigene Gefahr verkosten. Wenn Sie es wieder ausspucken, ist das Risiko, dass der Körper etwas aufnimmt, verschwindend gering", so der Gutachter. Gesagt, getan: Die Schriftführerin wärmte die drei Essensboxen in einer Mikrowelle auf, im Nebenzimmer wurde dann verkostet. Verteidiger Andreas Mauhart, zwei der vorsitzenden Richter, Staatsanwältin Petra Stranzinger und zwei der Geschworenen probierten das Gulasch.
Wie auch immer, zweifelsohne steht fest, dass dem Opfer, von wem auch immer, kurz vor der Tat sedierende Medikamente untergemischt worden waren, wohl nicht ohne Vorsatz.
Mangelhafte Spurensicherung?
Vor der Gulaschverkostung wurden weitere am Tatort anwesende Kriminalbeamte befragt. Am zweiten Prozesstag bekamen Beobachter den Eindruck, dass bei der Spurensicherung Fehler passiert sind. So wurde das Körbchen mit zwei Cuttermessern, die möglicherweise als Tatwerkzeuge infrage kommen, von einer Bettablage auf die Stiege gestellt. "Es war leider so, dass das verändert worden ist. Wer das ins Stiegenhaus gebracht hat, entzieht sich leider meiner Kenntnis", sagte ein Beamter der Tatortgruppe des Landeskriminalamts. "Hat eigentlich irgendwer zum Beispiel den Wäschehaufen kontrolliert? Der sieht auf den Lichtbildern immer gleich aus", sagte Mauhart.
Urteil am vierten Prozesstag?
Der vierte und möglicherweise letzte Verhandlungstag findet am 4. Mai statt. Der 15-jährige tschechische Neffe der Angeklagten, der in der Tatnacht im Haus in St. Florian anwesend war, wird mittels Videokonferenz als Zeuge befragt. Anschließend könnten die Schlussplädoyers, die Beratungen der Geschworenen und die Urteilsverkündung folgen.