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Gedanken-Expedition ins Reich der Wahrheit

Von Reinhold Gruber, 23. September 2024, 00:04 Uhr
Gedanken-Expedition ins Reich der Wahrheit
Ein Teil des Expeditionsteams startete den Gedankenprozess mit einer Talkrunde am Podium.

WILHERING. Wie ist das nun mit der Wahrheit? Ist sie so dehnbar, wie es sprichwörtlich heißt? Gibt es die Wahrheit gar nicht, weil jeder seine eigene Wahrheit hat, verbreitet über soziale Medien, in denen jeder und jede alles ungeprüft sagen und behaupten kann? Brauchen wir als Gesellschaft überhaupt immer die Wahrheit im Zusammenleben und wenn ja, wer bestimmt dann, was die Wahrheit ist?

Fragen stellen und darüber diskutieren, ohne gleich automatisch Antworten liefern zu müssen – das ist das Wesen des Forum Humanismus Wilhering. Vor zwei Jahren als Verein von Stift und Gemeinde ins Leben gerufen, war die Digitalisierung, durch die der Humanismus auf der Strecke zu bleiben droht, erstes Thema. Heuer, in der dritten Auflage der sogenannten "Expedition für Humanismus" machten sich Ende vergangener Woche knapp 30 Frauen und Männer unterschiedlichen Alters und verschiedenster Professionen auf den Weg zur Wahrheit. Inspiriert und angestoßen durch Räume im 1146 gegründeten Zisterzienserstift, die Abt Reinhold Dessl dafür öffnete.

Vorweg gesagt, nach eineinhalb Tagen des Zuhörens und anschließender teils sehr kontroversieller, aber stets wertschätzender Diskussionen unter den Teilnehmern war nur eines wirklich klar: Die Wahrheit ist komplex.

"Es bleibt ein Experiment"

"Wir wissen nicht, was herauskommt, es ist und bleibt ein Experiment." Peter Weixelbaumer, Obmann des Vereins "Forum Humanismus Wilhering", hatte den Expeditionsteilnehmern schon am Beginn der heurigen Veranstaltung klar gemacht, dass es dieser Initiative nicht in erster Linie darum geht, dass am Ende eine gültige Antwort formuliert sein muss.

Es geht darum, miteinander ins Gespräch zu kommen. Also das zu tun, was so viele nicht mehr real, also von Angesicht zu Angesicht tun, sondern nur mehr im Internet, meist aus der Anonymität heraus und oft mit entsprechender Zügellosigkeit im Ausdruck seiner Wahrheit und im Angriff auf alle jene, mit denen sich die eigene Meinung nicht deckt.

Sichtweisen gewinnen, Brücken bauen, Zukunft gestalten – darum ging es auch schon beim Start Donnerstagabend in der Theaterscheune des Stiftes. Schauspielerin Barbara Kaudelka las unter dem Motto "Hört ihr die Wahrheit …" Texte verschiedener Autoren, aus denen klar hervorging, dass es sich bei der Sorge um das, was wirklich wahr ist, keineswegs um ein Phänomen unserer Zeit handelt.

Meinhard Lukas, ehemaliger Rektor der Kepler-Universität, hatte über den "Mantel der Wahrheit" gesprochen. "Wir leben in einer Welt der Widersprüche", meinte er und konnte sich deutlich mehr für den Begriff der Wahrhaftigkeit in der aktuellen Debatte um Wahrheit erwärmen. Magier und Comedian Tricky Niki machte dann klar, dass man die Wahrheit genau wissen kann, den Trick dahinter dann doch nicht versteht. Auf unterhaltsame Art und Weise führte er vor Augen, dass das, was scheint, nicht das sein muss, was ist.

In der anschließenden Talkrunde auf dem Podium wurden viele Sichtweisen zur Wahrheit deutlich, wobei natürlich das Thema "Fake News" stark im Blickfeld stand. Andre Wolf, Faktenchecker von Mimikama, sprach davon, dass der Wahrheitsbegriff kaputtgegangen sei. Das habe schlicht und einfach damit zu tun, dass "jeder Einzelne so viele Informationen wie noch nie erhält". Das liege am Internet und den sozialen Medien. Dadurch könne sich jeder an Debatten beteiligen, und aus einer weitergesagten "Wahrheit", die nachweislich falsch ist, würde nun schneller die vermeintliche Wahrheit.

Wer diese Ansicht nicht teilt, dem wird schnell vorgeworfen, Teil eines Systems zu sein, das gar kein Interesse daran habe, dass die Menschen die Wahrheit erfahren würden. Daher werde die Arbeit der Faktenchecker und Medien immer mehr und aufwendiger.

Damita Pressl, NZZ-Journalistin, glaubt an die Wahrheit. "Sie ist demnach die am ehesten zutreffende Beschreibung von gesellschaftlich relevanten, messbaren Sachverhalten."

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Autor
Reinhold Gruber
Lokalredakteur Linz
Reinhold Gruber

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